uns Alle denkst; drum rede nur jovial vom Herzen weg, ich mach's auch so."" Apollonius ließ die beab¬ sichtigte Einleitung weg. Er hatte klug und vorsichtig sein gelernt, aber klug und vorsichtig gegen einen Bruder sein, hätte ihm Falschheit geschienen. Selbst, hätte er die Falschheit des Bruders gekannt, er wäre nicht auf dessen Gedanken von den gleichen Waffen gekommen. Er hätte sich seine Erfahrung als Täuschung ausgeredet.
"Ich glaube, Fritz," begann er herzlich, "wir hätten anders gegeneinander sein sollen, als wir seither ge¬ wesen sind." Er nahm aus Gutmüthigkeit die halbe Schuld auf sich. Der Bruder schob ihm in Gedanken die ganze zu, und wollte jovial das Gegentheil ver¬ sichern, als Apollonius fortfuhr. "Es war nicht zwischen uns, wie sonst, und wie es sein sollte. Die Ursache davon ist, soviel ich weiß, nur der Widerwille deiner Frau gegen mich. Oder weißt du noch eine andere?" ""Ich weiß keine,"" sagte der Bruder mit bedauerndem Achselzucken; aber er dachte an Apollonius Heimkunft gegen seinen Rath, an den Ball, an die Berathung auf dem Kirchenboden, an seine Verdrängung von der Reparatur, an den ganzen Plan des Bruders, an das was davon ausgeführt, an das was noch auszuführen war. Er dachte daran, daß Apollonius eben an dem Letzteren arbeite, und wie viel darauf ankomme, seine nächste Absicht zu errathen und zu vereiteln. Apollonius sprach indeß fort und hatte keine Ahnung von dem,
7*
uns Alle denkſt; drum rede nur jovial vom Herzen weg, ich mach's auch ſo.““ Apollonius ließ die beab¬ ſichtigte Einleitung weg. Er hatte klug und vorſichtig ſein gelernt, aber klug und vorſichtig gegen einen Bruder ſein, hätte ihm Falſchheit geſchienen. Selbſt, hätte er die Falſchheit des Bruders gekannt, er wäre nicht auf deſſen Gedanken von den gleichen Waffen gekommen. Er hätte ſich ſeine Erfahrung als Täuſchung ausgeredet.
„Ich glaube, Fritz,“ begann er herzlich, „wir hätten anders gegeneinander ſein ſollen, als wir ſeither ge¬ weſen ſind.“ Er nahm aus Gutmüthigkeit die halbe Schuld auf ſich. Der Bruder ſchob ihm in Gedanken die ganze zu, und wollte jovial das Gegentheil ver¬ ſichern, als Apollonius fortfuhr. „Es war nicht zwiſchen uns, wie ſonſt, und wie es ſein ſollte. Die Urſache davon iſt, ſoviel ich weiß, nur der Widerwille deiner Frau gegen mich. Oder weißt du noch eine andere?“ „„Ich weiß keine,““ ſagte der Bruder mit bedauerndem Achſelzucken; aber er dachte an Apollonius Heimkunft gegen ſeinen Rath, an den Ball, an die Berathung auf dem Kirchenboden, an ſeine Verdrängung von der Reparatur, an den ganzen Plan des Bruders, an das was davon ausgeführt, an das was noch auszuführen war. Er dachte daran, daß Apollonius eben an dem Letzteren arbeite, und wie viel darauf ankomme, ſeine nächſte Abſicht zu errathen und zu vereiteln. Apollonius ſprach indeß fort und hatte keine Ahnung von dem,
7*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0108"n="99"/>
uns Alle denkſt; drum rede nur jovial vom Herzen<lb/>
