Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Entsagung des Leichtsinns.
fenheit ersetzen wollte, oder wenn ich von deiner Güte
und Barmherzigkeit verlangte, daß sie mich künftig
auf einmal aus einem lasterhaften Menschen zu einen
tugendhaften umschaffen und das Andenken an mein
auf der Erde geführtes Leben durch ein Wunder ver-
tilgen sollte. Wie träge und verdrossen im Guten
würden mich dieser Leichtsinn und diese von ihm be-
günstigten Irrthümer machen! Wie viel würde ich da
thun und unterlassen, dessen Folgen meine zukünftige
Vervollkommnung und Glückseligkeit stören müßten!

Ferne sey es von mir, o Gott, die Geschenke
deiner Hand leichtsinnig zu misbrauchen und die
Freuden, welche du mir täglich anbietest, auf eine
andere Art und aus andern Absichten zu genießen,
als ich dieselben genießen soll. Welche Nachtheile
würde ich mir dadurch zuziehen! Wie sehr würde ich
mir meine Vergnügungen verkürzen und verbittern!
Welchen Schmerz und welche unangenehme Nach-
empfindungen würde ich mir dadurch bereiten! Nein,
der Genuß des Vergnügens soll mich nie zur Zer-
streuungssucht, zur Eitelkeit, zum Neide oder zur
Verschwendung verleiten. Nie will ich die Zeit
durch Lustbarkeiten verlieren, die ich der Tugend, mei-
nen Pflichten, meinen Geschäfften widmen soll. Nie
will ich mich so sehr an irgend eine Art von Vergnü-
gen gewöhnen, daß ich meine Freyheit und den Ge-
schmack an andern Freuden darüber verliere. Ich
will nie blos niedriges und sinnliches Vergnügen; ich
will auch höheres und geistiges suchen. Ich will nicht
blos für die augenblickliche Befriedigung meiner sinn-

lichen
I

Entſagung des Leichtſinns.
fenheit erſetzen wollte, oder wenn ich von deiner Güte
und Barmherzigkeit verlangte, daß ſie mich künftig
auf einmal aus einem laſterhaften Menſchen zu einen
tugendhaften umſchaffen und das Andenken an mein
auf der Erde geführtes Leben durch ein Wunder ver-
tilgen ſollte. Wie träge und verdroſſen im Guten
würden mich dieſer Leichtſinn und dieſe von ihm be-
günſtigten Irrthümer machen! Wie viel würde ich da
thun und unterlaſſen, deſſen Folgen meine zukünftige
Vervollkommnung und Glückſeligkeit ſtören müßten!

Ferne ſey es von mir, o Gott, die Geſchenke
deiner Hand leichtſinnig zu misbrauchen und die
Freuden, welche du mir täglich anbieteſt, auf eine
andere Art und aus andern Abſichten zu genießen,
als ich dieſelben genießen ſoll. Welche Nachtheile
würde ich mir dadurch zuziehen! Wie ſehr würde ich
mir meine Vergnügungen verkürzen und verbittern!
Welchen Schmerz und welche unangenehme Nach-
empfindungen würde ich mir dadurch bereiten! Nein,
der Genuß des Vergnügens ſoll mich nie zur Zer-
ſtreuungsſucht, zur Eitelkeit, zum Neide oder zur
Verſchwendung verleiten. Nie will ich die Zeit
durch Luſtbarkeiten verlieren, die ich der Tugend, mei-
nen Pflichten, meinen Geſchäfften widmen ſoll. Nie
will ich mich ſo ſehr an irgend eine Art von Vergnü-
gen gewöhnen, daß ich meine Freyheit und den Ge-
ſchmack an andern Freuden darüber verliere. Ich
will nie blos niedriges und ſinnliches Vergnügen; ich
will auch höheres und geiſtiges ſuchen. Ich will nicht
blos für die augenblickliche Befriedigung meiner ſinn-

