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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Faserstoff.

Zur Gewichtsbestimmung wird der Faserstoff auf zwei Weisen gewonnen. Ent-
weder man lässt das aus der Ader getretene Blut ungestört gerinnen; da in diesem
Falle das durch die ganze Masse des Bluts fest gewordene Fibrin die Blutflüssigkeit
und Blutkörperchen in sich schliesst, indem sich der sog. Blutkuchen bildet, so muss
man dasselbe nachträglich von diesen Beimengungen befreien. Zu diesem Behuf zer-
schneidet man den Blutkuchen in kleine Stücke, füllt diese in ein leinenes oder sei-
denes Tuch und spült sie so lange mit Wasser aus, als dieses noch eine Spur rother
Farbe zeigt; durch Aufhängen des Beutels in destillirtes Wasser sucht man endlich
auch die letzten Spuren löslicher Stoffe zu entfernen, ein Unternehmen, das jedoch
oft wegen der eintretenden Fäulniss des Faserstoffs nicht zum vollkommenen Ziele
geführt werden kann. -- Oder man schlägt auch mit einem Glasstab das aus der Ader
gelassene Blut, wobei sich der Faserstoff in Flocken ausscheidet. Das geschlagene
Blut filtrirt man durch eine feine Leinwand und befreit den zurückbleibenden Faser-
stoff von den anhängenden übrigen Blutbestandtheilen wie oben. Den auf eine von
beiden Arten gewonnenen Faserstoff spült man vorsichtig von der Leinwand ab, trock-
net ihn bei 120° C. mit aller für hygroskopische Stoffe nöthigen Vorsicht. Darauf
pulvert man denselben, zieht eine gewogene Menge mit Aether aus und trocknet von
Neuem; der Gewichtsunterschied vor und nach dem Aetherauszug gibt den Fettge-
halt des Faserstoffs. Schliesslich verbrennt man den entfetteten Antheil, um seinen
Aschengehalt festzustellen. Diese Methode, selbst mit aller Sorgsamkeit ausgeführt,
gibt nur ungenaue Ergebnisse, weil durch das Leinwandfilter feine Flocken dringen,
und weil der Faserstoff, auf die eine oder andere Art gewonnen, immer Blut- und
Lymphkörperchen einschliesst, die durch das Waschen nicht entfernt werden können.
Dieser Einschluss bedingt es, dass man aus demselben Blute verschiedene Werthe des
Faserstoffgehaltes erhält, je nachdem man denselben durch Schlagen oder aus dem
Blutkuchen gewonnen (v. Gorup, Hinterbeger, Moleschott)*).

Die Versuche von J. Müller, auf die oben hingewiesen wurde, bestehen darin,
dass man zu dem Blute einen die Faserstoffgerinnung verlangsamenden chemischen
Körper fügt und dann durch Absetzen oder Filtriren die Körperchen von der Flüssig-
keit des Blutes scheidet. Man sieht dann die Gerinnung in der körperfreien Flüs-
sigkeit.

Die Behauptung, dass der Faserstoff als solcher im Blut aufgelöst sei, und bei
der Gerinnung einfach abgeschieden werde, macht für sich geltend den Umstand,
dass unter den verschiedensten Bedingungen aus demselben Blut auch dieselbe Faser-
stoffmenge abgeschieden werde; einmal bestreitet man dieses, indem u. A. Mole-
schott
angibt, dass aus einem bei 55 bis 60° C. geronnenen Blute mehr Faserstoff
ausgeschieden werde, als in niederer Temperatur. Aber gesetzt, es würde auch, wie
Lehmann**) angibt, immer gleich viel Faserstoff gewonnen, so könnte dieses im
günstigsten Falle beweisen, dass die im Blut vorhandenen, sich in Fibrin umwan-
delnden Stoffe ebenfalls in bestimmter Menge vorhanden seien. Ein zweiter Beweis
für die obige Behauptung sollte darin liegen, dass die Gerinnung in einer so sehr
beschränkten Zeit vor sich gehe; dieses ist aber bekanntlich nicht einmal der Fall,
indem die Gerinnungszeit mit sehr mannigfachen Umständen wechselt; wir zählen
das in dieser Richtung Beobachtete hier auf, obwohl wir nicht einsehen, inwiefern
der Gegenstand besonderes Interesse gewährt. Die Beobachtungsmethoden, welche
die Gerinnungszeiten feststellen, lassen zudem manches zu wünschen übrig.

a. Sauerstoffreiches Blut gerinnt schneller als sauerstoffarmes, wie man daraus
schliesst, dass das Blut der Thiere die in einer Atmosphäre von reinem Sauerstoffgas

*) v. Gorup, Vergleichende Untersuchungen etc. Erlangen 1850 p. 8. -- Moleschott, Physio-
logie des Stoffwechsels. Erlangen 1851. p. 232 u. 236. -- Lehmann, physiolog. Chemie I. 366.
**) Physiolog. Chemie II. 213.
Faserstoff.

