pfindung. Jtzt bedauere ich freylich jeden verschwen- deten Tag und jede gemißbrauchte Fähigkeit meiner er- habenen Natur. Jtzt wünsche ich freylich, stets so gedacht und geurtheilt zu haben, wie ich itzt denke und urtheile. Jtzt muß ich freylich vor dir bekennen: Herr, wer kann merken, wie oft er fehle! Verzeihe mir meine erkannten und unerkannten Fehler.
Und das willst, das wirst du, Allgütiger, denn ich kenne dich als den liebevollesten Vater, der gerne verzeiht und mit seinen irrenden Kindern Nachsicht hat; denn du kennest mich, kennest mein Herz und meine Gesinnungen und weißt, wie aufrichtig ich jede Abweichung von dem Pfade der Tugend bereue und wie ernstlich ich an meiner Besserung arbeite. O wie glücklich schätze ich mich, daß ich Jesum und seine Lehre, daß ich dich aus derselben als meinen Vater und als den Gott der Liebe kenne! Nun kann ich des Vergangenen wegen getrost und ruhig seyn, weil du keinem deiner fehlerhaften Geschöpfe, das sich bessert, deine Liebe und dein Wohlgefallen entziehest, weil du jedem Fehlenden verzeihest, der seinen Jrrthum er- kennet und bereuet und sich von dem Wege des Lasters entfernet. -- Ja, ich will die wenigen Tage, die ich noch zu leben habe, ganz meiner Besserung und Vervollkommnung widmen. Jch will alles gestiftete und veranlaßte Böse so oder anders wieder gut zu machen suchen. Jch will nun in allen Stücken mei- nen Einsichten und Erfahrungen gemäß handeln, dich
immer-
Z 2
Rückſicht auf ihre vorig. Jahre u. Schickſ.
pfindung. Jtzt bedauere ich freylich jeden verſchwen- deten Tag und jede gemißbrauchte Fähigkeit meiner er- habenen Natur. Jtzt wünſche ich freylich, ſtets ſo gedacht und geurtheilt zu haben, wie ich itzt denke und urtheile. Jtzt muß ich freylich vor dir bekennen: Herr, wer kann merken, wie oft er fehle! Verzeihe mir meine erkannten und unerkannten Fehler.
Und das willſt, das wirſt du, Allgütiger, denn ich kenne dich als den liebevolleſten Vater, der gerne verzeiht und mit ſeinen irrenden Kindern Nachſicht hat; denn du kenneſt mich, kenneſt mein Herz und meine Geſinnungen und weißt, wie aufrichtig ich jede Abweichung von dem Pfade der Tugend bereue und wie ernſtlich ich an meiner Beſſerung arbeite. O wie glücklich ſchätze ich mich, daß ich Jeſum und ſeine Lehre, daß ich dich aus derſelben als meinen Vater und als den Gott der Liebe kenne! Nun kann ich des Vergangenen wegen getroſt und ruhig ſeyn, weil du keinem deiner fehlerhaften Geſchöpfe, das ſich beſſert, deine Liebe und dein Wohlgefallen entzieheſt, weil du jedem Fehlenden verzeiheſt, der ſeinen Jrrthum er- kennet und bereuet und ſich von dem Wege des Laſters entfernet. — Ja, ich will die wenigen Tage, die ich noch zu leben habe, ganz meiner Beſſerung und Vervollkommnung widmen. Jch will alles geſtiftete und veranlaßte Böſe ſo oder anders wieder gut zu machen ſuchen. Jch will nun in allen Stücken mei- nen Einſichten und Erfahrungen gemäß handeln, dich
immer-
Z 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0367"n="355"/><fwplace="top"type="header">Rückſicht auf ihre vorig. Jahre u. Schickſ.</fw><lb/>
pfindung. Jtzt bedauere ich freylich jeden verſchwen-<lb/>
deten Tag und jede gemißbrauchte Fähigkeit meiner er-<lb/>