weg, ich mach's auch ſo.““ Apollonius ließ die beab¬<lb/>ſichtigte Einleitung weg. Er hatte klug und vorſichtig<lb/>ſein gelernt, aber klug und vorſichtig gegen einen Bruder<lb/>ſein, hätte ihm Falſchheit geſchienen. Selbſt, hätte er<lb/>
die Falſchheit des Bruders gekannt, er wäre nicht auf<lb/>
deſſen Gedanken von den gleichen Waffen gekommen.<lb/>
Er hätte ſich ſeine Erfahrung als Täuſchung ausgeredet.</p><lb/><p>„Ich glaube, Fritz,“ begann er herzlich, „wir hätten<lb/>
anders gegeneinander ſein ſollen, als wir ſeither ge¬<lb/>
weſen ſind.“ Er nahm aus Gutmüthigkeit die halbe<lb/>
Schuld auf ſich. Der Bruder ſchob ihm in Gedanken<lb/>
die ganze zu, und wollte jovial das Gegentheil ver¬<lb/>ſichern, als Apollonius fortfuhr. „Es war nicht zwiſchen<lb/>
uns, wie ſonſt, und wie es ſein ſollte. Die Urſache<lb/>
davon iſt, ſoviel ich weiß, nur der Widerwille deiner<lb/>
Frau gegen mich. Oder weißt du noch eine andere?“<lb/>„„Ich weiß keine,““ſagte der Bruder mit bedauerndem<lb/>
Achſelzucken; aber er dachte an Apollonius Heimkunft<lb/>
gegen ſeinen Rath, an den Ball, an die Berathung<lb/>
auf dem Kirchenboden, an ſeine Verdrängung von der<lb/>
Reparatur, an den ganzen Plan des Bruders, an das<lb/>
was davon ausgeführt, an das was noch auszuführen<lb/>
war. Er dachte daran, daß Apollonius eben an dem<lb/>
Letzteren arbeite, und wie viel darauf ankomme, ſeine<lb/>
nächſte Abſicht zu errathen und zu vereiteln. Apollonius<lb/>ſprach indeß fort und hatte keine Ahnung von dem,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">7*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[99/0108]
uns Alle denkſt; drum rede nur jovial vom Herzen
weg, ich mach's auch ſo.““ Apollonius ließ die beab¬
ſichtigte Einleitung weg. Er hatte klug und vorſichtig
ſein gelernt, aber klug und vorſichtig gegen einen Bruder
ſein, hätte ihm Falſchheit geſchienen. Selbſt, hätte er
die Falſchheit des Bruders gekannt, er wäre nicht auf
deſſen Gedanken von den gleichen Waffen gekommen.
Er hätte ſich ſeine Erfahrung als Täuſchung ausgeredet.
„Ich glaube, Fritz,“ begann er herzlich, „wir hätten
anders gegeneinander ſein ſollen, als wir ſeither ge¬
weſen ſind.“ Er nahm aus Gutmüthigkeit die halbe
Schuld auf ſich. Der Bruder ſchob ihm in Gedanken
die ganze zu, und wollte jovial das Gegentheil ver¬
ſichern, als Apollonius fortfuhr. „Es war nicht zwiſchen
uns, wie ſonſt, und wie es ſein ſollte. Die Urſache
davon iſt, ſoviel ich weiß, nur der Widerwille deiner
Frau gegen mich. Oder weißt du noch eine andere?“
„„Ich weiß keine,““ ſagte der Bruder mit bedauerndem
Achſelzucken; aber er dachte an Apollonius Heimkunft
gegen ſeinen Rath, an den Ball, an die Berathung
auf dem Kirchenboden, an ſeine Verdrängung von der
Reparatur, an den ganzen Plan des Bruders, an das
was davon ausgeführt, an das was noch auszuführen
war. Er dachte daran, daß Apollonius eben an dem
Letzteren arbeite, und wie viel darauf ankomme, ſeine
nächſte Abſicht zu errathen und zu vereiteln. Apollonius
ſprach indeß fort und hatte keine Ahnung von dem,
7*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/108>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.