den andern lieben, unterstützen und uns gegenseitig das Leben versüßen sollen. Und welche Verhältnisse sind enger und fester in einander verschlungen als die Verhältnisse, in welchen Gatten gegen einander ste- hen! Welche Verbindung der Menschen unter einan- der ist inniger und angenehmer und eine Quelle grö- serer Freuden als die Verbindung des ehelichen und häuslichen Lebens! Welches Glück, welche Vergnü- gungen sind damit verbunden! Aber auch welcher Schmerz, wenn ein solches Band zerrissen und ein solches Verhältniß aufgehoben wird!
Ja, o Gott, groß und empfindlich ist der Schmerz, welchen ich in dieser Rücksicht fühle; groß und beklagenswürdig ist der Verlust, den ich erlitten habe; mit kummervollen, noch nie gehabten Empfin- dungen ist der Tod meines Gatten für mich verbunden. Unsere gegenseitige, durch eine Reihe vieler Jahre erprobte und treu befundene Liebe, unser gemeinschaft- licher Genuß des Lebens und aller Veränderungen des- selben, unsre gleichen Gesinnungen und Wünsche, die uns immer zu einem einzigen Zwecke und auf gleiche Weise handeln ließen, dieß alles erhöhet und verstär- ket itzt das traurige Gefühl dessen, was ich verloren habe. Aber der Gedanke an dich und die feste Ueber- zeugung von der Wohlthätigkeit aller deiner Schickun- gen und Absichten, die Rücksicht auf das Vergangene und die Betrachtung der Nothwendigkeit dessen, was nun erfolgt ist, dieß alles ist Erquickung und Beru- higung und Trost für mich.
Zwar
Die ältere Wittwe.
den andern lieben, unterſtützen und uns gegenſeitig das Leben verſüßen ſollen. Und welche Verhältniſſe ſind enger und feſter in einander verſchlungen als die Verhältniſſe, in welchen Gatten gegen einander ſte- hen! Welche Verbindung der Menſchen unter einan- der iſt inniger und angenehmer und eine Quelle grö- ſerer Freuden als die Verbindung des ehelichen und häuslichen Lebens! Welches Glück, welche Vergnü- gungen ſind damit verbunden! Aber auch welcher Schmerz, wenn ein ſolches Band zerriſſen und ein ſolches Verhältniß aufgehoben wird!
Ja, o Gott, groß und empfindlich iſt der Schmerz, welchen ich in dieſer Rückſicht fühle; groß und beklagenswürdig iſt der Verluſt, den ich erlitten habe; mit kummervollen, noch nie gehabten Empfin- dungen iſt der Tod meines Gatten für mich verbunden. Unſere gegenſeitige, durch eine Reihe vieler Jahre erprobte und treu befundene Liebe, unſer gemeinſchaft- licher Genuß des Lebens und aller Veränderungen deſ- ſelben, unſre gleichen Geſinnungen und Wünſche, die uns immer zu einem einzigen Zwecke und auf gleiche Weiſe handeln ließen, dieß alles erhöhet und verſtär- ket itzt das traurige Gefühl deſſen, was ich verloren habe. Aber der Gedanke an dich und die feſte Ueber- zeugung von der Wohlthätigkeit aller deiner Schickun- gen und Abſichten, die Rückſicht auf das Vergangene und die Betrachtung der Nothwendigkeit deſſen, was nun erfolgt iſt, dieß alles iſt Erquickung und Beru- higung und Troſt für mich.
Zwar
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Die ältere Wittwe.
den andern lieben, unterſtützen und uns gegenſeitig
das Leben verſüßen ſollen. Und welche Verhältniſſe
ſind enger und feſter in einander verſchlungen als die
Verhältniſſe, in welchen Gatten gegen einander ſte-
hen! Welche Verbindung der Menſchen unter einan-
der iſt inniger und angenehmer und eine Quelle grö-
ſerer Freuden als die Verbindung des ehelichen und
häuslichen Lebens! Welches Glück, welche Vergnü-
gungen ſind damit verbunden! Aber auch welcher
Schmerz, wenn ein ſolches Band zerriſſen und ein
ſolches Verhältniß aufgehoben wird!
Ja, o Gott, groß und empfindlich iſt der
Schmerz, welchen ich in dieſer Rückſicht fühle; groß
und beklagenswürdig iſt der Verluſt, den ich erlitten
habe; mit kummervollen, noch nie gehabten Empfin-
dungen iſt der Tod meines Gatten für mich verbunden.
Unſere gegenſeitige, durch eine Reihe vieler Jahre
erprobte und treu befundene Liebe, unſer gemeinſchaft-
licher Genuß des Lebens und aller Veränderungen deſ-
ſelben, unſre gleichen Geſinnungen und Wünſche, die
uns immer zu einem einzigen Zwecke und auf gleiche
Weiſe handeln ließen, dieß alles erhöhet und verſtär-
ket itzt das traurige Gefühl deſſen, was ich verloren
habe. Aber der Gedanke an dich und die feſte Ueber-
zeugung von der Wohlthätigkeit aller deiner Schickun-
gen und Abſichten, die Rückſicht auf das Vergangene
und die Betrachtung der Nothwendigkeit deſſen, was
nun erfolgt iſt, dieß alles iſt Erquickung und Beru-
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/352>, abgerufen am 24.06.2024.
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