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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Erstes Kapitel.
Dingen, wie der Temperatur, der Potentialfunction,
können wir wol Grösse, aber keine Richtung zuschreiben.
Dass an einer einen Punkt ergreifenden Kraft Grösse
und Richtung maassgebend ist, ist schon eine wichtige,
wenn auch unscheinbare Erfahrung.

Wenn die Grösse und Richtung der einen Punkt
ergreifenden Kräfte allein maassgebend ist, so erkennt
man, dass zwei gleiche entgegengesetzte Kräfte im
Gleichgewicht sind, weil sie keine Bewegung eindeutig
bestimmen können. Auch senkrecht zu ihrer Richtung

[Abbildung] Fig. 36.
kann eine Kraft p eine Bewe-
gungswirkung nicht eindeutig
bestimmen. Ist aber eine Kraft p
schief gegen eine andere Richtung
ss' (Fig. 36), so kann sie nach der-
selben eine Bewegung bestimmen.
Allein nur die Erfahrung kann
lehren, dass die Bewegung nach
s's und nicht nach ss' bestimmt
ist, also nach der Seite des
spitzen Winkels oder nach der
Seite hin, nach welcher p auf s's eine Projection
ergibt.

Diese letztere Erfahrung wird nun gleich zu Anfang
von Bernoulli benutzt. Der Sinn der Resultirenden
zweier gleicher zueinander rechtwinkeliger Kräfte lässt
sich nämlich nur auf Grund dieser Erfahrung angeben.
Aus dem Symmetrieprincip folgt nämlich nur, dass die
Resultirende in die Ebene der Kräfte und in die
Halbirungslinie des Winkels, nicht aber dass sie in
den spitzen Winkel hineinfällt. Gibt man aber diese
Bestimmung auf, so ist die ganze Beweiserei schon vor
dem Beginn zu Ende.

10. Wenn wir uns überzeugt haben, dass wir den
Einfluss der Richtung einer Kraft überhaupt nur aus
der Erfahrung kennen, so werden wir noch weniger
glauben, dass wir die Art dieses Einflusses auf einem
andern Wege zu ermitteln vermögen. Dass eine Kraft

Erstes Kapitel.
Dingen, wie der Temperatur, der Potentialfunction,
können wir wol Grösse, aber keine Richtung zuschreiben.
Dass an einer einen Punkt ergreifenden Kraft Grösse
und Richtung maassgebend ist, ist schon eine wichtige,
wenn auch unscheinbare Erfahrung.

Wenn die Grösse und Richtung der einen Punkt
ergreifenden Kräfte allein maassgebend ist, so erkennt
man, dass zwei gleiche entgegengesetzte Kräfte im
Gleichgewicht sind, weil sie keine Bewegung eindeutig
bestimmen können. Auch senkrecht zu ihrer Richtung

[Abbildung] Fig. 36.
kann eine Kraft p eine Bewe-
gungswirkung nicht eindeutig
bestimmen. Ist aber eine Kraft p
schief gegen eine andere Richtung
ss′ (Fig. 36), so kann sie nach der-
selben eine Bewegung bestimmen.
Allein nur die Erfahrung kann
lehren, dass die Bewegung nach
s′s und nicht nach ss′ bestimmt
ist, also nach der Seite des
spitzen Winkels oder nach der
Seite hin, nach welcher p auf s′s eine Projection
ergibt.

Diese letztere Erfahrung wird nun gleich zu Anfang
von Bernoulli benutzt. Der Sinn der Resultirenden
zweier gleicher zueinander rechtwinkeliger Kräfte lässt
sich nämlich nur auf Grund dieser Erfahrung angeben.
Aus dem Symmetrieprincip folgt nämlich nur, dass die
Resultirende in die Ebene der Kräfte und in die
Halbirungslinie des Winkels, nicht aber dass sie in
den spitzen Winkel hineinfällt. Gibt man aber diese
Bestimmung auf, so ist die ganze Beweiserei schon vor
dem Beginn zu Ende.

10. Wenn wir uns überzeugt haben, dass wir den
Einfluss der Richtung einer Kraft überhaupt nur aus
der Erfahrung kennen, so werden wir noch weniger
glauben, dass wir die Art dieses Einflusses auf einem
andern Wege zu ermitteln vermögen. Dass eine Kraft

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[40/0052] Erstes Kapitel. Dingen, wie der Temperatur, der Potentialfunction, können wir wol Grösse, aber keine Richtung zuschreiben. Dass an einer einen Punkt ergreifenden Kraft Grösse und Richtung maassgebend ist, ist schon eine wichtige, wenn auch unscheinbare Erfahrung. Wenn die Grösse und Richtung der einen Punkt ergreifenden Kräfte allein maassgebend ist, so erkennt man, dass zwei gleiche entgegengesetzte Kräfte im Gleichgewicht sind, weil sie keine Bewegung eindeutig bestimmen können. Auch senkrecht zu ihrer Richtung [Abbildung Fig. 36.] kann eine Kraft p eine Bewe- gungswirkung nicht eindeutig bestimmen. Ist aber eine Kraft p schief gegen eine andere Richtung ss′ (Fig. 36), so kann sie nach der- selben eine Bewegung bestimmen. Allein nur die Erfahrung kann lehren, dass die Bewegung nach s′s und nicht nach ss′ bestimmt ist, also nach der Seite des spitzen Winkels oder nach der Seite hin, nach welcher p auf s′s eine Projection ergibt. Diese letztere Erfahrung wird nun gleich zu Anfang von Bernoulli benutzt. Der Sinn der Resultirenden zweier gleicher zueinander rechtwinkeliger Kräfte lässt sich nämlich nur auf Grund dieser Erfahrung angeben. Aus dem Symmetrieprincip folgt nämlich nur, dass die Resultirende in die Ebene der Kräfte und in die Halbirungslinie des Winkels, nicht aber dass sie in den spitzen Winkel hineinfällt. Gibt man aber diese Bestimmung auf, so ist die ganze Beweiserei schon vor dem Beginn zu Ende. 10. Wenn wir uns überzeugt haben, dass wir den Einfluss der Richtung einer Kraft überhaupt nur aus der Erfahrung kennen, so werden wir noch weniger glauben, dass wir die Art dieses Einflusses auf einem andern Wege zu ermitteln vermögen. Dass eine Kraft

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/52>, abgerufen am 27.11.2024.