und schadlos zu halten suchte. Aber dann würde mich nicht meine Armuth, dann würde mich der Mis- brauch derselben und mein boshaftes Herz entehren und schänden.
Um diese Laster, um jede Veranlassung zu demselben zu vermeiden, will ich oft bedenken, daß es dir, o Gott, also gefallen hat, Rei- che und Arme neben einander zu stellen, und daß deine Einrichtung gewiß die weiseste und nützlichste ist. Dieß leuchtet mir deutlich in die Augen, und ich kann mir in dem gegenwärtigen Leben keine andere Ein- richtung als möglich vorstellen. So wie es Gelehrte und Ungelehrte, Hohe und Niedrige, Starke und Schwache unter den Menschen geben muß, so müs- sen auch Reiche und Arme neben einander, ja so muß die Zahl der letzten größer als die Zahl der ersten seyn, wenn die menschliche Gesellschaft fortdauern und das allgemeine Beste befördert und erhalten werden soll. Reiche und Armen müssen einander unterstützen und die Hand bieten, für einander sorgen und arbeiten und durch wechselseitige Dienstleistungen, durch gegenseitiges Geben und Empfangen ihre gemeinschaftlichen Bedürf- nisse befriedigen. Kann und darf ich diese Ordnung tadeln? Kann und darf ich mich darüber beschweren, daß ich zur Klasse der Armen und nicht der Reichen gehöre? Kann und darf ich daran zweifeln, daß du, mein Schöpfer und Vater, der Allweise und Unfehl- bare bist und dich in der Erreichung deiner Absichten nie irren kannst?
Und
Die arme Hausfrau.
und ſchadlos zu halten ſuchte. Aber dann würde mich nicht meine Armuth, dann würde mich der Mis- brauch derſelben und mein boshaftes Herz entehren und ſchänden.
Um dieſe Laſter, um jede Veranlaſſung zu demſelben zu vermeiden, will ich oft bedenken, daß es dir, o Gott, alſo gefallen hat, Rei- che und Arme neben einander zu ſtellen, und daß deine Einrichtung gewiß die weiſeſte und nützlichſte iſt. Dieß leuchtet mir deutlich in die Augen, und ich kann mir in dem gegenwärtigen Leben keine andere Ein- richtung als möglich vorſtellen. So wie es Gelehrte und Ungelehrte, Hohe und Niedrige, Starke und Schwache unter den Menſchen geben muß, ſo müſ- ſen auch Reiche und Arme neben einander, ja ſo muß die Zahl der letzten größer als die Zahl der erſten ſeyn, wenn die menſchliche Geſellſchaft fortdauern und das allgemeine Beſte befördert und erhalten werden ſoll. Reiche und Armen müſſen einander unterſtützen und die Hand bieten, für einander ſorgen und arbeiten und durch wechſelſeitige Dienſtleiſtungen, durch gegenſeitiges Geben und Empfangen ihre gemeinſchaftlichen Bedürf- niſſe befriedigen. Kann und darf ich dieſe Ordnung tadeln? Kann und darf ich mich darüber beſchweren, daß ich zur Klaſſe der Armen und nicht der Reichen gehöre? Kann und darf ich daran zweifeln, daß du, mein Schöpfer und Vater, der Allweiſe und Unfehl- bare biſt und dich in der Erreichung deiner Abſichten nie irren kannſt?
Und
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Die arme Hausfrau.
und ſchadlos zu halten ſuchte. Aber dann würde mich
nicht meine Armuth, dann würde mich der Mis-
brauch derſelben und mein boshaftes Herz entehren
und ſchänden.
Um dieſe Laſter, um jede Veranlaſſung zu
demſelben zu vermeiden, will ich oft bedenken,
daß es dir, o Gott, alſo gefallen hat, Rei-
che und Arme neben einander zu ſtellen, und daß
deine Einrichtung gewiß die weiſeſte und nützlichſte iſt.
Dieß leuchtet mir deutlich in die Augen, und ich kann
mir in dem gegenwärtigen Leben keine andere Ein-
richtung als möglich vorſtellen. So wie es Gelehrte
und Ungelehrte, Hohe und Niedrige, Starke und
Schwache unter den Menſchen geben muß, ſo müſ-
ſen auch Reiche und Arme neben einander, ja ſo muß
die Zahl der letzten größer als die Zahl der erſten
ſeyn, wenn die menſchliche Geſellſchaft fortdauern und
das allgemeine Beſte befördert und erhalten werden ſoll.
Reiche und Armen müſſen einander unterſtützen und die
Hand bieten, für einander ſorgen und arbeiten und
durch wechſelſeitige Dienſtleiſtungen, durch gegenſeitiges
Geben und Empfangen ihre gemeinſchaftlichen Bedürf-
niſſe befriedigen. Kann und darf ich dieſe Ordnung
tadeln? Kann und darf ich mich darüber beſchweren,
daß ich zur Klaſſe der Armen und nicht der Reichen
gehöre? Kann und darf ich daran zweifeln, daß du,
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/216>, abgerufen am 16.02.2025.
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