schon lang darum bei Apollonius verklagt, wenn nicht die Frau selber ihn daran gehindert hätte. Es war ihr eine Genugthuung, um den Mann zu leiden, der ja mehr um sie und ihre Kinder litt. Wußte sie Apollonius im Sturm auf der Reise, dann weilte sie Stunden lang im unbedeckten Hofe. Das Wetter, das ihn traf, sollte auch sie treffen. Sie wollte eine gleich schwere Last tragen, wenn sie die seine nicht erleichtern konnte. Soweit trieb sie ihre Opferlust. Sonst benutzte sie die Zeit, die ihr Wirthschaft und Kinder übrig ließen, zu allerlei Arbeiten, die Valentin als ihr Agent vertrieb. Das Geld dafür verwandte sie zum Theil -- sie konnte lieber hungern, wenn auch nicht ihre Kinder hungern sehn -- die Wohnstube mit Allerlei zu schmücken, wovon sie wußte, daß Apollonius es liebte. Und doch wußte sie, Apollonius kam nie dahin, er sah es nie. Aber sie hätte es nicht gethan, wußte sie, er würde es sehn.
Ihr Gatte sah es, so oft er in die Stube trat. Ihm entging nichts, was seinem Zorne und seinem Hasse einen Vorwand entgegen bringen konnte. Er sah die Haare seiner Knaben in Schrauben gedreht, wie sie Apollonius trug; er sah die Aehnlichkeit mit Apollonius in den Zügen der Frau und der Kinder entstehen und wachsen; er hatte ein Aug' für Alles, was seines Weibes Verehrung für den Bruder, was ihr bewußtes, selbst was ihr unbewußtes sich Hinein¬
ſchon lang darum bei Apollonius verklagt, wenn nicht die Frau ſelber ihn daran gehindert hätte. Es war ihr eine Genugthuung, um den Mann zu leiden, der ja mehr um ſie und ihre Kinder litt. Wußte ſie Apollonius im Sturm auf der Reiſe, dann weilte ſie Stunden lang im unbedeckten Hofe. Das Wetter, das ihn traf, ſollte auch ſie treffen. Sie wollte eine gleich ſchwere Laſt tragen, wenn ſie die ſeine nicht erleichtern konnte. Soweit trieb ſie ihre Opferluſt. Sonſt benutzte ſie die Zeit, die ihr Wirthſchaft und Kinder übrig ließen, zu allerlei Arbeiten, die Valentin als ihr Agent vertrieb. Das Geld dafür verwandte ſie zum Theil — ſie konnte lieber hungern, wenn auch nicht ihre Kinder hungern ſehn — die Wohnſtube mit Allerlei zu ſchmücken, wovon ſie wußte, daß Apollonius es liebte. Und doch wußte ſie, Apollonius kam nie dahin, er ſah es nie. Aber ſie hätte es nicht gethan, wußte ſie, er würde es ſehn.
Ihr Gatte ſah es, ſo oft er in die Stube trat. Ihm entging nichts, was ſeinem Zorne und ſeinem Haſſe einen Vorwand entgegen bringen konnte. Er ſah die Haare ſeiner Knaben in Schrauben gedreht, wie ſie Apollonius trug; er ſah die Aehnlichkeit mit Apollonius in den Zügen der Frau und der Kinder entſtehen und wachſen; er hatte ein Aug' für Alles, was ſeines Weibes Verehrung für den Bruder, was ihr bewußtes, ſelbſt was ihr unbewußtes ſich Hinein¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0152"n="143"/>ſchon lang darum bei Apollonius verklagt, wenn nicht<lb/>
die Frau ſelber ihn daran gehindert hätte. Es war<lb/>
ihr eine Genugthuung, um den Mann zu leiden, der<lb/>
ja mehr um ſie und ihre Kinder litt. Wußte ſie<lb/>
Apollonius im Sturm auf der Reiſe, dann weilte ſie<lb/>
Stunden lang im unbedeckten Hofe. Das Wetter,<lb/>
das ihn traf, ſollte auch ſie treffen. Sie wollte eine<lb/>
gleich ſchwere Laſt tragen, wenn ſie die ſeine nicht<lb/>
erleichtern konnte. Soweit trieb ſie ihre Opferluſt.<lb/>
Sonſt benutzte ſie die Zeit, die ihr Wirthſchaft und<lb/>
Kinder übrig ließen, zu allerlei Arbeiten, die Valentin<lb/>
als ihr Agent vertrieb. Das Geld dafür verwandte<lb/>ſie zum Theil —ſie konnte lieber hungern, wenn auch<lb/>
nicht ihre Kinder hungern ſehn — die Wohnſtube mit<lb/>
Allerlei zu ſchmücken, wovon ſie wußte, daß Apollonius<lb/>
es liebte. Und doch wußte ſie, Apollonius kam nie<lb/>
dahin, er ſah es nie. Aber ſie hätte es nicht gethan,<lb/>
wußte ſie, er würde es ſehn.</p><lb/><p>Ihr Gatte ſah es, ſo oft er in die Stube trat.<lb/>
Ihm entging nichts, was ſeinem Zorne und ſeinem<lb/>
Haſſe einen Vorwand entgegen bringen konnte. Er<lb/>ſah die Haare ſeiner Knaben in Schrauben gedreht,<lb/>
wie ſie Apollonius trug; er ſah die Aehnlichkeit mit<lb/>
Apollonius in den Zügen der Frau und der Kinder<lb/>
entſtehen und wachſen; er hatte ein Aug' für Alles,<lb/>
was ſeines Weibes Verehrung für den Bruder, was<lb/>
ihr bewußtes, ſelbſt was ihr unbewußtes ſich Hinein¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[143/0152]
ſchon lang darum bei Apollonius verklagt, wenn nicht
die Frau ſelber ihn daran gehindert hätte. Es war
ihr eine Genugthuung, um den Mann zu leiden, der
ja mehr um ſie und ihre Kinder litt. Wußte ſie
Apollonius im Sturm auf der Reiſe, dann weilte ſie
Stunden lang im unbedeckten Hofe. Das Wetter,
das ihn traf, ſollte auch ſie treffen. Sie wollte eine
gleich ſchwere Laſt tragen, wenn ſie die ſeine nicht
erleichtern konnte. Soweit trieb ſie ihre Opferluſt.
Sonſt benutzte ſie die Zeit, die ihr Wirthſchaft und
Kinder übrig ließen, zu allerlei Arbeiten, die Valentin
als ihr Agent vertrieb. Das Geld dafür verwandte
ſie zum Theil — ſie konnte lieber hungern, wenn auch
nicht ihre Kinder hungern ſehn — die Wohnſtube mit
Allerlei zu ſchmücken, wovon ſie wußte, daß Apollonius
es liebte. Und doch wußte ſie, Apollonius kam nie
dahin, er ſah es nie. Aber ſie hätte es nicht gethan,
wußte ſie, er würde es ſehn.
Ihr Gatte ſah es, ſo oft er in die Stube trat.
Ihm entging nichts, was ſeinem Zorne und ſeinem
Haſſe einen Vorwand entgegen bringen konnte. Er
ſah die Haare ſeiner Knaben in Schrauben gedreht,
wie ſie Apollonius trug; er ſah die Aehnlichkeit mit
Apollonius in den Zügen der Frau und der Kinder
entſtehen und wachſen; er hatte ein Aug' für Alles,
was ſeines Weibes Verehrung für den Bruder, was
ihr bewußtes, ſelbſt was ihr unbewußtes ſich Hinein¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/152>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.