ein Glück für Apollonius, daß er mit seiner ganzen Seele bei seinem Vorhaben sein mußte, daß er keine Zeit übrig behielt, dem Bruder Schritt vor Schritt mit Augen und Herz zu folgen, zu sehn, wie der immer tiefer sank, den zu retten er sich mühte. Wenn er sich freute über sein Gelingen, so war es aus Treue gegen den Bruder und dessen Angehörigen; der Bruder sah etwas anderes in seiner Freude und dachte auf nichts, als sie zu stören. Es kam weit mit Fritz Nettenmair. Im Anfang hatte er den größten Theil des wöchentlich für seinen Hausstand Ausgesetzten der Frau übergeben. Dann behielt er immer mehr zurück und zuletzt trug er das Ganze dahin, wohin ihm das Bedürfniß, durch Traktiren sich Schmeichler zu erkaufen, treuer gefolgt war, als die Achtung der Stadt. Die Erfahrung an den "bedeutenden" Leuten hatte ihn nicht bekehrt. Die Frau hatte sich kümmerlicher und kümmerlicher behelfen müssen. Der alte Valentin sah ihre Noth, und von nun an ging das Haushaltgeld nicht mehr durch ihres Mannes, sondern durch Valentins Hände. Und zuletzt wurde Valentin ihr Schatzmeister und gab ihr nie mehr, als sie augenblicklich bedurfte, weil das Geld in ihren Händen nicht mehr vor dem Manne sicher war. Sie mußte das, wie Alles, von ihm entgelten. Er war schon gewohnt, an der ganzen Welt, die ihn verfolgte, an sich selbst, an dem Gelingen Apollonius, in ihr sich zu rächen. Valentin hätte ihn
ein Glück für Apollonius, daß er mit ſeiner ganzen Seele bei ſeinem Vorhaben ſein mußte, daß er keine Zeit übrig behielt, dem Bruder Schritt vor Schritt mit Augen und Herz zu folgen, zu ſehn, wie der immer tiefer ſank, den zu retten er ſich mühte. Wenn er ſich freute über ſein Gelingen, ſo war es aus Treue gegen den Bruder und deſſen Angehörigen; der Bruder ſah etwas anderes in ſeiner Freude und dachte auf nichts, als ſie zu ſtören. Es kam weit mit Fritz Nettenmair. Im Anfang hatte er den größten Theil des wöchentlich für ſeinen Hausſtand Ausgeſetzten der Frau übergeben. Dann behielt er immer mehr zurück und zuletzt trug er das Ganze dahin, wohin ihm das Bedürfniß, durch Traktiren ſich Schmeichler zu erkaufen, treuer gefolgt war, als die Achtung der Stadt. Die Erfahrung an den „bedeutenden“ Leuten hatte ihn nicht bekehrt. Die Frau hatte ſich kümmerlicher und kümmerlicher behelfen müſſen. Der alte Valentin ſah ihre Noth, und von nun an ging das Haushaltgeld nicht mehr durch ihres Mannes, ſondern durch Valentins Hände. Und zuletzt wurde Valentin ihr Schatzmeiſter und gab ihr nie mehr, als ſie augenblicklich bedurfte, weil das Geld in ihren Händen nicht mehr vor dem Manne ſicher war. Sie mußte das, wie Alles, von ihm entgelten. Er war ſchon gewohnt, an der ganzen Welt, die ihn verfolgte, an ſich ſelbſt, an dem Gelingen Apollonius, in ihr ſich zu rächen. Valentin hätte ihn
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ein Glück für Apollonius, daß er mit ſeiner ganzen
Seele bei ſeinem Vorhaben ſein mußte, daß er keine
Zeit übrig behielt, dem Bruder Schritt vor Schritt
mit Augen und Herz zu folgen, zu ſehn, wie der
immer tiefer ſank, den zu retten er ſich mühte. Wenn
er ſich freute über ſein Gelingen, ſo war es aus
Treue gegen den Bruder und deſſen Angehörigen; der
Bruder ſah etwas anderes in ſeiner Freude und dachte
auf nichts, als ſie zu ſtören. Es kam weit mit Fritz
Nettenmair. Im Anfang hatte er den größten Theil
des wöchentlich für ſeinen Hausſtand Ausgeſetzten der
Frau übergeben. Dann behielt er immer mehr zurück
und zuletzt trug er das Ganze dahin, wohin ihm das
Bedürfniß, durch Traktiren ſich Schmeichler zu erkaufen,
treuer gefolgt war, als die Achtung der Stadt. Die
Erfahrung an den „bedeutenden“ Leuten hatte ihn
nicht bekehrt. Die Frau hatte ſich kümmerlicher und
kümmerlicher behelfen müſſen. Der alte Valentin ſah
ihre Noth, und von nun an ging das Haushaltgeld
nicht mehr durch ihres Mannes, ſondern durch Valentins
Hände. Und zuletzt wurde Valentin ihr Schatzmeiſter
und gab ihr nie mehr, als ſie augenblicklich bedurfte,
weil das Geld in ihren Händen nicht mehr vor dem
Manne ſicher war. Sie mußte das, wie Alles, von
ihm entgelten. Er war ſchon gewohnt, an der ganzen
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/151>, abgerufen am 23.11.2024.
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