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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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mittelmäßigen Glücksumständen befindet.
gnügt bey dem Besitze dessen, was ich habe, seyn!
wie ungestört meine weiblichen und häuslichen Pflich-
ten erfüllen! wie viel leichter das thun und leisten,
was ich für mich und andere thun und leisten soll!

Es ist ein Vorzug meiner mittelmäßigen Vermö-
gensumstände, daß ich ganz für meine Familie leben
und dieselbe recht genießen kann. Wenn Armuth und
Mangel jedes Auge trüben und jedes Herz der Freude
verschließen; wenn da ein jedes blos mit sich selbst be-
schäfftiget und nur auf den Erwerb des Nothwendigen
bedacht ist; wenn da die Mittel zur Freude und zum
srohen Muthe fehlen und alles eine traurige und ängst-
liche Gestalt annimmt; wenn bey großem Reichthume
und Ueberflusse die Schmeichler zudringen und zur Last
fallen; wenn da die Familie sehr oft nur für fremde
Personen leben und sich mit diesen unterhalten muß;
wenn da ein beständiges Gewirre von Geschäfften und
Veranstaltungen, von Gehenden und Kommenden in
einem solchen Hause anzutreffen ist: so erlauben mir mei-
ne mittelmäßigen Umstände den völligsten und ungestör-
testen Genuß aller häuslichen Freuden. Da mischt
sich kein betäubender Schwätzer, kein kriechender
Schmeichler in unsre freundschaftliche und vertrauliche
Unterhaltung. Da drängt sich uns kein Schwarm von
Lobrednern und Müssiggängern auf, weil wir nicht
im Stande sind, ihre Wünsche zu befriedigen. Da
kann ich die Gesellschaft meines Gatten, meiner Kin-
der, meiner wenigen und ausgesuchten Freunde genies-
sen, mich ihrer herzlich freuen und in ihrem Umgan-
ge das edelste Vergnügen finden. Da sind unsre Ge-

spräche
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mittelmäßigen Glücksumſtänden befindet.
gnügt bey dem Beſitze deſſen, was ich habe, ſeyn!
wie ungeſtört meine weiblichen und häuslichen Pflich-
ten erfüllen! wie viel leichter das thun und leiſten,
was ich für mich und andere thun und leiſten ſoll!

Es iſt ein Vorzug meiner mittelmäßigen Vermö-
gensumſtände, daß ich ganz für meine Familie leben
und dieſelbe recht genießen kann. Wenn Armuth und
Mangel jedes Auge trüben und jedes Herz der Freude
verſchließen; wenn da ein jedes blos mit ſich ſelbſt be-
ſchäfftiget und nur auf den Erwerb des Nothwendigen
bedacht iſt; wenn da die Mittel zur Freude und zum
ſrohen Muthe fehlen und alles eine traurige und ängſt-
liche Geſtalt annimmt; wenn bey großem Reichthume
und Ueberfluſſe die Schmeichler zudringen und zur Laſt
fallen; wenn da die Familie ſehr oft nur für fremde
Perſonen leben und ſich mit dieſen unterhalten muß;
wenn da ein beſtändiges Gewirre von Geſchäfften und
Veranſtaltungen, von Gehenden und Kommenden in
einem ſolchen Hauſe anzutreffen iſt: ſo erlauben mir mei-
ne mittelmäßigen Umſtände den völligſten und ungeſtör-
teſten Genuß aller häuslichen Freuden. Da miſcht
ſich kein betäubender Schwätzer, kein kriechender
Schmeichler in unſre freundſchaftliche und vertrauliche
Unterhaltung. Da drängt ſich uns kein Schwarm von
Lobrednern und Müſſiggängern auf, weil wir nicht
im Stande ſind, ihre Wünſche zu befriedigen. Da
kann ich die Geſellſchaft meines Gatten, meiner Kin-
der, meiner wenigen und ausgeſuchten Freunde genieſ-
ſen, mich ihrer herzlich freuen und in ihrem Umgan-
ge das edelſte Vergnügen finden. Da ſind unſre Ge-

ſpräche
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[197/0209] mittelmäßigen Glücksumſtänden befindet. gnügt bey dem Beſitze deſſen, was ich habe, ſeyn! wie ungeſtört meine weiblichen und häuslichen Pflich- ten erfüllen! wie viel leichter das thun und leiſten, was ich für mich und andere thun und leiſten ſoll! Es iſt ein Vorzug meiner mittelmäßigen Vermö- gensumſtände, daß ich ganz für meine Familie leben und dieſelbe recht genießen kann. Wenn Armuth und Mangel jedes Auge trüben und jedes Herz der Freude verſchließen; wenn da ein jedes blos mit ſich ſelbſt be- ſchäfftiget und nur auf den Erwerb des Nothwendigen bedacht iſt; wenn da die Mittel zur Freude und zum ſrohen Muthe fehlen und alles eine traurige und ängſt- liche Geſtalt annimmt; wenn bey großem Reichthume und Ueberfluſſe die Schmeichler zudringen und zur Laſt fallen; wenn da die Familie ſehr oft nur für fremde Perſonen leben und ſich mit dieſen unterhalten muß; wenn da ein beſtändiges Gewirre von Geſchäfften und Veranſtaltungen, von Gehenden und Kommenden in einem ſolchen Hauſe anzutreffen iſt: ſo erlauben mir mei- ne mittelmäßigen Umſtände den völligſten und ungeſtör- teſten Genuß aller häuslichen Freuden. Da miſcht ſich kein betäubender Schwätzer, kein kriechender Schmeichler in unſre freundſchaftliche und vertrauliche Unterhaltung. Da drängt ſich uns kein Schwarm von Lobrednern und Müſſiggängern auf, weil wir nicht im Stande ſind, ihre Wünſche zu befriedigen. Da kann ich die Geſellſchaft meines Gatten, meiner Kin- der, meiner wenigen und ausgeſuchten Freunde genieſ- ſen, mich ihrer herzlich freuen und in ihrem Umgan- ge das edelſte Vergnügen finden. Da ſind unſre Ge- ſpräche N 3

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/209>, abgerufen am 23.06.2024.