Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Kapitel.
maassgebend. Es kann natürlich dem Forscher nicht
vorgeschrieben werden, auf welche Merkmale des
Gleichgewichts er zu achten hat, wenn mehrere zur
Auswahl vorliegen. Nur der Erfolg kann darüber ent-
scheiden, ob er die richtige Wahl getroffen hat. So
wenig man aber, wie wir gesehen haben, die Bedeutung
der statischen Momente als etwas unabhängig von der
Erfahrung Gegebenes, logisch Einleuchtendes darstellen
darf, ebenso wenig darf dies mit der Arbeit geschehen.
Pascal ist im Irrthum, und diesen Irrthum theilen
manche moderne Forscher, wenn er bei Anwendung
des Princips der virtuellen Verschiebungen auf die
Flüssigkeiten sagt: "etant clair, que c'est la meme chose
de faire faire un pouce de chemin a cent livres d'eau,
que de faire cent pouce de chemin a une livre d'eau" ...
Das ist nur dann richtig, wenn man schon die Arbeit
als maassgebend anerkennt, was nur die Erfahrung
lehren kann.

Wenn wir einen gleicharmigen, beiderseits gleich-
belasteten Hebel vor uns haben, so erkennen wir das
Gleichgewicht desselben als die einzige eindeutig be-
stimmte Wirkung, ob wir nun die Gewichte und die
Abstände, oder die Gewichte und die Falltiefen als
bewegungsbestimmend ansehen. Diese oder ähnliche
Erfahrungserkenntnisse müssen aber vorausgehen, wenn
wir überhaupt ein Urtheil über den Fall haben sollen.
Die Form der Abhängigkeit der Gleichgewichtsstörung
von den angeführten Umständen, also die Bedeutung
des statischen Momentes (PL) oder der Arbeit (Ph)
kann man noch weniger herausphilosophiren als die
Abhängigkeit überhaupt.

7. Wenn zwei gleiche Gewichte mit gleichen entgegen-
gesetzten Verschiebungsgrössen einander gegenüber-
stehen, so erkennen wir das Bestehen des Gleichge-
wichts. Wir könnten nun versucht sein, den allge-
meinern Fall der Gewichte P, P' mit den Verschiebungs-
grössen h, h', wobei Ph=P'h' ist, auf den einfachern
zurückzuführen. Wir hätten z. B. die Gewichte 3P

Erstes Kapitel.
maassgebend. Es kann natürlich dem Forscher nicht
vorgeschrieben werden, auf welche Merkmale des
Gleichgewichts er zu achten hat, wenn mehrere zur
Auswahl vorliegen. Nur der Erfolg kann darüber ent-
scheiden, ob er die richtige Wahl getroffen hat. So
wenig man aber, wie wir gesehen haben, die Bedeutung
der statischen Momente als etwas unabhängig von der
Erfahrung Gegebenes, logisch Einleuchtendes darstellen
darf, ebenso wenig darf dies mit der Arbeit geschehen.
Pascal ist im Irrthum, und diesen Irrthum theilen
manche moderne Forscher, wenn er bei Anwendung
des Princips der virtuellen Verschiebungen auf die
Flüssigkeiten sagt: „étant clair, que c’est la même chose
de faire faire un pouce de chemin à cent livres d’eau,
que de faire cent pouce de chemin a une livre d’eau‟ …
Das ist nur dann richtig, wenn man schon die Arbeit
als maassgebend anerkennt, was nur die Erfahrung
lehren kann.

Wenn wir einen gleicharmigen, beiderseits gleich-
belasteten Hebel vor uns haben, so erkennen wir das
Gleichgewicht desselben als die einzige eindeutig be-
stimmte Wirkung, ob wir nun die Gewichte und die
Abstände, oder die Gewichte und die Falltiefen als
bewegungsbestimmend ansehen. Diese oder ähnliche
Erfahrungserkenntnisse müssen aber vorausgehen, wenn
wir überhaupt ein Urtheil über den Fall haben sollen.
Die Form der Abhängigkeit der Gleichgewichtsstörung
von den angeführten Umständen, also die Bedeutung
des statischen Momentes (PL) oder der Arbeit (Ph)
kann man noch weniger herausphilosophiren als die
Abhängigkeit überhaupt.

7. Wenn zwei gleiche Gewichte mit gleichen entgegen-
gesetzten Verschiebungsgrössen einander gegenüber-
stehen, so erkennen wir das Bestehen des Gleichge-
wichts. Wir könnten nun versucht sein, den allge-
meinern Fall der Gewichte P, P′ mit den Verschiebungs-
grössen h, h′, wobei Ph=P′h′ ist, auf den einfachern
zurückzuführen. Wir hätten z. B. die Gewichte 3P

