tragenen Geschäffte treu und gewissenhaft verrichte und so viel Gutes thue, als sich mir Mittel und Gelegen- heit dazu anbieten. -- So lange ich dieses mit Ueberzeugung glaube, so lange bin ich ein nützliches Glied der Gesellschaft, so lange bin ich glücklich und zufrieden. Wenn ich dieses vergesse, wenn ich mich aus falschem Ehrgeitze auf irgend eine Art in fremde Angelegenheiten und Geschäffte mische, um Einfluß auf andere zu bekommen und mein Ansehen zu verstär- ken, so bin ich durch die Unbescheidenheit in mei- nen ungerechten Ansprüchen selbst Schuld, daß ich auch meine gegründeten Vorrechte verlieren muß.
Du hast mich nicht dazu bestimmt, o Gott, daß ich mich durch Gelehrsamkeit auszeichnen, daß ich das Reich der Wissenschaften umfassen und neue Entdeckungen in demselben machen soll. So ange- nehm auch diese Bestimmung seyn und so viel Vorzüg- liches sie haben mag, so ist es doch nicht meine Be- stimmung, ja es ist die Bestimmung der allerwenig- sten Menschen und nie meines Geschlechts. Du hast mir auch die Mittel dazu versagt, du hast die Aeusse- rung meiner Geisteskräfte in eben dieser Absicht ein- geschränkt, weil ich dadurch, wenn ich es vermöchte, die Ordnung der Dinge umkehren und ungleich mehr Schaden als Nutzen stiften würde. Mein Geschlecht, mein Stand, mein Beruf fordern mich zu einem thätigen und geschäfftigen, nicht aber zu einem be- schaulichen und der Erforschung verborgener Wahr- heiten gewidmeten Leben auf. Aber ich bin zur prak- tischen Weisheit, zur Weisheit des Lebens und zur
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des weiblichen Geſchlechts.
tragenen Geſchäffte treu und gewiſſenhaft verrichte und ſo viel Gutes thue, als ſich mir Mittel und Gelegen- heit dazu anbieten. — So lange ich dieſes mit Ueberzeugung glaube, ſo lange bin ich ein nützliches Glied der Geſellſchaft, ſo lange bin ich glücklich und zufrieden. Wenn ich dieſes vergeſſe, wenn ich mich aus falſchem Ehrgeitze auf irgend eine Art in fremde Angelegenheiten und Geſchäffte miſche, um Einfluß auf andere zu bekommen und mein Anſehen zu verſtär- ken, ſo bin ich durch die Unbeſcheidenheit in mei- nen ungerechten Anſprüchen ſelbſt Schuld, daß ich auch meine gegründeten Vorrechte verlieren muß.
Du haſt mich nicht dazu beſtimmt, o Gott, daß ich mich durch Gelehrſamkeit auszeichnen, daß ich das Reich der Wiſſenſchaften umfaſſen und neue Entdeckungen in demſelben machen ſoll. So ange- nehm auch dieſe Beſtimmung ſeyn und ſo viel Vorzüg- liches ſie haben mag, ſo iſt es doch nicht meine Be- ſtimmung, ja es iſt die Beſtimmung der allerwenig- ſten Menſchen und nie meines Geſchlechts. Du haſt mir auch die Mittel dazu verſagt, du haſt die Aeuſſe- rung meiner Geiſteskräfte in eben dieſer Abſicht ein- geſchränkt, weil ich dadurch, wenn ich es vermöchte, die Ordnung der Dinge umkehren und ungleich mehr Schaden als Nutzen ſtiften würde. Mein Geſchlecht, mein Stand, mein Beruf fordern mich zu einem thätigen und geſchäfftigen, nicht aber zu einem be- ſchaulichen und der Erforſchung verborgener Wahr- heiten gewidmeten Leben auf. Aber ich bin zur prak- tiſchen Weisheit, zur Weisheit des Lebens und zur
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des weiblichen Geſchlechts.
tragenen Geſchäffte treu und gewiſſenhaft verrichte und
ſo viel Gutes thue, als ſich mir Mittel und Gelegen-
heit dazu anbieten. — So lange ich dieſes mit
Ueberzeugung glaube, ſo lange bin ich ein nützliches
Glied der Geſellſchaft, ſo lange bin ich glücklich und
zufrieden. Wenn ich dieſes vergeſſe, wenn ich mich
aus falſchem Ehrgeitze auf irgend eine Art in fremde
Angelegenheiten und Geſchäffte miſche, um Einfluß
auf andere zu bekommen und mein Anſehen zu verſtär-
ken, ſo bin ich durch die Unbeſcheidenheit in mei-
nen ungerechten Anſprüchen ſelbſt Schuld, daß ich
auch meine gegründeten Vorrechte verlieren muß.
Du haſt mich nicht dazu beſtimmt, o Gott,
daß ich mich durch Gelehrſamkeit auszeichnen, daß
ich das Reich der Wiſſenſchaften umfaſſen und neue
Entdeckungen in demſelben machen ſoll. So ange-
nehm auch dieſe Beſtimmung ſeyn und ſo viel Vorzüg-
liches ſie haben mag, ſo iſt es doch nicht meine Be-
ſtimmung, ja es iſt die Beſtimmung der allerwenig-
ſten Menſchen und nie meines Geſchlechts. Du haſt
mir auch die Mittel dazu verſagt, du haſt die Aeuſſe-
rung meiner Geiſteskräfte in eben dieſer Abſicht ein-
geſchränkt, weil ich dadurch, wenn ich es vermöchte,
die Ordnung der Dinge umkehren und ungleich mehr
Schaden als Nutzen ſtiften würde. Mein Geſchlecht,
mein Stand, mein Beruf fordern mich zu einem
thätigen und geſchäfftigen, nicht aber zu einem be-
ſchaulichen und der Erforſchung verborgener Wahr-
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/129>, abgerufen am 23.06.2024.
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