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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Abendgebet.
thätiger werden kann. Der Tod stellt ihn vor dei-
nen Richterstuhl, wo du ihm zurufest: Wohl dir,
du frommer und getreuer Knecht, du bist über We-
nig getreu gewesen, ich will dich über Viel setzen!

Der Tod ist kein Verlust, keine Verminde-
rung der Freude und der Glückseligkeit; denn wir
verlieren ja das nicht, können es nicht verlieren, was
dem vernünftigen, nachdenkenden, gutgesinnten Men-
schen Freude giebt, was ihn zufrieden und glückselig
macht. Wir verlieren ja unsre erworbenen Einsich-
ten und Kenntnisse in moralischen Dingen, unsre
Bekanntschaft mit dir und mit deinem Willen, mit
deiner Weisheit und Güte, mit deinen Werken und
Absichten nicht. Nichts kann uns unsre guten Fer-
tigkeiten, unsre Fertigkeiten in der Tugend und im
Recht - und Wohlthun rauben. Unser Geist kann
nicht sterben, er lebet und wirket ewig fort, und wir
bleiben und behalten alles das, was wir in Absicht
auf unsern vernünftigen Geist gewesen sind und er-
worben haben, alles das, was hier auf Erden unsre
höhere Glückseligkeit ausmachet. Der Tod ist viel-
mehr offenbarer Gewinn für den Tugendhaften und
Gutgesinnten. Er gewinner an seinen Einsichten, an
seiner Tugend, an seiner Vollkommenheit, an seiner
Glückseligkeit. Der Tod befreyet uns von vielen
Schranken, die uns hier umgeben, die uns mehr zu
wissen und mehr zu thun hindern, die unserm Auge
die Aussicht auf entfernte, uns aber wichtige Gegen-
stände benehmen, die unsre Kräfte hemmen, unsre
Anlagen zurückhalten und unsre Zufriedenheit vermin-
dern. Der Tod setzt uns in Verhältnisse, wo wir un-

sre

Abendgebet.
thätiger werden kann. Der Tod ſtellt ihn vor dei-
nen Richterſtuhl, wo du ihm zurufeſt: Wohl dir,
du frommer und getreuer Knecht, du biſt über We-
nig getreu geweſen, ich will dich über Viel ſetzen!

Der Tod iſt kein Verluſt, keine Verminde-
rung der Freude und der Glückſeligkeit; denn wir
verlieren ja das nicht, können es nicht verlieren, was
dem vernünftigen, nachdenkenden, gutgeſinnten Men-
ſchen Freude giebt, was ihn zufrieden und glückſelig
macht. Wir verlieren ja unſre erworbenen Einſich-
ten und Kenntniſſe in moraliſchen Dingen, unſre
Bekanntſchaft mit dir und mit deinem Willen, mit
deiner Weisheit und Güte, mit deinen Werken und
Abſichten nicht. Nichts kann uns unſre guten Fer-
tigkeiten, unſre Fertigkeiten in der Tugend und im
Recht - und Wohlthun rauben. Unſer Geiſt kann
nicht ſterben, er lebet und wirket ewig fort, und wir
bleiben und behalten alles das, was wir in Abſicht
auf unſern vernünftigen Geiſt geweſen ſind und er-
worben haben, alles das, was hier auf Erden unſre
höhere Glückſeligkeit ausmachet. Der Tod iſt viel-
mehr offenbarer Gewinn für den Tugendhaften und
Gutgeſinnten. Er gewinner an ſeinen Einſichten, an
ſeiner Tugend, an ſeiner Vollkommenheit, an ſeiner
Glückſeligkeit. Der Tod befreyet uns von vielen
Schranken, die uns hier umgeben, die uns mehr zu
wiſſen und mehr zu thun hindern, die unſerm Auge
die Ausſicht auf entfernte, uns aber wichtige Gegen-
ſtände benehmen, die unſre Kräfte hemmen, unſre
Anlagen zurückhalten und unſre Zufriedenheit vermin-
dern. Der Tod ſetzt uns in Verhältniſſe, wo wir un-

ſre
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[375/0387] Abendgebet. thätiger werden kann. Der Tod ſtellt ihn vor dei- nen Richterſtuhl, wo du ihm zurufeſt: Wohl dir, du frommer und getreuer Knecht, du biſt über We- nig getreu geweſen, ich will dich über Viel ſetzen! Der Tod iſt kein Verluſt, keine Verminde- rung der Freude und der Glückſeligkeit; denn wir verlieren ja das nicht, können es nicht verlieren, was dem vernünftigen, nachdenkenden, gutgeſinnten Men- ſchen Freude giebt, was ihn zufrieden und glückſelig macht. Wir verlieren ja unſre erworbenen Einſich- ten und Kenntniſſe in moraliſchen Dingen, unſre Bekanntſchaft mit dir und mit deinem Willen, mit deiner Weisheit und Güte, mit deinen Werken und Abſichten nicht. Nichts kann uns unſre guten Fer- tigkeiten, unſre Fertigkeiten in der Tugend und im Recht - und Wohlthun rauben. Unſer Geiſt kann nicht ſterben, er lebet und wirket ewig fort, und wir bleiben und behalten alles das, was wir in Abſicht auf unſern vernünftigen Geiſt geweſen ſind und er- worben haben, alles das, was hier auf Erden unſre höhere Glückſeligkeit ausmachet. Der Tod iſt viel- mehr offenbarer Gewinn für den Tugendhaften und Gutgeſinnten. Er gewinner an ſeinen Einſichten, an ſeiner Tugend, an ſeiner Vollkommenheit, an ſeiner Glückſeligkeit. Der Tod befreyet uns von vielen Schranken, die uns hier umgeben, die uns mehr zu wiſſen und mehr zu thun hindern, die unſerm Auge die Ausſicht auf entfernte, uns aber wichtige Gegen- ſtände benehmen, die unſre Kräfte hemmen, unſre Anlagen zurückhalten und unſre Zufriedenheit vermin- dern. Der Tod ſetzt uns in Verhältniſſe, wo wir un- ſre

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/387>, abgerufen am 24.11.2024.