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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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Soll der Federchensucher dich verachten?"" Noch drückte
ihr Blick den seinen nieder. ""Weißt du, was du bist?
Frag' ihn doch, was eine Frau ist, die Ehre und
Pflicht vergißt? An wen denkst du mit Gedanken, wie
du nur an deinen Mann denken solltest? Wenn du
wie eine verliebte Dirne umherschleichst, wo du meinst,
ihn zu sehn. Und meinst, die Menschen sind blind.
Frag' ihn doch, wie er so eine nennt? O die
Leute haben schöne Namen für so eine."" Er sah,
wie sie erschrack. Ihr Arm bebte in seiner Hand. Er
sah, sie begann ihn zu verstehn, sie begann sich selbst
zu verstehn. Er hatte ihren Trotz gefürchtet, und sah,
sie brach zusammen, das Zornesroth erblich auf ihrer
Wange und Schamröthe schlug wild über die bleiche
hin. Er sah, wie ihr Auge den Boden suchte, als
fühlte es die Blicke aller Menschen auf sich gerichtet,
als hätt' der Schuppen, der Zaun, die Bäume Augen
und alle bohrten sich in ihr's. Er sah, wie sie in der
Jähheit der Erkenntniß sich selbst so eine nannte, für
die die Leute die schönen Namen haben. Der Schmerz
strömte seinen Regen über die schamblutende brennende
Wange und die Thränen waren wie Oel; das Feuer
wuchs, als eine Stimme vom Schuppen klang und
sein Tritt. Sie wollte sich gewaltsam losreißen und
sah mit halb wildem, halb flehendem Blicke auf, der
sterbend vor den tausend Augen wieder zu Boden sank.
Er sah, sein Auge, das Auge des, der durch den

Soll der Federchenſucher dich verachten?““ Noch drückte
ihr Blick den ſeinen nieder. „„Weißt du, was du biſt?
Frag' ihn doch, was eine Frau iſt, die Ehre und
Pflicht vergißt? An wen denkſt du mit Gedanken, wie
du nur an deinen Mann denken ſollteſt? Wenn du
wie eine verliebte Dirne umherſchleichſt, wo du meinſt,
ihn zu ſehn. Und meinſt, die Menſchen ſind blind.
Frag' ihn doch, wie er ſo eine nennt? O die
Leute haben ſchöne Namen für ſo eine.““ Er ſah,
wie ſie erſchrack. Ihr Arm bebte in ſeiner Hand. Er
ſah, ſie begann ihn zu verſtehn, ſie begann ſich ſelbſt
zu verſtehn. Er hatte ihren Trotz gefürchtet, und ſah,
ſie brach zuſammen, das Zornesroth erblich auf ihrer
Wange und Schamröthe ſchlug wild über die bleiche
hin. Er ſah, wie ihr Auge den Boden ſuchte, als
fühlte es die Blicke aller Menſchen auf ſich gerichtet,
als hätt' der Schuppen, der Zaun, die Bäume Augen
und alle bohrten ſich in ihr's. Er ſah, wie ſie in der
Jähheit der Erkenntniß ſich ſelbſt ſo eine nannte, für
die die Leute die ſchönen Namen haben. Der Schmerz
ſtrömte ſeinen Regen über die ſchamblutende brennende
Wange und die Thränen waren wie Oel; das Feuer
wuchs, als eine Stimme vom Schuppen klang und
ſein Tritt. Sie wollte ſich gewaltſam losreißen und
ſah mit halb wildem, halb flehendem Blicke auf, der
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[112/0121] Soll der Federchenſucher dich verachten?““ Noch drückte ihr Blick den ſeinen nieder. „„Weißt du, was du biſt? Frag' ihn doch, was eine Frau iſt, die Ehre und Pflicht vergißt? An wen denkſt du mit Gedanken, wie du nur an deinen Mann denken ſollteſt? Wenn du wie eine verliebte Dirne umherſchleichſt, wo du meinſt, ihn zu ſehn. Und meinſt, die Menſchen ſind blind. Frag' ihn doch, wie er ſo eine nennt? O die Leute haben ſchöne Namen für ſo eine.““ Er ſah, wie ſie erſchrack. Ihr Arm bebte in ſeiner Hand. Er ſah, ſie begann ihn zu verſtehn, ſie begann ſich ſelbſt zu verſtehn. Er hatte ihren Trotz gefürchtet, und ſah, ſie brach zuſammen, das Zornesroth erblich auf ihrer Wange und Schamröthe ſchlug wild über die bleiche hin. Er ſah, wie ihr Auge den Boden ſuchte, als fühlte es die Blicke aller Menſchen auf ſich gerichtet, als hätt' der Schuppen, der Zaun, die Bäume Augen und alle bohrten ſich in ihr's. Er ſah, wie ſie in der Jähheit der Erkenntniß ſich ſelbſt ſo eine nannte, für die die Leute die ſchönen Namen haben. Der Schmerz ſtrömte ſeinen Regen über die ſchamblutende brennende Wange und die Thränen waren wie Oel; das Feuer wuchs, als eine Stimme vom Schuppen klang und ſein Tritt. Sie wollte ſich gewaltſam losreißen und ſah mit halb wildem, halb flehendem Blicke auf, der ſterbend vor den tauſend Augen wieder zu Boden ſank. Er ſah, ſein Auge, das Auge des, der durch den

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/121>, abgerufen am 24.11.2024.