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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Morgengebet
rung ist. Hier werde ich von der hohen Würde und
von der Unsterblichkeit meines Geistes versichert. Hier
lerne ich dich und mich, deine Absichten mit mir und
meine zukünftige Bestimmung kennen. Hier werde
ich darauf gewiesen, daß du, der Allweise und All-
gütige, uns solche Fähigkeiten und Kräfte, solche Vor-
züge und Anlagen gegeben hast, die für das gegen-
wärtige Leben zu groß und zu vielversprechend sind, die
hier nicht zur Hälfte entwickelt und ausgebildet werden,
und daß wir diese Ausbildung schlechterdings in einem
andern, noch zu erwartenden Zustande erhalten müssen,
wenn du nicht deine Absicht mit uns verfehlen willst.
Hier erhalte ich die Bestätigung dessen, was mir schon
meine Vernunft sagt, daß du einst die Tugend be-
lohnen und das Laster bestrafen, daß du einen jeden
von uns in solche Verhältnisse setzen wirst, die seiner
Denkungsart, seinen herrschenden Gesinnungen und
Neigungen angemessen sind, daß ein jeder das erndten
wird, was er gesäet hat. Hier habe ich Jesum, meinen
Herrn und Erretter und Lehrer, vor Augen, der wieder ins
Leben zurückgekehret ist, dessen Auferstehung mir meine
Unsterblichkeit vergewissert und versinnlichet, der in jeder
Betrachtung dem Tode seine Macht und dem Grabe seine
Schrecken benommen hat. Hier finde ich also die völ-
ligste Beruhigung und die befriedigendste Auflösung
aller Zweifel. Hier höre ich lauter solche Wahrheiten
und sehe lauter solche Anstalten, die meinen Muth be-
leben und meine Hoffnung stärken. Hier erscheint mir
der Tod als ein Freund, der mir müden Pilger die
Hand reicht, als ein Bote des Friedens, der mir

größe-

Morgengebet
rung iſt. Hier werde ich von der hohen Würde und
von der Unſterblichkeit meines Geiſtes verſichert. Hier
lerne ich dich und mich, deine Abſichten mit mir und
meine zukünftige Beſtimmung kennen. Hier werde
ich darauf gewieſen, daß du, der Allweiſe und All-
gütige, uns ſolche Fähigkeiten und Kräfte, ſolche Vor-
züge und Anlagen gegeben haſt, die für das gegen-
wärtige Leben zu groß und zu vielverſprechend ſind, die
hier nicht zur Hälfte entwickelt und ausgebildet werden,
und daß wir dieſe Ausbildung ſchlechterdings in einem
andern, noch zu erwartenden Zuſtande erhalten müſſen,
wenn du nicht deine Abſicht mit uns verfehlen willſt.
Hier erhalte ich die Beſtätigung deſſen, was mir ſchon
meine Vernunft ſagt, daß du einſt die Tugend be-
lohnen und das Laſter beſtrafen, daß du einen jeden
von uns in ſolche Verhältniſſe ſetzen wirſt, die ſeiner
Denkungsart, ſeinen herrſchenden Geſinnungen und
Neigungen angemeſſen ſind, daß ein jeder das erndten
wird, was er geſäet hat. Hier habe ich Jeſum, meinen
Herrn und Erretter und Lehrer, vor Augen, der wieder ins
Leben zurückgekehret iſt, deſſen Auferſtehung mir meine
Unſterblichkeit vergewiſſert und verſinnlichet, der in jeder
Betrachtung dem Tode ſeine Macht und dem Grabe ſeine
Schrecken benommen hat. Hier finde ich alſo die völ-
ligſte Beruhigung und die befriedigendſte Auflöſung
aller Zweifel. Hier höre ich lauter ſolche Wahrheiten
und ſehe lauter ſolche Anſtalten, die meinen Muth be-
leben und meine Hoffnung ſtärken. Hier erſcheint mir
der Tod als ein Freund, der mir müden Pilger die
Hand reicht, als ein Bote des Friedens, der mir

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[368/0380] Morgengebet rung iſt. Hier werde ich von der hohen Würde und von der Unſterblichkeit meines Geiſtes verſichert. Hier lerne ich dich und mich, deine Abſichten mit mir und meine zukünftige Beſtimmung kennen. Hier werde ich darauf gewieſen, daß du, der Allweiſe und All- gütige, uns ſolche Fähigkeiten und Kräfte, ſolche Vor- züge und Anlagen gegeben haſt, die für das gegen- wärtige Leben zu groß und zu vielverſprechend ſind, die hier nicht zur Hälfte entwickelt und ausgebildet werden, und daß wir dieſe Ausbildung ſchlechterdings in einem andern, noch zu erwartenden Zuſtande erhalten müſſen, wenn du nicht deine Abſicht mit uns verfehlen willſt. Hier erhalte ich die Beſtätigung deſſen, was mir ſchon meine Vernunft ſagt, daß du einſt die Tugend be- lohnen und das Laſter beſtrafen, daß du einen jeden von uns in ſolche Verhältniſſe ſetzen wirſt, die ſeiner Denkungsart, ſeinen herrſchenden Geſinnungen und Neigungen angemeſſen ſind, daß ein jeder das erndten wird, was er geſäet hat. Hier habe ich Jeſum, meinen Herrn und Erretter und Lehrer, vor Augen, der wieder ins Leben zurückgekehret iſt, deſſen Auferſtehung mir meine Unſterblichkeit vergewiſſert und verſinnlichet, der in jeder Betrachtung dem Tode ſeine Macht und dem Grabe ſeine Schrecken benommen hat. Hier finde ich alſo die völ- ligſte Beruhigung und die befriedigendſte Auflöſung aller Zweifel. Hier höre ich lauter ſolche Wahrheiten und ſehe lauter ſolche Anſtalten, die meinen Muth be- leben und meine Hoffnung ſtärken. Hier erſcheint mir der Tod als ein Freund, der mir müden Pilger die Hand reicht, als ein Bote des Friedens, der mir größe-

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/380>, abgerufen am 24.06.2024.