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="50"/><fw place="top" type="header">Erstes Kapitel.</fw><lb/>
maassgebend. Es kann natürlich dem Forscher nicht<lb/>
vorgeschrieben werden, auf <hi rendition="#g">welche</hi> Merkmale des<lb/>
Gleichgewichts er zu achten hat, wenn mehrere zur<lb/>
Auswahl vorliegen. Nur der Erfolg kann darüber ent-<lb/>
scheiden, ob er die richtige Wahl getroffen hat. So<lb/>
wenig man aber, wie wir gesehen haben, die Bedeutung<lb/>
der statischen Momente als etwas unabhängig von der<lb/>
Erfahrung Gegebenes, logisch Einleuchtendes darstellen<lb/>
darf, ebenso wenig darf dies mit der Arbeit geschehen.<lb/>
Pascal ist im Irrthum, und diesen Irrthum theilen<lb/>
manche moderne Forscher, wenn er bei Anwendung<lb/>
des Princips der virtuellen Verschiebungen auf die<lb/>
Flüssigkeiten sagt: &#x201E;étant clair, que c&#x2019;est la même chose<lb/>
de faire faire un pouce de chemin à cent livres d&#x2019;eau,<lb/>
que de faire cent pouce de chemin a une livre d&#x2019;eau&#x201F; &#x2026;<lb/>
Das ist nur dann richtig, wenn man schon die Arbeit<lb/>
als <hi rendition="#g">maassgebend</hi> anerkennt, was nur die Erfahrung<lb/>
lehren kann.</p><lb/>
          <p>Wenn wir einen gleicharmigen, beiderseits gleich-<lb/>
belasteten Hebel vor uns haben, so erkennen wir das<lb/>
Gleichgewicht desselben als die einzige eindeutig be-<lb/>
stimmte Wirkung, ob wir nun die Gewichte und die<lb/>
Abstände, oder die Gewichte und die Falltiefen als<lb/>
bewegungsbestimmend ansehen. Diese oder ähnliche<lb/>
Erfahrungserkenntnisse müssen aber vorausgehen, wenn<lb/>
wir überhaupt ein Urtheil über den Fall haben sollen.<lb/>
Die <hi rendition="#g">Form</hi> der Abhängigkeit der Gleichgewichtsstörung<lb/>
von den angeführten Umständen, also die Bedeutung<lb/>
des statischen Momentes <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">(PL)</hi></hi> oder der Arbeit <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">(Ph)</hi></hi><lb/>
kann man noch weniger herausphilosophiren als die<lb/>
Abhängigkeit überhaupt.</p><lb/>
          <p>7. Wenn zwei gleiche Gewichte mit gleichen entgegen-<lb/>
gesetzten Verschiebungsgrössen einander gegenüber-<lb/>
stehen, so erkennen wir das Bestehen des Gleichge-<lb/>
wichts. Wir könnten nun versucht sein, den allge-<lb/>
meinern Fall der Gewichte <hi rendition="#i">P, P&#x2032;</hi> mit den Verschiebungs-<lb/>
grössen <hi rendition="#i">h, h&#x2032;</hi>, wobei <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Ph=P&#x2032;h&#x2032;</hi></hi> ist, auf den einfachern<lb/>
zurückzuführen. Wir hätten z. B. die Gewichte <hi rendition="#g">3<hi rendition="#i">P</hi></hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0062] Erstes Kapitel. maassgebend. Es kann natürlich dem Forscher nicht vorgeschrieben werden, auf welche Merkmale des Gleichgewichts er zu achten hat, wenn mehrere zur Auswahl vorliegen. Nur der Erfolg kann darüber ent- scheiden, ob er die richtige Wahl getroffen hat. So wenig man aber, wie wir gesehen haben, die Bedeutung der statischen Momente als etwas unabhängig von der Erfahrung Gegebenes, logisch Einleuchtendes darstellen darf, ebenso wenig darf dies mit der Arbeit geschehen. Pascal ist im Irrthum, und diesen Irrthum theilen manche moderne Forscher, wenn er bei Anwendung des Princips der virtuellen Verschiebungen auf die Flüssigkeiten sagt: „étant clair, que c’est la même chose de faire faire un pouce de chemin à cent livres d’eau, que de faire cent pouce de chemin a une livre d’eau‟ … Das ist nur dann richtig, wenn man schon die Arbeit als maassgebend anerkennt, was nur die Erfahrung lehren kann. Wenn wir einen gleicharmigen, beiderseits gleich- belasteten Hebel vor uns haben, so erkennen wir das Gleichgewicht desselben als die einzige eindeutig be- stimmte Wirkung, ob wir nun die Gewichte und die Abstände, oder die Gewichte und die Falltiefen als bewegungsbestimmend ansehen. Diese oder ähnliche Erfahrungserkenntnisse müssen aber vorausgehen, wenn wir überhaupt ein Urtheil über den Fall haben sollen. Die Form der Abhängigkeit der Gleichgewichtsstörung von den angeführten Umständen, also die Bedeutung des statischen Momentes (PL) oder der Arbeit (Ph) kann man noch weniger herausphilosophiren als die Abhängigkeit überhaupt. 7. Wenn zwei gleiche Gewichte mit gleichen entgegen- gesetzten Verschiebungsgrössen einander gegenüber- stehen, so erkennen wir das Bestehen des Gleichge- wichts. Wir könnten nun versucht sein, den allge- meinern Fall der Gewichte P, P′ mit den Verschiebungs- grössen h, h′, wobei Ph=P′h′ ist, auf den einfachern zurückzuführen. Wir hätten z. B. die Gewichte 3P

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/62
Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/62>, abgerufen am 27.04.2024.