eintreten, daß ich zwischen deinem Beyfalle und dem Beyfalle meiner Nebenmenschen wählen soll, weil beyde nicht immer zusammen bestehen können, so oft muß ich nach dem Ausspruche der Vernunft und des Gewissens allen Ruhm bey Menschen der Ehre deines Gehorsams aufopfern.
Aber auch nur in diesem einzigen Falle darf mir die gute oder schlechte Meinung, die andere von mir haben, gleichgültig seyn. Sonst ist es deinem Willen und deiner Einrichtung gemäs, daß ich, um meinen Brüdern und Schwestern zu gefallen, ihren Beyfall suchen und mich ihnen von der besten Seite zeigen soll. Du hast die Ehre zu einer Belohnung der Weisheit, der Tugend, der Gemeinnützigkeit be- stimmt, um die Menschen zur Thätigkeit und zur Anstrengung und Erhöhung aller ihrer Kräfte anzu- spornen, um der Liebe zum Guten auch einen äussern, sinnlichen Reiz zu geben und sie desto weniger ermüden zu lassen. Und wie viel ist nicht bey dem weiblichen Geschlechte an dem guten Rufe gelegen! Wie sehr erfordert es nicht insbesondere der jungfräuliche Stand, daß ich meine Ehre unverletzt erhalte und andern die Achtung gegen mich einflöße, ohne welche ich weder recht gemeinnützig noch recht glücklich seyn kann! Ja, dieß zu thun, fühle ich mich schon durch die Anlagen meiner Natur angetrieben; aber es auf die rechte Art und mit dem besten Erfolge für meine Vollkommen- heit zu thun, dieß ist eine Sache, worüber ich oft nachdenken, wobey ich Vernunft und Religion zu Ra- the ziehen muß.
Wenn
Die weibliche Ehre.
eintreten, daß ich zwiſchen deinem Beyfalle und dem Beyfalle meiner Nebenmenſchen wählen ſoll, weil beyde nicht immer zuſammen beſtehen können, ſo oft muß ich nach dem Ausſpruche der Vernunft und des Gewiſſens allen Ruhm bey Menſchen der Ehre deines Gehorſams aufopfern.
Aber auch nur in dieſem einzigen Falle darf mir die gute oder ſchlechte Meinung, die andere von mir haben, gleichgültig ſeyn. Sonſt iſt es deinem Willen und deiner Einrichtung gemäs, daß ich, um meinen Brüdern und Schweſtern zu gefallen, ihren Beyfall ſuchen und mich ihnen von der beſten Seite zeigen ſoll. Du haſt die Ehre zu einer Belohnung der Weisheit, der Tugend, der Gemeinnützigkeit be- ſtimmt, um die Menſchen zur Thätigkeit und zur Anſtrengung und Erhöhung aller ihrer Kräfte anzu- ſpornen, um der Liebe zum Guten auch einen äuſſern, ſinnlichen Reiz zu geben und ſie deſto weniger ermüden zu laſſen. Und wie viel iſt nicht bey dem weiblichen Geſchlechte an dem guten Rufe gelegen! Wie ſehr erfordert es nicht insbeſondere der jungfräuliche Stand, daß ich meine Ehre unverletzt erhalte und andern die Achtung gegen mich einflöße, ohne welche ich weder recht gemeinnützig noch recht glücklich ſeyn kann! Ja, dieß zu thun, fühle ich mich ſchon durch die Anlagen meiner Natur angetrieben; aber es auf die rechte Art und mit dem beſten Erfolge für meine Vollkommen- heit zu thun, dieß iſt eine Sache, worüber ich oft nachdenken, wobey ich Vernunft und Religion zu Ra- the ziehen muß.
Wenn
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Die weibliche Ehre.
eintreten, daß ich zwiſchen deinem Beyfalle und dem
Beyfalle meiner Nebenmenſchen wählen ſoll, weil
beyde nicht immer zuſammen beſtehen können, ſo oft
muß ich nach dem Ausſpruche der Vernunft und des
Gewiſſens allen Ruhm bey Menſchen der Ehre deines
Gehorſams aufopfern.
Aber auch nur in dieſem einzigen Falle darf
mir die gute oder ſchlechte Meinung, die andere von
mir haben, gleichgültig ſeyn. Sonſt iſt es deinem
Willen und deiner Einrichtung gemäs, daß ich, um
meinen Brüdern und Schweſtern zu gefallen, ihren
Beyfall ſuchen und mich ihnen von der beſten Seite
zeigen ſoll. Du haſt die Ehre zu einer Belohnung
der Weisheit, der Tugend, der Gemeinnützigkeit be-
ſtimmt, um die Menſchen zur Thätigkeit und zur
Anſtrengung und Erhöhung aller ihrer Kräfte anzu-
ſpornen, um der Liebe zum Guten auch einen äuſſern,
ſinnlichen Reiz zu geben und ſie deſto weniger ermüden
zu laſſen. Und wie viel iſt nicht bey dem weiblichen
Geſchlechte an dem guten Rufe gelegen! Wie ſehr
erfordert es nicht insbeſondere der jungfräuliche Stand,
daß ich meine Ehre unverletzt erhalte und andern die
Achtung gegen mich einflöße, ohne welche ich weder
recht gemeinnützig noch recht glücklich ſeyn kann! Ja,
dieß zu thun, fühle ich mich ſchon durch die Anlagen
meiner Natur angetrieben; aber es auf die rechte Art
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/112>, abgerufen am 23.06.2024.
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