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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Zweites Kapitel.

Am Monde hat Newton zuerst erkannt, dass dieselbe
Beschleunigung, welche die Fallbewegung des Steines
beherrscht, auch diesen Weltkörper verhindert, sich in
geradliniger Bahn von der Erde zu entfernen, während
umgekehrt seine Tangentialgeschwindigkeit ihn verhin-
dert gegen die Erde zu fallen. Die Mondbewegung er-
schien also mit einem mal in einem ganz neuen Licht,
und doch unter ganz bekannten Gesichtspunkten. Die
neue Anschauung war reizend, indem sie bisher ganz
fernliegende Objecte erfasste, und überzeugend zu-
gleich, indem sie die bekanntesten Elemente enthielt.
Das erklärt ihre rasche Anwendung auf andere Ge-
biete und ihre durchschlagende Wirkung.

Nicht allein das tausendjährige Räthsel des Planeten-
systems hat Newton durch seine neue Anschauung ge-
löst, sondern auch andere Vorgänge wurden verständ-
lich. So wie die Schwerebeschleunigung der Erde bis
zum Monde und überallhin reicht, so reichen auch die
von andern Weltkörpern herrührenden Beschleunigungen,
welchen wir nach dem Princip der Continuität diesel-
ben Eigenschaften zuerkennen müssen, überall hin, auch
zur Erde. Ist die Schwere aber nichts Locales, nichts
der Erde individuell Angehöriges, so hat sie auch nicht
im Erdmittelpunkt allein ihren Sitz. Jedes noch so
kleine Stück der Erde hat theil au derselben. Jeder
Theil beschleunigt jeden andern. Hiermit ist ein Reich-
thum und eine Freiheit der physikalischen Anschauung
gewonnen, von der man vor Newton keine Ahnung
hatte.

Eine ganze Reihe von Sätzen über die Wirkung von
Kugeln auf andere Körper ausserhalb, auf oder inner-
halb der Kugeln, Untersuchungen über die Gestalt der
Erde, insbesondere deren Abplattung durch die Rotation,
flossen wie von selbst aus dieser Anschauung. Das
Räthsel des Flutphänomens, dessen Zusammenhang mit
dem Monde schon lange vermuthet wurde, erklärte sich
mit einem mal aus der Beschleunigung der beweglichem
Wassermassen durch den Mond.

Zweites Kapitel.

Am Monde hat Newton zuerst erkannt, dass dieselbe
Beschleunigung, welche die Fallbewegung des Steines
beherrscht, auch diesen Weltkörper verhindert, sich in
geradliniger Bahn von der Erde zu entfernen, während
umgekehrt seine Tangentialgeschwindigkeit ihn verhin-
dert gegen die Erde zu fallen. Die Mondbewegung er-
schien also mit einem mal in einem ganz neuen Licht,
und doch unter ganz bekannten Gesichtspunkten. Die
neue Anschauung war reizend, indem sie bisher ganz
fernliegende Objecte erfasste, und überzeugend zu-
gleich, indem sie die bekanntesten Elemente enthielt.
Das erklärt ihre rasche Anwendung auf andere Ge-
biete und ihre durchschlagende Wirkung.

Nicht allein das tausendjährige Räthsel des Planeten-
systems hat Newton durch seine neue Anschauung ge-
löst, sondern auch andere Vorgänge wurden verständ-
lich. So wie die Schwerebeschleunigung der Erde bis
zum Monde und überallhin reicht, so reichen auch die
von andern Weltkörpern herrührenden Beschleunigungen,
welchen wir nach dem Princip der Continuität diesel-
ben Eigenschaften zuerkennen müssen, überall hin, auch
zur Erde. Ist die Schwere aber nichts Locales, nichts
der Erde individuell Angehöriges, so hat sie auch nicht
im Erdmittelpunkt allein ihren Sitz. Jedes noch so
kleine Stück der Erde hat theil au derselben. Jeder
Theil beschleunigt jeden andern. Hiermit ist ein Reich-
thum und eine Freiheit der physikalischen Anschauung
gewonnen, von der man vor Newton keine Ahnung
hatte.

Eine ganze Reihe von Sätzen über die Wirkung von
Kugeln auf andere Körper ausserhalb, auf oder inner-
halb der Kugeln, Untersuchungen über die Gestalt der
Erde, insbesondere deren Abplattung durch die Rotation,
flossen wie von selbst aus dieser Anschauung. Das
Räthsel des Flutphänomens, dessen Zusammenhang mit
dem Monde schon lange vermuthet wurde, erklärte sich
mit einem mal aus der Beschleunigung der beweglichem
Wassermassen durch den Mond.

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[178/0190] Zweites Kapitel. Am Monde hat Newton zuerst erkannt, dass dieselbe Beschleunigung, welche die Fallbewegung des Steines beherrscht, auch diesen Weltkörper verhindert, sich in geradliniger Bahn von der Erde zu entfernen, während umgekehrt seine Tangentialgeschwindigkeit ihn verhin- dert gegen die Erde zu fallen. Die Mondbewegung er- schien also mit einem mal in einem ganz neuen Licht, und doch unter ganz bekannten Gesichtspunkten. Die neue Anschauung war reizend, indem sie bisher ganz fernliegende Objecte erfasste, und überzeugend zu- gleich, indem sie die bekanntesten Elemente enthielt. Das erklärt ihre rasche Anwendung auf andere Ge- biete und ihre durchschlagende Wirkung. Nicht allein das tausendjährige Räthsel des Planeten- systems hat Newton durch seine neue Anschauung ge- löst, sondern auch andere Vorgänge wurden verständ- lich. So wie die Schwerebeschleunigung der Erde bis zum Monde und überallhin reicht, so reichen auch die von andern Weltkörpern herrührenden Beschleunigungen, welchen wir nach dem Princip der Continuität diesel- ben Eigenschaften zuerkennen müssen, überall hin, auch zur Erde. Ist die Schwere aber nichts Locales, nichts der Erde individuell Angehöriges, so hat sie auch nicht im Erdmittelpunkt allein ihren Sitz. Jedes noch so kleine Stück der Erde hat theil au derselben. Jeder Theil beschleunigt jeden andern. Hiermit ist ein Reich- thum und eine Freiheit der physikalischen Anschauung gewonnen, von der man vor Newton keine Ahnung hatte. Eine ganze Reihe von Sätzen über die Wirkung von Kugeln auf andere Körper ausserhalb, auf oder inner- halb der Kugeln, Untersuchungen über die Gestalt der Erde, insbesondere deren Abplattung durch die Rotation, flossen wie von selbst aus dieser Anschauung. Das Räthsel des Flutphänomens, dessen Zusammenhang mit dem Monde schon lange vermuthet wurde, erklärte sich mit einem mal aus der Beschleunigung der beweglichem Wassermassen durch den Mond.

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/190>, abgerufen am 24.11.2024.