habenen Natur. Jtzt wünſche ich freylich, ſtets ſo<lb/>
gedacht und geurtheilt zu haben, wie ich itzt denke und<lb/>
urtheile. Jtzt muß ich freylich vor dir bekennen:<lb/>
Herr, wer kann merken, wie oft er fehle! Verzeihe<lb/>
mir meine erkannten und unerkannten Fehler.</p><lb/><p>Und das willſt, das wirſt du, Allgütiger, denn<lb/>
ich kenne dich als den liebevolleſten Vater, der gerne<lb/>
verzeiht und mit ſeinen irrenden Kindern Nachſicht<lb/>
hat; denn du kenneſt mich, kenneſt mein Herz und<lb/>
meine Geſinnungen und weißt, wie aufrichtig ich jede<lb/>
Abweichung von dem Pfade der Tugend bereue und<lb/>
wie ernſtlich ich an meiner Beſſerung arbeite. O wie<lb/>
glücklich ſchätze ich mich, daß ich Jeſum und ſeine<lb/>
Lehre, daß ich dich aus derſelben als meinen Vater<lb/>
und als den Gott der Liebe kenne! Nun kann ich des<lb/>
Vergangenen wegen getroſt und ruhig ſeyn, weil du<lb/>
keinem deiner fehlerhaften Geſchöpfe, das ſich beſſert,<lb/>
deine Liebe und dein Wohlgefallen entzieheſt, weil du<lb/>
jedem Fehlenden verzeiheſt, der ſeinen Jrrthum er-<lb/>
kennet und bereuet und ſich von dem Wege des Laſters<lb/>
entfernet. — Ja, ich will die wenigen Tage, die<lb/>
ich noch zu leben habe, ganz meiner Beſſerung und<lb/>
Vervollkommnung widmen. Jch will alles geſtiftete<lb/>
und veranlaßte Böſe ſo oder anders wieder gut zu<lb/>
machen ſuchen. Jch will nun in allen Stücken mei-<lb/>
nen Einſichten und Erfahrungen gemäß handeln, dich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">immer-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[355/0367]
Rückſicht auf ihre vorig. Jahre u. Schickſ.
pfindung. Jtzt bedauere ich freylich jeden verſchwen-
deten Tag und jede gemißbrauchte Fähigkeit meiner er-
habenen Natur. Jtzt wünſche ich freylich, ſtets ſo
gedacht und geurtheilt zu haben, wie ich itzt denke und
urtheile. Jtzt muß ich freylich vor dir bekennen:
Herr, wer kann merken, wie oft er fehle! Verzeihe
mir meine erkannten und unerkannten Fehler.
Und das willſt, das wirſt du, Allgütiger, denn
ich kenne dich als den liebevolleſten Vater, der gerne
verzeiht und mit ſeinen irrenden Kindern Nachſicht
hat; denn du kenneſt mich, kenneſt mein Herz und
meine Geſinnungen und weißt, wie aufrichtig ich jede
Abweichung von dem Pfade der Tugend bereue und
wie ernſtlich ich an meiner Beſſerung arbeite. O wie
glücklich ſchätze ich mich, daß ich Jeſum und ſeine
Lehre, daß ich dich aus derſelben als meinen Vater
und als den Gott der Liebe kenne! Nun kann ich des
Vergangenen wegen getroſt und ruhig ſeyn, weil du
keinem deiner fehlerhaften Geſchöpfe, das ſich beſſert,
deine Liebe und dein Wohlgefallen entzieheſt, weil du
jedem Fehlenden verzeiheſt, der ſeinen Jrrthum er-
kennet und bereuet und ſich von dem Wege des Laſters
entfernet. — Ja, ich will die wenigen Tage, die
ich noch zu leben habe, ganz meiner Beſſerung und
Vervollkommnung widmen. Jch will alles geſtiftete
und veranlaßte Böſe ſo oder anders wieder gut zu
machen ſuchen. Jch will nun in allen Stücken mei-
nen Einſichten und Erfahrungen gemäß handeln, dich
immer-
Z 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/367>, abgerufen am 24.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.