chen und dem Einflusse der verführerischen Mode wi- derstehen. Sie zeigt es mir in meinem eigenen Bey- spiele, daß der Mensch, der gute und verständige Mensch auch bey wenigem vergnügt und glücklich seyn kann, daß irrdische Güter keinesweges den großen Werth haben, der ihnen gemeiniglich zugeschrieben wird, daß sie die wahren Vorzüge des Menschen und des Christen schlechterdings nicht ausmachen können.
Ja, alles, was den Menschen zum Menschen macht, alles, was mir zum wahren Ruhme gereichen und eine Würde in deinen Augen geben kann, das finde ich in den Grundsätzen und Gesinnungen, zu wel- chen mich meine Umstände ermuntern, das gewähren mir meine Tugend, meine Zufriedenheit, mein Ver- trauen auf dich, meine Liebe zu dir, mein Gehorsam gegen dich. So wie der Reichthum an sich keinem Menschen Vorzüge ertheilen, wie nur der weise und christliche Gebrauch desselben seinen Besitzer auszeich- nen kann, so ist auch die Armuth an sich selbst keine Erniedrigung, keine Schande. Aber freylich würde es Schande und Erniedrigung für mich seyn, wenn ich mich schlechter und verbotener Mittel, reich zu wer- den, bediente, wenn ich mir List, Betrug und Falsch- heit dabey erlaubte, wenn ich die Meinigen zur Un- terstützung und Ausführung niedriger, unedler Ab- sichten verleiten und ermuntern wollte. Freylich wür- de es Schande und Erniedrigung für mich seyn, wenn ich mich durch Neid und Schadenfreude, dnrch Bit- terkeit und Menschenhaß an den Reichen zu rächen
und
Die arme Hausfrau.
chen und dem Einfluſſe der verführeriſchen Mode wi- derſtehen. Sie zeigt es mir in meinem eigenen Bey- ſpiele, daß der Menſch, der gute und verſtändige Menſch auch bey wenigem vergnügt und glücklich ſeyn kann, daß irrdiſche Güter keinesweges den großen Werth haben, der ihnen gemeiniglich zugeſchrieben wird, daß ſie die wahren Vorzüge des Menſchen und des Chriſten ſchlechterdings nicht ausmachen können.
Ja, alles, was den Menſchen zum Menſchen macht, alles, was mir zum wahren Ruhme gereichen und eine Würde in deinen Augen geben kann, das finde ich in den Grundſätzen und Geſinnungen, zu wel- chen mich meine Umſtände ermuntern, das gewähren mir meine Tugend, meine Zufriedenheit, mein Ver- trauen auf dich, meine Liebe zu dir, mein Gehorſam gegen dich. So wie der Reichthum an ſich keinem Menſchen Vorzüge ertheilen, wie nur der weiſe und chriſtliche Gebrauch deſſelben ſeinen Beſitzer auszeich- nen kann, ſo iſt auch die Armuth an ſich ſelbſt keine Erniedrigung, keine Schande. Aber freylich würde es Schande und Erniedrigung für mich ſeyn, wenn ich mich ſchlechter und verbotener Mittel, reich zu wer- den, bediente, wenn ich mir Liſt, Betrug und Falſch- heit dabey erlaubte, wenn ich die Meinigen zur Un- terſtützung und Ausführung niedriger, unedler Ab- ſichten verleiten und ermuntern wollte. Freylich wür- de es Schande und Erniedrigung für mich ſeyn, wenn ich mich durch Neid und Schadenfreude, dnrch Bit- terkeit und Menſchenhaß an den Reichen zu rächen
und
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Die arme Hausfrau.
chen und dem Einfluſſe der verführeriſchen Mode wi-
derſtehen. Sie zeigt es mir in meinem eigenen Bey-
ſpiele, daß der Menſch, der gute und verſtändige
Menſch auch bey wenigem vergnügt und glücklich ſeyn
kann, daß irrdiſche Güter keinesweges den großen
Werth haben, der ihnen gemeiniglich zugeſchrieben
wird, daß ſie die wahren Vorzüge des Menſchen und
des Chriſten ſchlechterdings nicht ausmachen können.
Ja, alles, was den Menſchen zum Menſchen
macht, alles, was mir zum wahren Ruhme gereichen
und eine Würde in deinen Augen geben kann, das
finde ich in den Grundſätzen und Geſinnungen, zu wel-
chen mich meine Umſtände ermuntern, das gewähren
mir meine Tugend, meine Zufriedenheit, mein Ver-
trauen auf dich, meine Liebe zu dir, mein Gehorſam
gegen dich. So wie der Reichthum an ſich keinem
Menſchen Vorzüge ertheilen, wie nur der weiſe und
chriſtliche Gebrauch deſſelben ſeinen Beſitzer auszeich-
nen kann, ſo iſt auch die Armuth an ſich ſelbſt keine
Erniedrigung, keine Schande. Aber freylich würde
es Schande und Erniedrigung für mich ſeyn, wenn
ich mich ſchlechter und verbotener Mittel, reich zu wer-
den, bediente, wenn ich mir Liſt, Betrug und Falſch-
heit dabey erlaubte, wenn ich die Meinigen zur Un-
terſtützung und Ausführung niedriger, unedler Ab-
ſichten verleiten und ermuntern wollte. Freylich wür-
de es Schande und Erniedrigung für mich ſeyn, wenn
ich mich durch Neid und Schadenfreude, dnrch Bit-
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/215>, abgerufen am 23.06.2024.
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