Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Vorsicht bey der Wahl eines Gatten.
und das Glück meines Lebens dem Zufalle Preis ge-
ben würde. So gut es meine Freunde mit mir mei-
nen und so sehr sie auch für mein Bestes besorgt seyn
mögen, so gewiß ist es doch, daß sie eigentlich nicht
für mich wählen und entscheiden, daß sie nicht meine
Stelle vertreten, daß sie zwar mit mir, aber nicht
für mich überlegen können.

War es je nöthig für mich, über den Werth
der Dinge nachzudenken, irrdische Vorzüge richtig zu
schätzen und zu beurtheilen und äussere, zusällige Gü-
ter nach den Vorschriften der Vernunft und des Chri-
stenthums zu würdigen, so ist es itzt. War es je
gefährlich und nachtheilig, mich vom Scheine blenden
zu lassen und mehr der Einbildung als dem Verstan-
de zu folgen, so ist dieser Leichtsinn itzt mit desto grös-
serer Gefahr und mit desto vielfachern Nachtheilen
verbunden, je gewisser und unausbleiblicher in dem
gegenwärtigen Falle die bösen Folgen desselben sind.
O möchte ich doch den wahren, nur bedingten Werth
des Reichthums, der Ehre und des sinnlichen Vergnü-
gens kennen! Möchte ich Pracht und Ueberfluß nicht
für Kennzeichen der Zufriedenheit, und Glück nicht
für Glückseligkeit halten! Möchte ich mir doch die
Bedürfnisse meines Standes nicht so vervielfältigen und
erschweren, möchte ich mich nicht so sehr von der Mo-
de und der Eitelkeit fesseln lassen, daß ich, vermöge
dieser sinnlichen und verschwenderischen Denkungsart,
da nur nach Reichthum und Ueberfluß trachten muß,
wo ich auf Verstand und Tugend sehen soll!

Ja,
K

Die Vorſicht bey der Wahl eines Gatten.
und das Glück meines Lebens dem Zufalle Preis ge-
ben würde. So gut es meine Freunde mit mir mei-
nen und ſo ſehr ſie auch für mein Beſtes beſorgt ſeyn
mögen, ſo gewiß iſt es doch, daß ſie eigentlich nicht
für mich wählen und entſcheiden, daß ſie nicht meine
Stelle vertreten, daß ſie zwar mit mir, aber nicht
für mich überlegen können.

War es je nöthig für mich, über den Werth
der Dinge nachzudenken, irrdiſche Vorzüge richtig zu
ſchätzen und zu beurtheilen und äuſſere, zuſällige Gü-
ter nach den Vorſchriften der Vernunft und des Chri-
ſtenthums zu würdigen, ſo iſt es itzt. War es je
gefährlich und nachtheilig, mich vom Scheine blenden
zu laſſen und mehr der Einbildung als dem Verſtan-
de zu folgen, ſo iſt dieſer Leichtſinn itzt mit deſto gröſ-
ſerer Gefahr und mit deſto vielfachern Nachtheilen
verbunden, je gewiſſer und unausbleiblicher in dem
gegenwärtigen Falle die böſen Folgen deſſelben ſind.
O möchte ich doch den wahren, nur bedingten Werth
des Reichthums, der Ehre und des ſinnlichen Vergnü-
gens kennen! Möchte ich Pracht und Ueberfluß nicht
für Kennzeichen der Zufriedenheit, und Glück nicht
für Glückſeligkeit halten! Möchte ich mir doch die
Bedürfniſſe meines Standes nicht ſo vervielfältigen und
erſchweren, möchte ich mich nicht ſo ſehr von der Mo-
de und der Eitelkeit feſſeln laſſen, daß ich, vermöge
dieſer ſinnlichen und verſchwenderiſchen Denkungsart,
da nur nach Reichthum und Ueberfluß trachten muß,
wo ich auf Verſtand und Tugend ſehen ſoll!

