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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Entschluß, wahrhaft fromm zu seyn.
te, vernünftige Erziehung geben und die auf meine
Bildung das alles verwenden können und wollen.
Nein, in dieser Absicht will ich vielmehr alle meine
Kräfte anstrengen, um mir diese vortrefliche Gelegen-
heit recht zu nutze zu machen, um so viel zu lernen,
als ich unter diesen glücklichen Umständen nur zu ler-
nen vermag. Ich will oft bedenken, daß tausend
gute und lernbegierige Kinder dieses Glück nicht genießen,
die in meiner Lage eben so weit als ich, und vielleicht
noch weiter kommen würden.

Höre ich in der Religion die Mäßigkeit jeder
Art empfehlen, o so will ich mich dieser Tugend itzt
schon befleißigen, wo noch keine heftigen Begierden
mein Herz einnehmen und mich zum Gegentheil hin-
reißen. Ich will | den Zorn und die Rachbegierde
fliehen, die jedem Menschen und besonders dem Kinde
so übel anstehen, die jeden Menschen und besonders
mein Geschlecht so sehr erniedrigen. Ich will viel-
mehr meiner Natur gemäs sanftmüthig und versöhn-
lich seyn und jedermann gerne verzeihen, wie auch ich
von andern und von dir, meinem Vater, Verzeihung
wünsche und hoffe. Ich will mich vor der Unmäßig-
keit im Genusse der Speisen und Getränke, vor aus-
schweifender und wilder Lustigkeit, vor allen unanstän-
digen Spielen und Zerstreuungen, vor leichtsinnigen
und unbehutsamen Reden und Urtheilen, vor verwe-
genen und gefährlichen Schritten und Handlungen
hüten. Ich will mein Herz dem Neide verschließen,
und dasselbe vor jeder heftigen, stürmischen Leiden-
schaft bewahren. Denn dieß alles sind Dinge, die

nicht

Entſchluß, wahrhaft fromm zu ſeyn.
te, vernünftige Erziehung geben und die auf meine
Bildung das alles verwenden können und wollen.
Nein, in dieſer Abſicht will ich vielmehr alle meine
Kräfte anſtrengen, um mir dieſe vortrefliche Gelegen-
heit recht zu nutze zu machen, um ſo viel zu lernen,
als ich unter dieſen glücklichen Umſtänden nur zu ler-
nen vermag. Ich will oft bedenken, daß tauſend
gute und lernbegierige Kinder dieſes Glück nicht genießen,
die in meiner Lage eben ſo weit als ich, und vielleicht
noch weiter kommen würden.

Höre ich in der Religion die Mäßigkeit jeder
Art empfehlen, o ſo will ich mich dieſer Tugend itzt
ſchon befleißigen, wo noch keine heftigen Begierden
mein Herz einnehmen und mich zum Gegentheil hin-
reißen. Ich will | den Zorn und die Rachbegierde
fliehen, die jedem Menſchen und beſonders dem Kinde
ſo übel anſtehen, die jeden Menſchen und beſonders
mein Geſchlecht ſo ſehr erniedrigen. Ich will viel-
mehr meiner Natur gemäs ſanftmüthig und verſöhn-
lich ſeyn und jedermann gerne verzeihen, wie auch ich
von andern und von dir, meinem Vater, Verzeihung
wünſche und hoffe. Ich will mich vor der Unmäßig-
keit im Genuſſe der Speiſen und Getränke, vor aus-
ſchweifender und wilder Luſtigkeit, vor allen unanſtän-
digen Spielen und Zerſtreuungen, vor leichtſinnigen
und unbehutſamen Reden und Urtheilen, vor verwe-
genen und gefährlichen Schritten und Handlungen
hüten. Ich will mein Herz dem Neide verſchließen,
und daſſelbe vor jeder heftigen, ſtürmiſchen Leiden-
ſchaft bewahren. Denn dieß alles ſind Dinge, die

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[28/0040] Entſchluß, wahrhaft fromm zu ſeyn. te, vernünftige Erziehung geben und die auf meine Bildung das alles verwenden können und wollen. Nein, in dieſer Abſicht will ich vielmehr alle meine Kräfte anſtrengen, um mir dieſe vortrefliche Gelegen- heit recht zu nutze zu machen, um ſo viel zu lernen, als ich unter dieſen glücklichen Umſtänden nur zu ler- nen vermag. Ich will oft bedenken, daß tauſend gute und lernbegierige Kinder dieſes Glück nicht genießen, die in meiner Lage eben ſo weit als ich, und vielleicht noch weiter kommen würden. Höre ich in der Religion die Mäßigkeit jeder Art empfehlen, o ſo will ich mich dieſer Tugend itzt ſchon befleißigen, wo noch keine heftigen Begierden mein Herz einnehmen und mich zum Gegentheil hin- reißen. Ich will | den Zorn und die Rachbegierde fliehen, die jedem Menſchen und beſonders dem Kinde ſo übel anſtehen, die jeden Menſchen und beſonders mein Geſchlecht ſo ſehr erniedrigen. Ich will viel- mehr meiner Natur gemäs ſanftmüthig und verſöhn- lich ſeyn und jedermann gerne verzeihen, wie auch ich von andern und von dir, meinem Vater, Verzeihung wünſche und hoffe. Ich will mich vor der Unmäßig- keit im Genuſſe der Speiſen und Getränke, vor aus- ſchweifender und wilder Luſtigkeit, vor allen unanſtän- digen Spielen und Zerſtreuungen, vor leichtſinnigen und unbehutſamen Reden und Urtheilen, vor verwe- genen und gefährlichen Schritten und Handlungen hüten. Ich will mein Herz dem Neide verſchließen, und daſſelbe vor jeder heftigen, ſtürmiſchen Leiden- ſchaft bewahren. Denn dieß alles ſind Dinge, die nicht

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/40>, abgerufen am 16.06.2024.