Apollonius überließ dem Bruder die Ueberweisung der Arbeit. Fritz Nettenmair that erst wunderlich, indem er zu verstehen gab, er meine, Apollonius sei gekommen, hier den Herrn zu spielen und nicht den Diener. Es lag in der argwöhnischen Richtung, die sein Denken einmal angenommen, Allem, was der Bruder thun mochte, eine Absicht, eine planmäßige Be¬ rechnung unterzulegen. Er vermuthete deshalb, Apol¬ lonius wünsche die Arbeit auf dem Kirchdach zu über¬ nehmen. Wer hier schaffte, konnte zu jeder Zeit sehen, ob das Fahrzeug am Thurmdach besetzt war oder ledig an der fliegenden Rüstung hing. Er that arglos, er nehme an, Apollonius sei lieber bei der Umdeckung des Thurmdaches beschäftigt, die er ja selber vorgeschlagen. Apollonius weigerte sich nicht. Fritz meinte, obgleich es ihm unangenehm sei, was er aber nicht merken lasse; und hatte die Empfindung eines Menschen, dem es gelungen, einen Widersacher zu überlisten. Eine Em¬ pfindung, die sich erneute, so oft er von seiner Arbeit auf dem Dachstuhle hinaufsah nach dem Fahrzeug und der fliegenden Rüstung am Thurm, mit der Gewißheit, der Bruder könne das Fahrzeug nicht verlassen und hineingeh'n, ohne daß er es sehe und ihm zuvorkommen könne. Dann war ihm Apollonius der Träumer und er selbst einer, der die Welt kannte. Im andern Augen¬ blick vielleicht sah er wieder den Arglistigen im Bruder und fand es wohlthuend, sich dagegen als den Arglosen
Apollonius überließ dem Bruder die Ueberweiſung der Arbeit. Fritz Nettenmair that erſt wunderlich, indem er zu verſtehen gab, er meine, Apollonius ſei gekommen, hier den Herrn zu ſpielen und nicht den Diener. Es lag in der argwöhniſchen Richtung, die ſein Denken einmal angenommen, Allem, was der Bruder thun mochte, eine Abſicht, eine planmäßige Be¬ rechnung unterzulegen. Er vermuthete deshalb, Apol¬ lonius wünſche die Arbeit auf dem Kirchdach zu über¬ nehmen. Wer hier ſchaffte, konnte zu jeder Zeit ſehen, ob das Fahrzeug am Thurmdach beſetzt war oder ledig an der fliegenden Rüſtung hing. Er that arglos, er nehme an, Apollonius ſei lieber bei der Umdeckung des Thurmdaches beſchäftigt, die er ja ſelber vorgeſchlagen. Apollonius weigerte ſich nicht. Fritz meinte, obgleich es ihm unangenehm ſei, was er aber nicht merken laſſe; und hatte die Empfindung eines Menſchen, dem es gelungen, einen Widerſacher zu überliſten. Eine Em¬ pfindung, die ſich erneute, ſo oft er von ſeiner Arbeit auf dem Dachſtuhle hinaufſah nach dem Fahrzeug und der fliegenden Rüſtung am Thurm, mit der Gewißheit, der Bruder könne das Fahrzeug nicht verlaſſen und hineingeh'n, ohne daß er es ſehe und ihm zuvorkommen könne. Dann war ihm Apollonius der Träumer und er ſelbſt einer, der die Welt kannte. Im andern Augen¬ blick vielleicht ſah er wieder den Argliſtigen im Bruder und fand es wohlthuend, ſich dagegen als den Argloſen
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Apollonius überließ dem Bruder die Ueberweiſung
der Arbeit. Fritz Nettenmair that erſt wunderlich,
indem er zu verſtehen gab, er meine, Apollonius ſei
gekommen, hier den Herrn zu ſpielen und nicht den
Diener. Es lag in der argwöhniſchen Richtung, die
ſein Denken einmal angenommen, Allem, was der
Bruder thun mochte, eine Abſicht, eine planmäßige Be¬
rechnung unterzulegen. Er vermuthete deshalb, Apol¬
lonius wünſche die Arbeit auf dem Kirchdach zu über¬
nehmen. Wer hier ſchaffte, konnte zu jeder Zeit ſehen,
ob das Fahrzeug am Thurmdach beſetzt war oder ledig
an der fliegenden Rüſtung hing. Er that arglos, er
nehme an, Apollonius ſei lieber bei der Umdeckung des
Thurmdaches beſchäftigt, die er ja ſelber vorgeſchlagen.
Apollonius weigerte ſich nicht. Fritz meinte, obgleich
es ihm unangenehm ſei, was er aber nicht merken laſſe;
und hatte die Empfindung eines Menſchen, dem es
gelungen, einen Widerſacher zu überliſten. Eine Em¬
pfindung, die ſich erneute, ſo oft er von ſeiner Arbeit
auf dem Dachſtuhle hinaufſah nach dem Fahrzeug und
der fliegenden Rüſtung am Thurm, mit der Gewißheit,
der Bruder könne das Fahrzeug nicht verlaſſen und
hineingeh'n, ohne daß er es ſehe und ihm zuvorkommen
könne. Dann war ihm Apollonius der Träumer und
er ſelbſt einer, der die Welt kannte. Im andern Augen¬
blick vielleicht ſah er wieder den Argliſtigen im Bruder
und fand es wohlthuend, ſich dagegen als den Argloſen
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/86>, abgerufen am 27.11.2024.
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