klug und weise ist, wer den Werth der Dinge kennet, wer richtig und aufgeklärt denket, wer wahr und edel empfindet, wer von der Absicht dieses Lebens, von dem Zusammenhange desselben mit dem zukünftigen, von seiner erhabenen Hoffnung und Bestimmung un- terrichtet ist, wer sich nicht vom Scheine täuschen und von Tand und Schimmer blenden lässet, der kann unmöglich dem Geize ergeben seyn, weil Weisheit und Thorheit, Wahrheit und Jrrthum widersprechende und unvereinbare Dinge sind und bleiben.
Denn der Geiz ist ja ein höchst unnatürliches Laster, das allen Empfindungen und Trieben meiner menschlichen Natur entgegen ist. Jch fühle mich zum Genusse des Vergnügens bestimmt. Meine Selbst- liebe treibt mich an, alles zu suchen und herbeyzu- schaffen, wodurch ich mein Daseyn auf eine angeneh- me Art empfinden kann. Aber der Geiz läßt mich ganz anders handeln und ganz verkehrte Mittel ergrei- fen. Da muß ich mir jede Freude versagen, die zum Reichwerden nichts beytragen kann. Da muß ich in einer beständigen Angst und Furcht leben und nur mei- ne Schätze mistrauisch bewachen. Da muß ich alle Geselligkeit und allen Umgang mit Menschen fliehen, weil mir ihre Gegenwart leicht einige Kosten und Aus- gaben verursachen könnte. -- Der Geiz macht mich gegen Lob und Tadel, gegen Ehre und Schande gleich- gültig. Da achte ich es nicht, was die Welt von mir denket und glaubet, ob sie mich klug oder thöricht, tu- gendhaft oder lasterhaft nennt, wenn ich nur meine Absicht erreichen und mein Vermögen vergrößern kann.
Da
Wider den Geiz.
klug und weiſe iſt, wer den Werth der Dinge kennet, wer richtig und aufgeklärt denket, wer wahr und edel empfindet, wer von der Abſicht dieſes Lebens, von dem Zuſammenhange deſſelben mit dem zukünftigen, von ſeiner erhabenen Hoffnung und Beſtimmung un- terrichtet iſt, wer ſich nicht vom Scheine täuſchen und von Tand und Schimmer blenden läſſet, der kann unmöglich dem Geize ergeben ſeyn, weil Weisheit und Thorheit, Wahrheit und Jrrthum widerſprechende und unvereinbare Dinge ſind und bleiben.
Denn der Geiz iſt ja ein höchſt unnatürliches Laſter, das allen Empfindungen und Trieben meiner menſchlichen Natur entgegen iſt. Jch fühle mich zum Genuſſe des Vergnügens beſtimmt. Meine Selbſt- liebe treibt mich an, alles zu ſuchen und herbeyzu- ſchaffen, wodurch ich mein Daſeyn auf eine angeneh- me Art empfinden kann. Aber der Geiz läßt mich ganz anders handeln und ganz verkehrte Mittel ergrei- fen. Da muß ich mir jede Freude verſagen, die zum Reichwerden nichts beytragen kann. Da muß ich in einer beſtändigen Angſt und Furcht leben und nur mei- ne Schätze mistrauiſch bewachen. Da muß ich alle Geſelligkeit und allen Umgang mit Menſchen fliehen, weil mir ihre Gegenwart leicht einige Koſten und Aus- gaben verurſachen könnte. — Der Geiz macht mich gegen Lob und Tadel, gegen Ehre und Schande gleich- gültig. Da achte ich es nicht, was die Welt von mir denket und glaubet, ob ſie mich klug oder thöricht, tu- gendhaft oder laſterhaft nennt, wenn ich nur meine Abſicht erreichen und mein Vermögen vergrößern kann.
Da
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[208/0220]
Wider den Geiz.
klug und weiſe iſt, wer den Werth der Dinge kennet,
wer richtig und aufgeklärt denket, wer wahr und edel
empfindet, wer von der Abſicht dieſes Lebens, von
dem Zuſammenhange deſſelben mit dem zukünftigen,
von ſeiner erhabenen Hoffnung und Beſtimmung un-
terrichtet iſt, wer ſich nicht vom Scheine täuſchen und
von Tand und Schimmer blenden läſſet, der kann
unmöglich dem Geize ergeben ſeyn, weil Weisheit und
Thorheit, Wahrheit und Jrrthum widerſprechende und
unvereinbare Dinge ſind und bleiben.
Denn der Geiz iſt ja ein höchſt unnatürliches
Laſter, das allen Empfindungen und Trieben meiner
menſchlichen Natur entgegen iſt. Jch fühle mich zum
Genuſſe des Vergnügens beſtimmt. Meine Selbſt-
liebe treibt mich an, alles zu ſuchen und herbeyzu-
ſchaffen, wodurch ich mein Daſeyn auf eine angeneh-
me Art empfinden kann. Aber der Geiz läßt mich
ganz anders handeln und ganz verkehrte Mittel ergrei-
fen. Da muß ich mir jede Freude verſagen, die zum
Reichwerden nichts beytragen kann. Da muß ich in
einer beſtändigen Angſt und Furcht leben und nur mei-
ne Schätze mistrauiſch bewachen. Da muß ich alle
Geſelligkeit und allen Umgang mit Menſchen fliehen,
weil mir ihre Gegenwart leicht einige Koſten und Aus-
gaben verurſachen könnte. — Der Geiz macht mich
gegen Lob und Tadel, gegen Ehre und Schande gleich-
gültig. Da achte ich es nicht, was die Welt von mir
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/220>, abgerufen am 16.02.2025.
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