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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Zweites Kapitel.
er in Gegenwirkung von A erhält. Das Massen-
verhältniss ist das negative umgekehrte Verhältniss der
Gegenbeschleunigungen. Dass diese Beschleunigungen
stets von entgegengesetztem Zeichen sind, dass es also
nach unserer Definition blos positive Massen gibt, lehrt
die Erfahrung und kann nur die Erfahrung lehren. In
unserm Massenbegriff liegt keine Theorie, die "Quantität
der Materie" ist in demselben durchaus unnöthig, er
enthält blos die scharfe Fixirung, Bezeichnung und
Benennung einer Thatsache.

4. Eine Schwierigkeit darf hierbei nicht unerwähnt
bleiben, deren Hebung zur Herstellung eines vollkommen
klaren Massenbegriffes durchaus nothwendig ist. Wir
betrachten eine Reihe von Körpern A, B, C, D ...
und vergleichen alle mit A als Einheit.

A, B, C, D, E, F
1, m, m', m", m''', m""

Hierbei finden wir beziehungsweise die Massenwerthe
1, m, m', m" .... u. s. w. Es entsteht nun die Frage:
Wenn wir B als Vergleichskörper (als Einheit) wählen,
werden wir für C den Massenwerth , für D den
Werth erhalten, oder werden sich etwa ganz andere
Werthe ergeben? In einfacherer Form lautet dieselbe
Frage: Werden zwei Körper B, C, welche sich in Gegen-
wirkung mit A als gleiche Massen verhalten haben,
auch untereinander als gleiche Massen verhalten? Es
besteht durchaus keine logische Nothwendigkeit, dass
zwei Massen, welche einer dritten gleich sind, auch
untereinander gleich seien. Denn es handelt sich hier um
keine mathematische, sondern um eine physikalische
Frage. Dies wird sehr klar, wenn wir ein analoges
Verhältniss zur Erläuterung herbeiziehen. Wir legen
die Körper A, B, C in solchen Gewichtsmengen a, b, c
nebeneinander, in welchen sie in die chemischen Ver-
bindungen AB und AC eingehen. Es besteht nun gar

Zweites Kapitel.
er in Gegenwirkung von A erhält. Das Massen-
verhältniss ist das negative umgekehrte Verhältniss der
Gegenbeschleunigungen. Dass diese Beschleunigungen
stets von entgegengesetztem Zeichen sind, dass es also
nach unserer Definition blos positive Massen gibt, lehrt
die Erfahrung und kann nur die Erfahrung lehren. In
unserm Massenbegriff liegt keine Theorie, die „Quantität
der Materie‟ ist in demselben durchaus unnöthig, er
enthält blos die scharfe Fixirung, Bezeichnung und
Benennung einer Thatsache.

4. Eine Schwierigkeit darf hierbei nicht unerwähnt
bleiben, deren Hebung zur Herstellung eines vollkommen
klaren Massenbegriffes durchaus nothwendig ist. Wir
betrachten eine Reihe von Körpern A, B, C, D
und vergleichen alle mit A als Einheit.

A, B, C, D, E, F
1, m, m′, m″, m‴, m″″

Hierbei finden wir beziehungsweise die Massenwerthe
1, m, m′, m″ .... u. s. w. Es entsteht nun die Frage:
Wenn wir B als Vergleichskörper (als Einheit) wählen,
werden wir für C den Massenwerth , für D den
Werth erhalten, oder werden sich etwa ganz andere
Werthe ergeben? In einfacherer Form lautet dieselbe
Frage: Werden zwei Körper B, C, welche sich in Gegen-
wirkung mit A als gleiche Massen verhalten haben,
auch untereinander als gleiche Massen verhalten? Es
besteht durchaus keine logische Nothwendigkeit, dass
zwei Massen, welche einer dritten gleich sind, auch
untereinander gleich seien. Denn es handelt sich hier um
keine mathematische, sondern um eine physikalische
Frage. Dies wird sehr klar, wenn wir ein analoges
Verhältniss zur Erläuterung herbeiziehen. Wir legen
die Körper A, B, C in solchen Gewichtsmengen a, b, c
nebeneinander, in welchen sie in die chemischen Ver-
bindungen AB und AC eingehen. Es besteht nun gar

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[204/0216] Zweites Kapitel. er in Gegenwirkung von A erhält. Das Massen- verhältniss ist das negative umgekehrte Verhältniss der Gegenbeschleunigungen. Dass diese Beschleunigungen stets von entgegengesetztem Zeichen sind, dass es also nach unserer Definition blos positive Massen gibt, lehrt die Erfahrung und kann nur die Erfahrung lehren. In unserm Massenbegriff liegt keine Theorie, die „Quantität der Materie‟ ist in demselben durchaus unnöthig, er enthält blos die scharfe Fixirung, Bezeichnung und Benennung einer Thatsache. 4. Eine Schwierigkeit darf hierbei nicht unerwähnt bleiben, deren Hebung zur Herstellung eines vollkommen klaren Massenbegriffes durchaus nothwendig ist. Wir betrachten eine Reihe von Körpern A, B, C, D … und vergleichen alle mit A als Einheit. A, B, C, D, E, F 1, m, m′, m″, m‴, m″″ Hierbei finden wir beziehungsweise die Massenwerthe 1, m, m′, m″ .... u. s. w. Es entsteht nun die Frage: Wenn wir B als Vergleichskörper (als Einheit) wählen, werden wir für C den Massenwerth [FORMEL], für D den Werth [FORMEL] erhalten, oder werden sich etwa ganz andere Werthe ergeben? In einfacherer Form lautet dieselbe Frage: Werden zwei Körper B, C, welche sich in Gegen- wirkung mit A als gleiche Massen verhalten haben, auch untereinander als gleiche Massen verhalten? Es besteht durchaus keine logische Nothwendigkeit, dass zwei Massen, welche einer dritten gleich sind, auch untereinander gleich seien. Denn es handelt sich hier um keine mathematische, sondern um eine physikalische Frage. Dies wird sehr klar, wenn wir ein analoges Verhältniss zur Erläuterung herbeiziehen. Wir legen die Körper A, B, C in solchen Gewichtsmengen a, b, c nebeneinander, in welchen sie in die chemischen Ver- bindungen AB und AC eingehen. Es besteht nun gar

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/216>, abgerufen am 23.11.2024.