Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

was in dem Bruder vorging. "Ich weiß nicht, woher
der Widerwille deiner Frau gegen mich kommt. Ich
weiß nur, daß er von Nichts kommen kann, was ich
mit Absicht gethan hätte, mir ihn zu verdienen. Kannst
du mir den Grund sagen? Ich will sie nicht anklagen;
es ist möglich, daß ich etwas an mir habe, das ihr
mißfällt. Und dann ist's gewiß nichts, was zu loben
oder nur zu schonen wäre. Und ich will dann eben
so gewiß der Letzte sein, es zu schonen, weiß ich nur,
was es ist. Weißt du's, so bitte, sag' es mir. Etwas
Schlimmes darfst auch du nicht an mir schonen, und
thäte dir's auch noch so weh. Weißt du's und sagst
mir's nicht, so ist's nur darum. Aber du kränkst mich
nicht damit, gewiß nicht, Fritz." -- Fritz Nettenmair
that, was Apollonius eben gethan; er maß den Bruder
in seinen Gedanken nach sich. Das Ergebniß mußte
zu Apollonius Nachtheil ausfallen. Apollonius nahm
sein gedankenvolles Schweigen für eine Antwort. "Weißt
du's nicht, fuhr er fort, so lass' uns zusammen zu ihr
gehn, und sie fragen. Ich muß wissen, was ich thun
soll. Das Leben seither darf nicht so fortgehn. Was
würde der Vater sagen, wenn er's wüßte! Mir ist's
Tag und Nacht ein Vorwurf, daß er es nicht weiß.
Es ist für uns Alle besser, Fritz. Komm', laß' es uns
nicht verschieben."

Fritz Nettenmair hörte nur die Zumuthung des
Bruders. Er sollte ihn zu ihr führen! Er sollte ihn jetzt

was in dem Bruder vorging. „Ich weiß nicht, woher
der Widerwille deiner Frau gegen mich kommt. Ich
weiß nur, daß er von Nichts kommen kann, was ich
mit Abſicht gethan hätte, mir ihn zu verdienen. Kannſt
du mir den Grund ſagen? Ich will ſie nicht anklagen;
es iſt möglich, daß ich etwas an mir habe, das ihr
mißfällt. Und dann iſt's gewiß nichts, was zu loben
oder nur zu ſchonen wäre. Und ich will dann eben
ſo gewiß der Letzte ſein, es zu ſchonen, weiß ich nur,
was es iſt. Weißt du's, ſo bitte, ſag' es mir. Etwas
Schlimmes darfſt auch du nicht an mir ſchonen, und
thäte dir's auch noch ſo weh. Weißt du's und ſagſt
mir's nicht, ſo iſt's nur darum. Aber du kränkſt mich
nicht damit, gewiß nicht, Fritz.“ — Fritz Nettenmair
that, was Apollonius eben gethan; er maß den Bruder
in ſeinen Gedanken nach ſich. Das Ergebniß mußte
zu Apollonius Nachtheil ausfallen. Apollonius nahm
ſein gedankenvolles Schweigen für eine Antwort. „Weißt
du's nicht, fuhr er fort, ſo laſſ' uns zuſammen zu ihr
gehn, und ſie fragen. Ich muß wiſſen, was ich thun
ſoll. Das Leben ſeither darf nicht ſo fortgehn. Was
würde der Vater ſagen, wenn er's wüßte! Mir iſt's
Tag und Nacht ein Vorwurf, daß er es nicht weiß.
Es iſt für uns Alle beſſer, Fritz. Komm', laß' es uns
nicht verſchieben.“