Zur Gewichtsbestimmung wird der Faserstoff auf zwei Weisen gewonnen. Ent-
weder man lässt das aus der Ader getretene Blut ungestört gerinnen; da in diesem
Falle das durch die ganze Masse des Bluts fest gewordene Fibrin die Blutflüssigkeit
und Blutkörperchen in sich schliesst, indem sich der sog. Blutkuchen bildet, so muss
man dasselbe nachträglich von diesen Beimengungen befreien. Zu diesem Behuf zer-
schneidet man den Blutkuchen in kleine Stücke, füllt diese in ein leinenes oder sei-
denes Tuch und spült sie so lange mit Wasser aus, als dieses noch eine Spur rother
Farbe zeigt; durch Aufhängen des Beutels in destillirtes Wasser sucht man endlich
auch die letzten Spuren löslicher Stoffe zu entfernen, ein Unternehmen, das jedoch
oft wegen der eintretenden Fäulniss des Faserstoffs nicht zum vollkommenen Ziele
geführt werden kann. — Oder man schlägt auch mit einem Glasstab das aus der Ader
gelassene Blut, wobei sich der Faserstoff in Flocken ausscheidet. Das geschlagene
Blut filtrirt man durch eine feine Leinwand und befreit den zurückbleibenden Faser-
stoff von den anhängenden übrigen Blutbestandtheilen wie oben. Den auf eine von
beiden Arten gewonnenen Faserstoff spült man vorsichtig von der Leinwand ab, trock-
net ihn bei 120° C. mit aller für hygroskopische Stoffe nöthigen Vorsicht. Darauf
pulvert man denselben, zieht eine gewogene Menge mit Aether aus und trocknet von
Neuem; der Gewichtsunterschied vor und nach dem Aetherauszug gibt den Fettge-
halt des Faserstoffs. Schliesslich verbrennt man den entfetteten Antheil, um seinen
Aschengehalt festzustellen. Diese Methode, selbst mit aller Sorgsamkeit ausgeführt,
gibt nur ungenaue Ergebnisse, weil durch das Leinwandfilter feine Flocken dringen,
und weil der Faserstoff, auf die eine oder andere Art gewonnen, immer Blut- und
Lymphkörperchen einschliesst, die durch das Waschen nicht entfernt werden können.
Dieser Einschluss bedingt es, dass man aus demselben Blute verschiedene Werthe des
Faserstoffgehaltes erhält, je nachdem man denselben durch Schlagen oder aus dem
Blutkuchen gewonnen (v. Gorup, Hinterbeger, Moleschott)*).

Die Versuche von J. Müller, auf die oben hingewiesen wurde, bestehen darin,
dass man zu dem Blute einen die Faserstoffgerinnung verlangsamenden chemischen
Körper fügt und dann durch Absetzen oder Filtriren die Körperchen von der Flüssig-
keit des Blutes scheidet. Man sieht dann die Gerinnung in der körperfreien Flüs-
sigkeit.

Die Behauptung, dass der Faserstoff als solcher im Blut aufgelöst sei, und bei
der Gerinnung einfach abgeschieden werde, macht für sich geltend den Umstand,
dass unter den verschiedensten Bedingungen aus demselben Blut auch dieselbe Faser-
stoffmenge abgeschieden werde; einmal bestreitet man dieses, indem u. A. Mole-
schott
angibt, dass aus einem bei 55 bis 60° C. geronnenen Blute mehr Faserstoff
ausgeschieden werde, als in niederer Temperatur. Aber gesetzt, es würde auch, wie
Lehmann**) angibt, immer gleich viel Faserstoff gewonnen, so könnte dieses im
günstigsten Falle beweisen, dass die im Blut vorhandenen, sich in Fibrin umwan-
delnden Stoffe ebenfalls in bestimmter Menge vorhanden seien. Ein zweiter Beweis
für die obige Behauptung sollte darin liegen, dass die Gerinnung in einer so sehr
beschränkten Zeit vor sich gehe; dieses ist aber bekanntlich nicht einmal der Fall,
indem die Gerinnungszeit mit sehr mannigfachen Umständen wechselt; wir zählen
das in dieser Richtung Beobachtete hier auf, obwohl wir nicht einsehen, inwiefern
der Gegenstand besonderes Interesse gewährt. Die Beobachtungsmethoden, welche
die Gerinnungszeiten feststellen, lassen zudem manches zu wünschen übrig.

