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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Das Verh. einer Mutter gegen ein Kind,
hier den Mangel der größern Verstandesfähigkeiten er-
setzen. Meine Sanftmuth, meine Nachsicht, mein
Ausharren müssen den geringen Anlagen, die hier ge-
bildet werden sollen, zu Hülfe kommen. Jch muß
mich nur nicht durch die ersten fruchtlosen Versuche so-
gleich ermüden lassen. Jch muß nur nicht unmögliche
Dinge verlangen. Jch muß nur nicht muthlos wer-
den und die Mühe nicht scheuen, Saamen auszu-
streuen, der nicht sogleich, der erst spät einige Früchte
trägt. Und wenn ich meine Pflicht ganz thue und
mich der besten Mittel hierbey bediene, so werde ich
auch gewiß meine Absicht nicht verfehlen und mein
Kind so verständig und gut und brauchbar machen, als
es bey seinen Kräften und Fähigkeiten werden kann
und soll.

Nur muß ich mich bey der Wahl der Lebensart
dieses Kindes ganz vorzüglich vor den Fehlern hüten,
die nicht selten in diesem Stücke begangen werden.
Nur muß ich darauf sehen, daß sich dasselbe keinen
Stand und Beruf wähle, wozu es nicht Gaben und
Geschicklichkeit genug besitzt. Das geringe Maß von
Kräften, welches du ihm zugetheilet hast, ist ein deut-
licher, nicht zu verkennender Wink, daß du demsel-
ben keine wichtige Stelle unter den Menschen anweisen
willst, keine Stelle, wozu große Geistesgaben und
Einsichten erfordert werden, sondern daß du dasselbe
für einen Stand bestimmt hast, in welchem es bey
seinen geringen Fähigkeiten und Gaben Nutzen stiften
und zufrieden leben kann. O möchte ich doch diesen
deinen Wink und Willen nicht verkennen! Möchte

ich

Das Verh. einer Mutter gegen ein Kind,
hier den Mangel der größern Verſtandesfähigkeiten er-
ſetzen. Meine Sanftmuth, meine Nachſicht, mein
Ausharren müſſen den geringen Anlagen, die hier ge-
bildet werden ſollen, zu Hülfe kommen. Jch muß
mich nur nicht durch die erſten fruchtloſen Verſuche ſo-
gleich ermüden laſſen. Jch muß nur nicht unmögliche
Dinge verlangen. Jch muß nur nicht muthlos wer-
den und die Mühe nicht ſcheuen, Saamen auszu-
ſtreuen, der nicht ſogleich, der erſt ſpät einige Früchte
trägt. Und wenn ich meine Pflicht ganz thue und
mich der beſten Mittel hierbey bediene, ſo werde ich
auch gewiß meine Abſicht nicht verfehlen und mein
Kind ſo verſtändig und gut und brauchbar machen, als
es bey ſeinen Kräften und Fähigkeiten werden kann
und ſoll.

Nur muß ich mich bey der Wahl der Lebensart
dieſes Kindes ganz vorzüglich vor den Fehlern hüten,
die nicht ſelten in dieſem Stücke begangen werden.
Nur muß ich darauf ſehen, daß ſich daſſelbe keinen
Stand und Beruf wähle, wozu es nicht Gaben und
Geſchicklichkeit genug beſitzt. Das geringe Maß von
Kräften, welches du ihm zugetheilet haſt, iſt ein deut-
licher, nicht zu verkennender Wink, daß du demſel-
ben keine wichtige Stelle unter den Menſchen anweiſen
willſt, keine Stelle, wozu große Geiſtesgaben und
Einſichten erfordert werden, ſondern daß du daſſelbe
für einen Stand beſtimmt haſt, in welchem es bey
ſeinen geringen Fähigkeiten und Gaben Nutzen ſtiften
und zufrieden leben kann. O möchte ich doch dieſen
deinen Wink und Willen nicht verkennen! Möchte

ich
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[266/0278] Das Verh. einer Mutter gegen ein Kind, hier den Mangel der größern Verſtandesfähigkeiten er- ſetzen. Meine Sanftmuth, meine Nachſicht, mein Ausharren müſſen den geringen Anlagen, die hier ge- bildet werden ſollen, zu Hülfe kommen. Jch muß mich nur nicht durch die erſten fruchtloſen Verſuche ſo- gleich ermüden laſſen. Jch muß nur nicht unmögliche Dinge verlangen. Jch muß nur nicht muthlos wer- den und die Mühe nicht ſcheuen, Saamen auszu- ſtreuen, der nicht ſogleich, der erſt ſpät einige Früchte trägt. Und wenn ich meine Pflicht ganz thue und mich der beſten Mittel hierbey bediene, ſo werde ich auch gewiß meine Abſicht nicht verfehlen und mein Kind ſo verſtändig und gut und brauchbar machen, als es bey ſeinen Kräften und Fähigkeiten werden kann und ſoll. Nur muß ich mich bey der Wahl der Lebensart dieſes Kindes ganz vorzüglich vor den Fehlern hüten, die nicht ſelten in dieſem Stücke begangen werden. Nur muß ich darauf ſehen, daß ſich daſſelbe keinen Stand und Beruf wähle, wozu es nicht Gaben und Geſchicklichkeit genug beſitzt. Das geringe Maß von Kräften, welches du ihm zugetheilet haſt, iſt ein deut- licher, nicht zu verkennender Wink, daß du demſel- ben keine wichtige Stelle unter den Menſchen anweiſen willſt, keine Stelle, wozu große Geiſtesgaben und Einſichten erfordert werden, ſondern daß du daſſelbe für einen Stand beſtimmt haſt, in welchem es bey ſeinen geringen Fähigkeiten und Gaben Nutzen ſtiften und zufrieden leben kann. O möchte ich doch dieſen deinen Wink und Willen nicht verkennen! Möchte ich

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/278>, abgerufen am 22.11.2024.