Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Die reiche Hausfrau.
sche Güter und Vorzüge nicht Zweck, sondern nur
Mittel sind, daß sie nicht an und für sich selbst, son-
dern nur in Rücksicht auf den Gebrauch, welchen ich
davon mache, einen Werth bekommen. Alles muß
mich daran erinnern, daß der Reichthum nicht die Glück-
seligkeit ist und ausmachet, daß er höchstens nur ein
Beförderungsmittel derselben werden kann, wenn er
nach Grundsätzen und nach den Vorschriften der Ver-
nunft und der Religion gebraucht und angewandt wird.
Jch kann, ich darf mich also nicht deßwegen für glück-
lich halten, weil ich reich und wohlhabend bin. Wie
gefährlich würde mich dieser Jrrthum täuschen! Wie
sehr würde ich am Ende diese Täuschung bereuen müs-
sen! Nein, will ich mich meines Reichthums auf eine
vernünstige und christliche Weise freuen, so muß ich
mich darüber freuen, daß ich durch denselben so viel
Gutes zu thun und zu befördern und meine tugend-
haften, menschenfreundlichen Gesinnungen an den Tag
zu legen, Gelegenheit habe.

Und wie mannichfaltig sind nicht diese Gelegen-
heiten, Gutes zu thun, die der Reichthum jedem
Menschen anbietet! Und um wie viel mehr vervielfäl-
tigen sich diese Gelegenheiten in dem Wirkungskreise,
welchen ich als Hausfrau habe! Welche unzähliche
Veranlassungen finde ich da, meine Familie, meine
Freunde, meine Dienstboten zu beglücken und ihnen
ihr Leben angenehm zu machen! Welch ein weites
Feld der Menschenliebe und Wohlthätigkeit öffnet sich
mir nicht ausser meinem Hause! Ja, da ich in mei-
nem Stande die Erwerbungs- und Nahrungsmittel

am

Die reiche Hausfrau.
ſche Güter und Vorzüge nicht Zweck, ſondern nur
Mittel ſind, daß ſie nicht an und für ſich ſelbſt, ſon-
dern nur in Rückſicht auf den Gebrauch, welchen ich
davon mache, einen Werth bekommen. Alles muß
mich daran erinnern, daß der Reichthum nicht die Glück-
ſeligkeit iſt und ausmachet, daß er höchſtens nur ein
Beförderungsmittel derſelben werden kann, wenn er
nach Grundſätzen und nach den Vorſchriften der Ver-
nunft und der Religion gebraucht und angewandt wird.
Jch kann, ich darf mich alſo nicht deßwegen für glück-
lich halten, weil ich reich und wohlhabend bin. Wie
gefährlich würde mich dieſer Jrrthum täuſchen! Wie
ſehr würde ich am Ende dieſe Täuſchung bereuen müſ-
ſen! Nein, will ich mich meines Reichthums auf eine
vernünſtige und chriſtliche Weiſe freuen, ſo muß ich
mich darüber freuen, daß ich durch denſelben ſo viel
Gutes zu thun und zu befördern und meine tugend-
haften, menſchenfreundlichen Geſinnungen an den Tag
zu legen, Gelegenheit habe.

Und wie mannichfaltig ſind nicht dieſe Gelegen-
heiten, Gutes zu thun, die der Reichthum jedem
Menſchen anbietet! Und um wie viel mehr vervielfäl-
tigen ſich dieſe Gelegenheiten in dem Wirkungskreiſe,
welchen ich als Hausfrau habe! Welche unzähliche
Veranlaſſungen finde ich da, meine Familie, meine
Freunde, meine Dienſtboten zu beglücken und ihnen
ihr Leben angenehm zu machen! Welch ein weites
Feld der Menſchenliebe und Wohlthätigkeit öffnet ſich
mir nicht auſſer meinem Hauſe! Ja, da ich in mei-
nem Stande die Erwerbungs- und Nahrungsmittel

