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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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seinen Willen zu ergeben, den sie den reinsten und den
heiligsten wußte. Wenn sie trotz dieser Ergebung Wünsche
und Hoffnungen nährte, wer wird es nicht natürlich
finden? wer möchte es ihr verdenken?

Der alte Herr war überzeugt, hätte er das Regi¬
ment behalten, es wäre Alles anders gekommen. Hatte
er doch, was Apollonius verdorben, noch zu dem besten
Ende geführt, das möglich war. Die Noth hatte ihm
das Heft noch einmal in die Hand gedrückt und er
wollte es nicht wieder fahren lassen. Die durch den
glücklichen Erfolg erhöhte Meinung von sich hatte ihn
vergessen lassen, daß er schon zweimal zu der Einsicht ge¬
zwungen worden war, eine Leitung im blauen Rocke
sei nur dann möglich, wenn man nicht mit fremden
Augen sehen müsse. Er sollte es zum drittenmal er¬
fahren. Es war kein Wunder, daß er Apollonius'
seitherigem Handeln falsche Beweggründe unterlegte.
Schon als er sich der Tüchtigkeit des Sohnes gefreut
hatte, war ihm zugleich die Furcht gekommen, die Va¬
lentin's Geständniß der Verschweigung ihm zur Wahr¬
heit machte. Er sah hinter der vorgegebenen Schonung
des Sohnes um so natürlicher Eigenmächtigkeit und
die Lust, ein verdecktes Spiel zu spielen, als er ihn
dabei nur an dem eigenen Maßstabe maß. Es war
das Nächstliegende, daß er in dem Sohne die eigenen
Neigungen voraussetzte. Schon damals hatte er mit
einer Art Eifersucht empfunden, daß er selbst der

ſeinen Willen zu ergeben, den ſie den reinſten und den
heiligſten wußte. Wenn ſie trotz dieſer Ergebung Wünſche
und Hoffnungen nährte, wer wird es nicht natürlich
finden? wer möchte es ihr verdenken?

Der alte Herr war überzeugt, hätte er das Regi¬
ment behalten, es wäre Alles anders gekommen. Hatte
er doch, was Apollonius verdorben, noch zu dem beſten
Ende geführt, das möglich war. Die Noth hatte ihm
das Heft noch einmal in die Hand gedrückt und er
wollte es nicht wieder fahren laſſen. Die durch den
glücklichen Erfolg erhöhte Meinung von ſich hatte ihn
vergeſſen laſſen, daß er ſchon zweimal zu der Einſicht ge¬
zwungen worden war, eine Leitung im blauen Rocke
ſei nur dann möglich, wenn man nicht mit fremden
Augen ſehen müſſe. Er ſollte es zum drittenmal er¬
fahren. Es war kein Wunder, daß er Apollonius'
ſeitherigem Handeln falſche Beweggründe unterlegte.
Schon als er ſich der Tüchtigkeit des Sohnes gefreut
hatte, war ihm zugleich die Furcht gekommen, die Va¬
lentin's Geſtändniß der Verſchweigung ihm zur Wahr¬
heit machte. Er ſah hinter der vorgegebenen Schonung
des Sohnes um ſo natürlicher Eigenmächtigkeit und
die Luſt, ein verdecktes Spiel zu ſpielen, als er ihn
dabei nur an dem eigenen Maßſtabe maß. Es war
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[267/0276] ſeinen Willen zu ergeben, den ſie den reinſten und den heiligſten wußte. Wenn ſie trotz dieſer Ergebung Wünſche und Hoffnungen nährte, wer wird es nicht natürlich finden? wer möchte es ihr verdenken? Der alte Herr war überzeugt, hätte er das Regi¬ ment behalten, es wäre Alles anders gekommen. Hatte er doch, was Apollonius verdorben, noch zu dem beſten Ende geführt, das möglich war. Die Noth hatte ihm das Heft noch einmal in die Hand gedrückt und er wollte es nicht wieder fahren laſſen. Die durch den glücklichen Erfolg erhöhte Meinung von ſich hatte ihn vergeſſen laſſen, daß er ſchon zweimal zu der Einſicht ge¬ zwungen worden war, eine Leitung im blauen Rocke ſei nur dann möglich, wenn man nicht mit fremden Augen ſehen müſſe. Er ſollte es zum drittenmal er¬ fahren. Es war kein Wunder, daß er Apollonius' ſeitherigem Handeln falſche Beweggründe unterlegte. Schon als er ſich der Tüchtigkeit des Sohnes gefreut hatte, war ihm zugleich die Furcht gekommen, die Va¬ lentin's Geſtändniß der Verſchweigung ihm zur Wahr¬ heit machte. Er ſah hinter der vorgegebenen Schonung des Sohnes um ſo natürlicher Eigenmächtigkeit und die Luſt, ein verdecktes Spiel zu ſpielen, als er ihn dabei nur an dem eigenen Maßſtabe maß. Es war das Nächſtliegende, daß er in dem Sohne die eigenen Neigungen vorausſetzte. Schon damals hatte er mit einer Art Eiferſucht empfunden, daß er ſelbſt der

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/276>, abgerufen am 10.06.2024.