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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Die Bescheidenheit bey den Ansprüchen
Anbauung und Ausbildung meines Verstandes be-
stimmt. Ich kann und soll mir einen Schatz von
nützlichen Kenntnissen erwerben, die zur Führung
meines Berufs und zur Zufriedenheit mit meinem
Zustande unentbehrlich sind. Ich soll zwar nicht ge-
lehrt werden, aber auch eben so wenig unwissend blei-
ben. Wenn andere neue Wahrheiten erfinden oder
die schon erfundenen in ein helleres Licht setzen, so
kömmt es mir zu, von diesen Wahrheiten Gebrauch
zu machen, so bald es solche sind, die den Menschen
als Menschen, den Christen als Christen betreffen.
Wenn andere die Pflicht auf sich haben, das Gebiet
der Wissenschaften, wenigstens einen großen Theil
desselben mit ihrem Scharfsinne zu durchlaufen, so
bin ich verbunden, mir alle die Einsichten zu erwer-
ben, die mich zu einer verständigen Mutter, zu einer
sorgfältigen Hausfrau, zu einer liebenswürdigen Gat-
tin, zu einer aufgeklärten und gutdenkenden Christin
machen können. Wenn andere dazu ausersehen sind,
die Denkungsart ihrer Zeitgenossen umzubilden und
sich des Verstandes und Herzens von tausenden zu be-
mächtigen, so soll und kann ich mein Licht in dem klei-
nern Kreise meiner Wirksamkeit leuchten lassen und
zum Verständigwerden derer, die meiner Aufsicht an-
vertraut oder sonst mit mir verbunden sind, sehr viel
beytragen. So gewiß es mir nicht an wahrer Ehre,
nicht an Glück und Freude fehlen kann, wenn ich
meiner Bestimmung treu bleibe; so unleugbar werde
ich mich jener berauben, wenn ich diese aus den Au-
gen verliere oder aus Ehrgeitz zu erweitern suche.

Du

Die Beſcheidenheit bey den Anſprüchen
Anbauung und Ausbildung meines Verſtandes be-
ſtimmt. Ich kann und ſoll mir einen Schatz von
nützlichen Kenntniſſen erwerben, die zur Führung
meines Berufs und zur Zufriedenheit mit meinem
Zuſtande unentbehrlich ſind. Ich ſoll zwar nicht ge-
lehrt werden, aber auch eben ſo wenig unwiſſend blei-
ben. Wenn andere neue Wahrheiten erfinden oder
die ſchon erfundenen in ein helleres Licht ſetzen, ſo
kömmt es mir zu, von dieſen Wahrheiten Gebrauch
zu machen, ſo bald es ſolche ſind, die den Menſchen
als Menſchen, den Chriſten als Chriſten betreffen.
Wenn andere die Pflicht auf ſich haben, das Gebiet
der Wiſſenſchaften, wenigſtens einen großen Theil
deſſelben mit ihrem Scharfſinne zu durchlaufen, ſo
bin ich verbunden, mir alle die Einſichten zu erwer-
ben, die mich zu einer verſtändigen Mutter, zu einer
ſorgfältigen Hausfrau, zu einer liebenswürdigen Gat-
tin, zu einer aufgeklärten und gutdenkenden Chriſtin
machen können. Wenn andere dazu auserſehen ſind,
die Denkungsart ihrer Zeitgenoſſen umzubilden und
ſich des Verſtandes und Herzens von tauſenden zu be-
mächtigen, ſo ſoll und kann ich mein Licht in dem klei-
nern Kreiſe meiner Wirkſamkeit leuchten laſſen und
zum Verſtändigwerden derer, die meiner Aufſicht an-
vertraut oder ſonſt mit mir verbunden ſind, ſehr viel
beytragen. So gewiß es mir nicht an wahrer Ehre,
nicht an Glück und Freude fehlen kann, wenn ich
meiner Beſtimmung treu bleibe; ſo unleugbar werde
ich mich jener berauben, wenn ich dieſe aus den Au-
gen verliere oder aus Ehrgeitz zu erweitern ſuche.

Du
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[118/0130] Die Beſcheidenheit bey den Anſprüchen Anbauung und Ausbildung meines Verſtandes be- ſtimmt. Ich kann und ſoll mir einen Schatz von nützlichen Kenntniſſen erwerben, die zur Führung meines Berufs und zur Zufriedenheit mit meinem Zuſtande unentbehrlich ſind. Ich ſoll zwar nicht ge- lehrt werden, aber auch eben ſo wenig unwiſſend blei- ben. Wenn andere neue Wahrheiten erfinden oder die ſchon erfundenen in ein helleres Licht ſetzen, ſo kömmt es mir zu, von dieſen Wahrheiten Gebrauch zu machen, ſo bald es ſolche ſind, die den Menſchen als Menſchen, den Chriſten als Chriſten betreffen. Wenn andere die Pflicht auf ſich haben, das Gebiet der Wiſſenſchaften, wenigſtens einen großen Theil deſſelben mit ihrem Scharfſinne zu durchlaufen, ſo bin ich verbunden, mir alle die Einſichten zu erwer- ben, die mich zu einer verſtändigen Mutter, zu einer ſorgfältigen Hausfrau, zu einer liebenswürdigen Gat- tin, zu einer aufgeklärten und gutdenkenden Chriſtin machen können. Wenn andere dazu auserſehen ſind, die Denkungsart ihrer Zeitgenoſſen umzubilden und ſich des Verſtandes und Herzens von tauſenden zu be- mächtigen, ſo ſoll und kann ich mein Licht in dem klei- nern Kreiſe meiner Wirkſamkeit leuchten laſſen und zum Verſtändigwerden derer, die meiner Aufſicht an- vertraut oder ſonſt mit mir verbunden ſind, ſehr viel beytragen. So gewiß es mir nicht an wahrer Ehre, nicht an Glück und Freude fehlen kann, wenn ich meiner Beſtimmung treu bleibe; ſo unleugbar werde ich mich jener berauben, wenn ich dieſe aus den Au- gen verliere oder aus Ehrgeitz zu erweitern ſuche. Du

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/130>, abgerufen am 24.11.2024.