Fritz Nettenmair hörte nur die Zumuthung des
Bruders. Er ſollte ihn zu ihr führen! Er ſollte ihn jetzt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0109" n="100"/>
was in dem Bruder vorging. &#x201E;Ich weiß nicht, woher<lb/>
der Widerwille deiner Frau gegen mich kommt. Ich<lb/>
weiß nur, daß er von Nichts kommen kann, was ich<lb/>
mit Ab&#x017F;icht gethan hätte, mir ihn zu verdienen. Kann&#x017F;t<lb/>
du mir den Grund &#x017F;agen? Ich will &#x017F;ie nicht anklagen;<lb/>
es i&#x017F;t möglich, daß ich etwas an mir habe, das ihr<lb/>
mißfällt. Und dann i&#x017F;t's gewiß nichts, was zu loben<lb/>
oder nur zu &#x017F;chonen wäre. Und ich will dann eben<lb/>
&#x017F;o gewiß der Letzte &#x017F;ein, es zu &#x017F;chonen, weiß ich nur,<lb/>
was es i&#x017F;t. Weißt du's, &#x017F;o bitte, &#x017F;ag' es mir. Etwas<lb/>
Schlimmes darf&#x017F;t auch du nicht an mir &#x017F;chonen, und<lb/>
thäte dir's auch noch &#x017F;o weh. Weißt du's und &#x017F;ag&#x017F;t<lb/>
mir's nicht, &#x017F;o i&#x017F;t's nur darum. Aber du kränk&#x017F;t mich<lb/>
nicht damit, gewiß nicht, Fritz.&#x201C; &#x2014; Fritz Nettenmair<lb/>
that, was Apollonius eben gethan; er maß den Bruder<lb/>
in &#x017F;einen Gedanken nach &#x017F;ich. Das Ergebniß mußte<lb/>
zu Apollonius Nachtheil ausfallen. Apollonius nahm<lb/>
&#x017F;ein gedankenvolles Schweigen für eine Antwort. &#x201E;Weißt<lb/>
du's nicht, fuhr er fort, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;' uns zu&#x017F;ammen zu ihr<lb/>
gehn, und &#x017F;ie fragen. Ich muß wi&#x017F;&#x017F;en, was ich thun<lb/>
&#x017F;oll. Das Leben &#x017F;either darf nicht &#x017F;o fortgehn. Was<lb/>
würde der Vater &#x017F;agen, wenn er's wüßte! Mir i&#x017F;t's<lb/>
Tag und Nacht ein Vorwurf, daß er es nicht weiß.<lb/>
Es i&#x017F;t für uns Alle be&#x017F;&#x017F;er, Fritz. Komm', laß' es uns<lb/>
nicht ver&#x017F;chieben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Fritz Nettenmair hörte nur die Zumuthung des<lb/>
Bruders. Er &#x017F;ollte ihn zu ihr führen! Er &#x017F;ollte ihn <hi rendition="#g">jetzt</hi><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0109] was in dem Bruder vorging. „Ich weiß nicht, woher der Widerwille deiner Frau gegen mich kommt. Ich weiß nur, daß er von Nichts kommen kann, was ich mit Abſicht gethan hätte, mir ihn zu verdienen. Kannſt du mir den Grund ſagen? Ich will ſie nicht anklagen; es iſt möglich, daß ich etwas an mir habe, das ihr mißfällt. Und dann iſt's gewiß nichts, was zu loben oder nur zu ſchonen wäre. Und ich will dann eben ſo gewiß der Letzte ſein, es zu ſchonen, weiß ich nur, was es iſt. Weißt du's, ſo bitte, ſag' es mir. Etwas Schlimmes darfſt auch du nicht an mir ſchonen, und thäte dir's auch noch ſo weh. Weißt du's und ſagſt mir's nicht, ſo iſt's nur darum. Aber du kränkſt mich nicht damit, gewiß nicht, Fritz.“ — Fritz Nettenmair that, was Apollonius eben gethan; er maß den Bruder in ſeinen Gedanken nach ſich. Das Ergebniß mußte zu Apollonius Nachtheil ausfallen. Apollonius nahm ſein gedankenvolles Schweigen für eine Antwort. „Weißt du's nicht, fuhr er fort, ſo laſſ' uns zuſammen zu ihr gehn, und ſie fragen. Ich muß wiſſen, was ich thun ſoll. Das Leben ſeither darf nicht ſo fortgehn. Was würde der Vater ſagen, wenn er's wüßte! Mir iſt's Tag und Nacht ein Vorwurf, daß er es nicht weiß. Es iſt für uns Alle beſſer, Fritz. Komm', laß' es uns nicht verſchieben.“ Fritz Nettenmair hörte nur die Zumuthung des Bruders. Er ſollte ihn zu ihr führen! Er ſollte ihn jetzt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/109
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/109>, abgerufen am 24.11.2024.