α. Sauerstoffreiches Blut gerinnt schneller als sauerstoffarmes, wie man daraus
schliesst, dass das Blut der Thiere die in einer Atmosphäre von reinem Sauerstoffgas

*) v. Gorup, Vergleichende Untersuchungen etc. Erlangen 1850 p. 8. — Moleschott, Physio-
logie des Stoffwechsels. Erlangen 1851. p. 232 u. 236. — Lehmann, physiolog. Chemie I. 366.
**) Physiolog. Chemie II. 213.
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[2/0018] Faserstoff. Zur Gewichtsbestimmung wird der Faserstoff auf zwei Weisen gewonnen. Ent- weder man lässt das aus der Ader getretene Blut ungestört gerinnen; da in diesem Falle das durch die ganze Masse des Bluts fest gewordene Fibrin die Blutflüssigkeit und Blutkörperchen in sich schliesst, indem sich der sog. Blutkuchen bildet, so muss man dasselbe nachträglich von diesen Beimengungen befreien. Zu diesem Behuf zer- schneidet man den Blutkuchen in kleine Stücke, füllt diese in ein leinenes oder sei- denes Tuch und spült sie so lange mit Wasser aus, als dieses noch eine Spur rother Farbe zeigt; durch Aufhängen des Beutels in destillirtes Wasser sucht man endlich auch die letzten Spuren löslicher Stoffe zu entfernen, ein Unternehmen, das jedoch oft wegen der eintretenden Fäulniss des Faserstoffs nicht zum vollkommenen Ziele geführt werden kann. — Oder man schlägt auch mit einem Glasstab das aus der Ader gelassene Blut, wobei sich der Faserstoff in Flocken ausscheidet. Das geschlagene Blut filtrirt man durch eine feine Leinwand und befreit den zurückbleibenden Faser- stoff von den anhängenden übrigen Blutbestandtheilen wie oben. Den auf eine von beiden Arten gewonnenen Faserstoff spült man vorsichtig von der Leinwand ab, trock- net ihn bei 120° C. mit aller für hygroskopische Stoffe nöthigen Vorsicht. Darauf pulvert man denselben, zieht eine gewogene Menge mit Aether aus und trocknet von Neuem; der Gewichtsunterschied vor und nach dem Aetherauszug gibt den Fettge- halt des Faserstoffs. Schliesslich verbrennt man den entfetteten Antheil, um seinen Aschengehalt festzustellen. Diese Methode, selbst mit aller Sorgsamkeit ausgeführt, gibt nur ungenaue Ergebnisse, weil durch das Leinwandfilter feine Flocken dringen, und weil der Faserstoff, auf die eine oder andere Art gewonnen, immer Blut- und Lymphkörperchen einschliesst, die durch das Waschen nicht entfernt werden können. Dieser Einschluss bedingt es, dass man aus demselben Blute verschiedene Werthe des Faserstoffgehaltes erhält, je nachdem man denselben durch Schlagen oder aus dem Blutkuchen gewonnen (v. Gorup, Hinterbeger, Moleschott) *). Die Versuche von J. Müller, auf die oben hingewiesen wurde, bestehen darin, dass man zu dem Blute einen die Faserstoffgerinnung verlangsamenden chemischen Körper fügt und dann durch Absetzen oder Filtriren die Körperchen von der Flüssig- keit des Blutes scheidet. Man sieht dann die Gerinnung in der körperfreien Flüs- sigkeit. Die Behauptung, dass der Faserstoff als solcher im Blut aufgelöst sei, und bei der Gerinnung einfach abgeschieden werde, macht für sich geltend den Umstand, dass unter den verschiedensten Bedingungen aus demselben Blut auch dieselbe Faser- stoffmenge abgeschieden werde; einmal bestreitet man dieses, indem u. A. Mole- schott angibt, dass aus einem bei 55 bis 60° C. geronnenen Blute mehr Faserstoff ausgeschieden werde, als in niederer Temperatur. Aber gesetzt, es würde auch, wie Lehmann **) angibt, immer gleich viel Faserstoff gewonnen, so könnte dieses im günstigsten Falle beweisen, dass die im Blut vorhandenen, sich in Fibrin umwan- delnden Stoffe ebenfalls in bestimmter Menge vorhanden seien. Ein zweiter Beweis für die obige Behauptung sollte darin liegen, dass die Gerinnung in einer so sehr beschränkten Zeit vor sich gehe; dieses ist aber bekanntlich nicht einmal der Fall, indem die Gerinnungszeit mit sehr mannigfachen Umständen wechselt; wir zählen das in dieser Richtung Beobachtete hier auf, obwohl wir nicht einsehen, inwiefern der Gegenstand besonderes Interesse gewährt. Die Beobachtungsmethoden, welche die Gerinnungszeiten feststellen, lassen zudem manches zu wünschen übrig. α. Sauerstoffreiches Blut gerinnt schneller als sauerstoffarmes, wie man daraus schliesst, dass das Blut der Thiere die in einer Atmosphäre von reinem Sauerstoffgas *) v. Gorup, Vergleichende Untersuchungen etc. Erlangen 1850 p. 8. — Moleschott, Physio- logie des Stoffwechsels. Erlangen 1851. p. 232 u. 236. — Lehmann, physiolog. Chemie I. 366. **) Physiolog. Chemie II. 213.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/18>, abgerufen am 23.11.2024.