Ja,
K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0157" n="145"/><fw place="top" type="header">Die Vor&#x017F;icht bey der Wahl eines Gatten.</fw><lb/>
und das Glück meines Lebens dem Zufalle Preis ge-<lb/>
ben würde. So gut es meine Freunde mit mir mei-<lb/>
nen und &#x017F;o &#x017F;ehr &#x017F;ie auch für mein Be&#x017F;tes be&#x017F;orgt &#x017F;eyn<lb/>
mögen, &#x017F;o gewiß i&#x017F;t es doch, daß &#x017F;ie eigentlich nicht<lb/>
für mich wählen und ent&#x017F;cheiden, daß &#x017F;ie nicht meine<lb/>
Stelle vertreten, daß &#x017F;ie zwar mit mir, aber nicht<lb/>
für mich überlegen können.</p><lb/>
          <p>War es je nöthig für mich, über den Werth<lb/>
der Dinge nachzudenken, irrdi&#x017F;che Vorzüge richtig zu<lb/>
&#x017F;chätzen und zu beurtheilen und äu&#x017F;&#x017F;ere, zu&#x017F;ällige Gü-<lb/>
ter nach den Vor&#x017F;chriften der Vernunft und des Chri-<lb/>
&#x017F;tenthums zu würdigen, &#x017F;o i&#x017F;t es itzt. War es je<lb/>
gefährlich und nachtheilig, mich vom Scheine blenden<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en und mehr der Einbildung als dem Ver&#x017F;tan-<lb/>
de zu folgen, &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;er Leicht&#x017F;inn itzt mit de&#x017F;to grö&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erer Gefahr und mit de&#x017F;to vielfachern Nachtheilen<lb/>
verbunden, je gewi&#x017F;&#x017F;er und unausbleiblicher in dem<lb/>
gegenwärtigen Falle die bö&#x017F;en Folgen de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;ind.<lb/>
O möchte ich doch den wahren, nur bedingten Werth<lb/>
des Reichthums, der Ehre und des &#x017F;innlichen Vergnü-<lb/>
gens kennen! Möchte ich Pracht und Ueberfluß nicht<lb/>
für Kennzeichen der Zufriedenheit, und Glück nicht<lb/>
für Glück&#x017F;eligkeit halten! Möchte ich mir doch die<lb/>
Bedürfni&#x017F;&#x017F;e meines Standes nicht &#x017F;o vervielfältigen und<lb/>
er&#x017F;chweren, möchte ich mich nicht &#x017F;o &#x017F;ehr von der Mo-<lb/>
de und der Eitelkeit fe&#x017F;&#x017F;eln la&#x017F;&#x017F;en, daß ich, vermöge<lb/>
die&#x017F;er &#x017F;innlichen und ver&#x017F;chwenderi&#x017F;chen Denkungsart,<lb/>
da nur nach Reichthum und Ueberfluß trachten muß,<lb/>
wo ich auf Ver&#x017F;tand und Tugend &#x017F;ehen &#x017F;oll!</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">K</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Ja,</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0157] Die Vorſicht bey der Wahl eines Gatten. und das Glück meines Lebens dem Zufalle Preis ge- ben würde. So gut es meine Freunde mit mir mei- nen und ſo ſehr ſie auch für mein Beſtes beſorgt ſeyn mögen, ſo gewiß iſt es doch, daß ſie eigentlich nicht für mich wählen und entſcheiden, daß ſie nicht meine Stelle vertreten, daß ſie zwar mit mir, aber nicht für mich überlegen können. War es je nöthig für mich, über den Werth der Dinge nachzudenken, irrdiſche Vorzüge richtig zu ſchätzen und zu beurtheilen und äuſſere, zuſällige Gü- ter nach den Vorſchriften der Vernunft und des Chri- ſtenthums zu würdigen, ſo iſt es itzt. War es je gefährlich und nachtheilig, mich vom Scheine blenden zu laſſen und mehr der Einbildung als dem Verſtan- de zu folgen, ſo iſt dieſer Leichtſinn itzt mit deſto gröſ- ſerer Gefahr und mit deſto vielfachern Nachtheilen verbunden, je gewiſſer und unausbleiblicher in dem gegenwärtigen Falle die böſen Folgen deſſelben ſind. O möchte ich doch den wahren, nur bedingten Werth des Reichthums, der Ehre und des ſinnlichen Vergnü- gens kennen! Möchte ich Pracht und Ueberfluß nicht für Kennzeichen der Zufriedenheit, und Glück nicht für Glückſeligkeit halten! Möchte ich mir doch die Bedürfniſſe meines Standes nicht ſo vervielfältigen und erſchweren, möchte ich mich nicht ſo ſehr von der Mo- de und der Eitelkeit feſſeln laſſen, daß ich, vermöge dieſer ſinnlichen und verſchwenderiſchen Denkungsart, da nur nach Reichthum und Ueberfluß trachten muß, wo ich auf Verſtand und Tugend ſehen ſoll! Ja, K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/157
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/157>, abgerufen am 23.06.2024.