Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Entsagung des Leichtsinns.
lichen Begierden und Triebe; ich will auch für die
Befriedigung meines unsterblichen Geistes, meines
nach Erkenntnis dürstenden Verstandes, meines nach
Ruhe und Glückseligkeit schmachtenden Herzens sorgen.
Ich will der Mode keinen höhern Werth beylegen und
ihren Gesetzen und Vorschriften keine größere Ver-
bindlichkeit zuschreiben, als in so weit sie mit der Ver-
nunft, mit der Religion und Tugend und mit deinem
Willen bestehen können. Ich will mich weder die
falsche Schaam, noch die unzeitige Gefälligkeit gegen
andere, noch die strafbare Furcht vor schlechtdenkenden
Menschen, noch die Ruhmsucht und Eitelkeit zur
Verletzung meines Gewissens, zur Vernachläßigung
meiner weiblichen Pflichten und zur Verabsäumung
meines häuslichen Berufs bewegen lassen.

Ja, ferne sey es von mir, daß ich mir aus
Leichtsinn einbilden sollte, als ob ich mir in meinem
itzigen Stande und in meinen gegenwärtigen Verhält-
nissen wohl etwas erlauben könnte, was sich andere
Menschen in andern Ständen und Verhältnissen nicht
erlauben dürfen. Ferne sey es von mir, das aufzu-
schieben, was ich sobald als möglich seyn und thun
soll, und nie zu frühzeitig seyn und thun kann. Je
weniger ich in meinen gegenwärtigen Jahren bin und
leiste, desto weniger vermag ich künftig in jeder an-
dern Lage zu seyn und zu leisten. Wie ich itzt über
Wahrheit und Tugend denke, so werde ich wahrschein-
lich noch lange denken. Wenn ich die Pflichten einer
Tochter geringschätze und vernachläßige, so werde ich
auch die Pflichten der Gattin, der Mutter, der

Haus-

Entſagung des Leichtſinns.
lichen Begierden und Triebe; ich will auch für die
Befriedigung meines unſterblichen Geiſtes, meines
nach Erkenntnis dürſtenden Verſtandes, meines nach
Ruhe und Glückſeligkeit ſchmachtenden Herzens ſorgen.
Ich will der Mode keinen höhern Werth beylegen und
ihren Geſetzen und Vorſchriften keine größere Ver-
bindlichkeit zuſchreiben, als in ſo weit ſie mit der Ver-
nunft, mit der Religion und Tugend und mit deinem
Willen beſtehen können. Ich will mich weder die
falſche Schaam, noch die unzeitige Gefälligkeit gegen
andere, noch die ſtrafbare Furcht vor ſchlechtdenkenden
Menſchen, noch die Ruhmſucht und Eitelkeit zur
Verletzung meines Gewiſſens, zur Vernachläßigung
meiner weiblichen Pflichten und zur Verabſäumung
meines häuslichen Berufs bewegen laſſen.

Ja, ferne ſey es von mir, daß ich mir aus
Leichtſinn einbilden ſollte, als ob ich mir in meinem
itzigen Stande und in meinen gegenwärtigen Verhält-
niſſen wohl etwas erlauben könnte, was ſich andere
Menſchen in andern Ständen und Verhältniſſen nicht
erlauben dürfen. Ferne ſey es von mir, das aufzu-
ſchieben, was ich ſobald als möglich ſeyn und thun
ſoll, und nie zu frühzeitig ſeyn und thun kann. Je
weniger ich in meinen gegenwärtigen Jahren bin und
leiſte, deſto weniger vermag ich künftig in jeder an-
dern Lage zu ſeyn und zu leiſten. Wie ich itzt über
Wahrheit und Tugend denke, ſo werde ich wahrſchein-
lich noch lange denken. Wenn ich die Pflichten einer
Tochter geringſchätze und vernachläßige, ſo werde ich
auch die Pflichten der Gattin, der Mutter, der