lichen
I
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="129"/><fw place="top" type="header">Ent&#x017F;agung des Leicht&#x017F;inns.</fw><lb/>
fenheit er&#x017F;etzen wollte, oder wenn ich von deiner Güte<lb/>
und Barmherzigkeit verlangte, daß &#x017F;ie mich künftig<lb/>
auf einmal aus einem la&#x017F;terhaften Men&#x017F;chen zu einen<lb/>
tugendhaften um&#x017F;chaffen und das Andenken an mein<lb/>
auf der Erde geführtes Leben durch ein Wunder ver-<lb/>
tilgen &#x017F;ollte. Wie träge und verdro&#x017F;&#x017F;en im Guten<lb/>
würden mich die&#x017F;er Leicht&#x017F;inn und die&#x017F;e von ihm be-<lb/>
gün&#x017F;tigten Irrthümer machen! Wie viel würde ich da<lb/>
thun und unterla&#x017F;&#x017F;en, de&#x017F;&#x017F;en Folgen meine zukünftige<lb/>
Vervollkommnung und Glück&#x017F;eligkeit &#x017F;tören müßten!</p><lb/>
          <p>Ferne &#x017F;ey es von mir, o Gott, die Ge&#x017F;chenke<lb/>
deiner Hand leicht&#x017F;innig zu misbrauchen und die<lb/>
Freuden, welche du mir täglich anbiete&#x017F;t, auf eine<lb/>
andere Art und aus andern Ab&#x017F;ichten zu genießen,<lb/>
als ich die&#x017F;elben genießen &#x017F;oll. Welche Nachtheile<lb/>
würde ich mir dadurch zuziehen! Wie &#x017F;ehr würde ich<lb/>
mir meine Vergnügungen verkürzen und verbittern!<lb/>
Welchen Schmerz und welche unangenehme Nach-<lb/>
empfindungen würde ich mir dadurch bereiten! Nein,<lb/>
der Genuß des Vergnügens &#x017F;oll mich nie zur Zer-<lb/>
&#x017F;treuungs&#x017F;ucht, zur Eitelkeit, zum Neide oder zur<lb/>
Ver&#x017F;chwendung verleiten. Nie will ich <hi rendition="#g">die</hi> Zeit<lb/>
durch Lu&#x017F;tbarkeiten verlieren, die ich der Tugend, mei-<lb/>
nen Pflichten, meinen Ge&#x017F;chäfften widmen &#x017F;oll. Nie<lb/>
will ich mich &#x017F;o &#x017F;ehr an irgend eine Art von Vergnü-<lb/>
gen gewöhnen, daß ich meine Freyheit und den Ge-<lb/>
&#x017F;chmack an andern Freuden darüber verliere. Ich<lb/>
will nie blos niedriges und &#x017F;innliches Vergnügen; ich<lb/>
will auch höheres und gei&#x017F;tiges &#x017F;uchen. Ich will nicht<lb/>
blos für die augenblickliche Befriedigung meiner &#x017F;inn-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">I</fw><fw place="bottom" type="catch">lichen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0141] Entſagung des Leichtſinns. fenheit erſetzen wollte, oder wenn ich von deiner Güte und Barmherzigkeit verlangte, daß ſie mich künftig auf einmal aus einem laſterhaften Menſchen zu einen tugendhaften umſchaffen und das Andenken an mein auf der Erde geführtes Leben durch ein Wunder ver- tilgen ſollte. Wie träge und verdroſſen im Guten würden mich dieſer Leichtſinn und dieſe von ihm be- günſtigten Irrthümer machen! Wie viel würde ich da thun und unterlaſſen, deſſen Folgen meine zukünftige Vervollkommnung und Glückſeligkeit ſtören müßten! Ferne ſey es von mir, o Gott, die Geſchenke deiner Hand leichtſinnig zu misbrauchen und die Freuden, welche du mir täglich anbieteſt, auf eine andere Art und aus andern Abſichten zu genießen, als ich dieſelben genießen ſoll. Welche Nachtheile würde ich mir dadurch zuziehen! Wie ſehr würde ich mir meine Vergnügungen verkürzen und verbittern! Welchen Schmerz und welche unangenehme Nach- empfindungen würde ich mir dadurch bereiten! Nein, der Genuß des Vergnügens ſoll mich nie zur Zer- ſtreuungsſucht, zur Eitelkeit, zum Neide oder zur Verſchwendung verleiten. Nie will ich die Zeit durch Luſtbarkeiten verlieren, die ich der Tugend, mei- nen Pflichten, meinen Geſchäfften widmen ſoll. Nie will ich mich ſo ſehr an irgend eine Art von Vergnü- gen gewöhnen, daß ich meine Freyheit und den Ge- ſchmack an andern Freuden darüber verliere. Ich will nie blos niedriges und ſinnliches Vergnügen; ich will auch höheres und geiſtiges ſuchen. Ich will nicht blos für die augenblickliche Befriedigung meiner ſinn- lichen I

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/141
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/141>, abgerufen am 23.06.2024.