am
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0204" n="192"/><fw place="top" type="header">Die reiche Hausfrau.</fw><lb/>
&#x017F;che Güter und Vorzüge nicht Zweck, &#x017F;ondern nur<lb/>
Mittel &#x017F;ind, daß &#x017F;ie nicht an und für &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;on-<lb/>
dern nur in Rück&#x017F;icht auf den Gebrauch, welchen ich<lb/>
davon mache, einen Werth bekommen. Alles muß<lb/>
mich daran erinnern, daß der Reichthum nicht die Glück-<lb/>
&#x017F;eligkeit i&#x017F;t und ausmachet, daß er höch&#x017F;tens nur ein<lb/>
Beförderungsmittel der&#x017F;elben werden kann, wenn er<lb/>
nach Grund&#x017F;ätzen und nach den Vor&#x017F;chriften der Ver-<lb/>
nunft und der Religion gebraucht und angewandt wird.<lb/>
Jch kann, ich darf mich al&#x017F;o nicht deßwegen für glück-<lb/>
lich halten, weil ich reich und wohlhabend bin. Wie<lb/>
gefährlich würde mich die&#x017F;er Jrrthum täu&#x017F;chen! Wie<lb/>
&#x017F;ehr würde ich am Ende die&#x017F;e Täu&#x017F;chung bereuen mü&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en! Nein, will ich mich meines Reichthums auf eine<lb/>
vernün&#x017F;tige und chri&#x017F;tliche Wei&#x017F;e freuen, &#x017F;o muß ich<lb/>
mich darüber freuen, daß ich durch den&#x017F;elben &#x017F;o viel<lb/>
Gutes zu thun und zu befördern und meine tugend-<lb/>
haften, men&#x017F;chenfreundlichen Ge&#x017F;innungen an den Tag<lb/>
zu legen, Gelegenheit habe.</p><lb/>
          <p>Und wie mannichfaltig &#x017F;ind nicht die&#x017F;e Gelegen-<lb/>
heiten, Gutes zu thun, die der Reichthum jedem<lb/>
Men&#x017F;chen anbietet! Und um wie viel mehr vervielfäl-<lb/>
tigen &#x017F;ich die&#x017F;e Gelegenheiten in dem Wirkungskrei&#x017F;e,<lb/>
welchen ich als Hausfrau habe! Welche unzähliche<lb/>
Veranla&#x017F;&#x017F;ungen finde ich da, meine Familie, meine<lb/>
Freunde, meine Dien&#x017F;tboten zu beglücken und ihnen<lb/>
ihr Leben angenehm zu machen! Welch ein weites<lb/>
Feld der Men&#x017F;chenliebe und Wohlthätigkeit öffnet &#x017F;ich<lb/>
mir nicht au&#x017F;&#x017F;er meinem Hau&#x017F;e! Ja, da ich in mei-<lb/>
nem Stande die Erwerbungs- und Nahrungsmittel<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">am</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0204] Die reiche Hausfrau. ſche Güter und Vorzüge nicht Zweck, ſondern nur Mittel ſind, daß ſie nicht an und für ſich ſelbſt, ſon- dern nur in Rückſicht auf den Gebrauch, welchen ich davon mache, einen Werth bekommen. Alles muß mich daran erinnern, daß der Reichthum nicht die Glück- ſeligkeit iſt und ausmachet, daß er höchſtens nur ein Beförderungsmittel derſelben werden kann, wenn er nach Grundſätzen und nach den Vorſchriften der Ver- nunft und der Religion gebraucht und angewandt wird. Jch kann, ich darf mich alſo nicht deßwegen für glück- lich halten, weil ich reich und wohlhabend bin. Wie gefährlich würde mich dieſer Jrrthum täuſchen! Wie ſehr würde ich am Ende dieſe Täuſchung bereuen müſ- ſen! Nein, will ich mich meines Reichthums auf eine vernünſtige und chriſtliche Weiſe freuen, ſo muß ich mich darüber freuen, daß ich durch denſelben ſo viel Gutes zu thun und zu befördern und meine tugend- haften, menſchenfreundlichen Geſinnungen an den Tag zu legen, Gelegenheit habe. Und wie mannichfaltig ſind nicht dieſe Gelegen- heiten, Gutes zu thun, die der Reichthum jedem Menſchen anbietet! Und um wie viel mehr vervielfäl- tigen ſich dieſe Gelegenheiten in dem Wirkungskreiſe, welchen ich als Hausfrau habe! Welche unzähliche Veranlaſſungen finde ich da, meine Familie, meine Freunde, meine Dienſtboten zu beglücken und ihnen ihr Leben angenehm zu machen! Welch ein weites Feld der Menſchenliebe und Wohlthätigkeit öffnet ſich mir nicht auſſer meinem Hauſe! Ja, da ich in mei- nem Stande die Erwerbungs- und Nahrungsmittel am

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/204
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/204>, abgerufen am 23.06.2024.