Haus-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0142" n="130"/><fw place="top" type="header">Ent&#x017F;agung des Leicht&#x017F;inns.</fw><lb/>
lichen Begierden und Triebe; ich will auch für die<lb/>
Befriedigung meines un&#x017F;terblichen Gei&#x017F;tes, meines<lb/>
nach Erkenntnis dür&#x017F;tenden Ver&#x017F;tandes, meines nach<lb/>
Ruhe und Glück&#x017F;eligkeit &#x017F;chmachtenden Herzens &#x017F;orgen.<lb/>
Ich will der Mode keinen höhern Werth beylegen und<lb/>
ihren Ge&#x017F;etzen und Vor&#x017F;chriften keine größere Ver-<lb/>
bindlichkeit zu&#x017F;chreiben, als in &#x017F;o weit &#x017F;ie mit der Ver-<lb/>
nunft, mit der Religion und Tugend und mit deinem<lb/>
Willen be&#x017F;tehen können. Ich will mich weder die<lb/>
fal&#x017F;che Schaam, noch die unzeitige Gefälligkeit gegen<lb/>
andere, noch die &#x017F;trafbare Furcht vor &#x017F;chlechtdenkenden<lb/>
Men&#x017F;chen, noch die Ruhm&#x017F;ucht und Eitelkeit zur<lb/>
Verletzung meines Gewi&#x017F;&#x017F;ens, zur Vernachläßigung<lb/>
meiner weiblichen Pflichten und zur Verab&#x017F;äumung<lb/>
meines häuslichen Berufs bewegen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Ja, ferne &#x017F;ey es von mir, daß ich mir aus<lb/>
Leicht&#x017F;inn einbilden &#x017F;ollte, als ob ich mir in meinem<lb/>
itzigen Stande und in meinen gegenwärtigen Verhält-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en wohl etwas erlauben könnte, was &#x017F;ich andere<lb/>
Men&#x017F;chen in andern Ständen und Verhältni&#x017F;&#x017F;en nicht<lb/>
erlauben dürfen. Ferne &#x017F;ey es von mir, das aufzu-<lb/>
&#x017F;chieben, was ich &#x017F;obald als möglich &#x017F;eyn und thun<lb/>
&#x017F;oll, und nie zu frühzeitig &#x017F;eyn und thun kann. Je<lb/>
weniger ich in meinen gegenwärtigen Jahren bin und<lb/>
lei&#x017F;te, de&#x017F;to weniger vermag ich künftig in jeder an-<lb/>
dern Lage zu &#x017F;eyn und zu lei&#x017F;ten. Wie ich itzt über<lb/>
Wahrheit und Tugend denke, &#x017F;o werde ich wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich noch lange denken. Wenn ich die Pflichten einer<lb/>
Tochter gering&#x017F;chätze und vernachläßige, &#x017F;o werde ich<lb/>
auch die Pflichten der Gattin, der Mutter, der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Haus-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0142] Entſagung des Leichtſinns. lichen Begierden und Triebe; ich will auch für die Befriedigung meines unſterblichen Geiſtes, meines nach Erkenntnis dürſtenden Verſtandes, meines nach Ruhe und Glückſeligkeit ſchmachtenden Herzens ſorgen. Ich will der Mode keinen höhern Werth beylegen und ihren Geſetzen und Vorſchriften keine größere Ver- bindlichkeit zuſchreiben, als in ſo weit ſie mit der Ver- nunft, mit der Religion und Tugend und mit deinem Willen beſtehen können. Ich will mich weder die falſche Schaam, noch die unzeitige Gefälligkeit gegen andere, noch die ſtrafbare Furcht vor ſchlechtdenkenden Menſchen, noch die Ruhmſucht und Eitelkeit zur Verletzung meines Gewiſſens, zur Vernachläßigung meiner weiblichen Pflichten und zur Verabſäumung meines häuslichen Berufs bewegen laſſen. Ja, ferne ſey es von mir, daß ich mir aus Leichtſinn einbilden ſollte, als ob ich mir in meinem itzigen Stande und in meinen gegenwärtigen Verhält- niſſen wohl etwas erlauben könnte, was ſich andere Menſchen in andern Ständen und Verhältniſſen nicht erlauben dürfen. Ferne ſey es von mir, das aufzu- ſchieben, was ich ſobald als möglich ſeyn und thun ſoll, und nie zu frühzeitig ſeyn und thun kann. Je weniger ich in meinen gegenwärtigen Jahren bin und leiſte, deſto weniger vermag ich künftig in jeder an- dern Lage zu ſeyn und zu leiſten. Wie ich itzt über Wahrheit und Tugend denke, ſo werde ich wahrſchein- lich noch lange denken. Wenn ich die Pflichten einer Tochter geringſchätze und vernachläßige, ſo werde ich auch die Pflichten der Gattin, der Mutter, der Haus-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/142
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/142>, abgerufen am 24.11.2024.