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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756.

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Tornesol
Droguisten in der Handlung gefüh-
ret werden. Man nennet nämlich
also 1) diejenigen blau gefärbten
Läppgen von Leinewand oder Cat-
tun, die mit dem Safte desjenigen
Gewächses gefärbet sind, das von
den Kräuterkennern Heliotropium
minus, Heliotropium tricoccum, He-
liotropium minus tricoccum, Heliotro-
pium vulgare,
und Tournesol Gallo-
rum
sive Plinii tricoccum,
fr. Tour-
nesol
oder Maurelle, genennet wird,
und nicht, wie man etwann aus dem
Namen schließen möchte, eine Gat-
tung der in unsern Gärten zu fin-
denden Sonnenblumen, sondern ei-
ne Gattung des von den Kräuter-
kennern so genannten Ricinoidos,
oder, wie die neuern Kräuterkenner
diese Art von Gewächsen getauft
haben, des Croton ist. Es wächst
nur in den warmen europäischen
Ländern, als in Jtalien, Spanien,
und den mittägigen Provinzen von
Frankreich, sonderlich in Langue-
doc, wo es an verschiedenen Orten,
vornehmlich um die Dörfer Massil-
largues, Lünel, und Gallargues,
allerseits in der Diöces von Nimes
gelegen, jährlich aus dem Saamen
gezeuget wird; bey uns aber will
es in den Gärten nicht recht arten,
ohngeachtet man es in denselben zu
ziehen gesucht hat. Nach der Be-
schreibung, die der Herr Nissolle in
den Mem. de l'Acad. Roy. des Sciences
1712 von diesem Gewächse gegeben
hat, so treibt solches aus einer
weißen, runden, und ziemlich ge-
rade gestreckten Wurzel einen run-
den Stengel oder Stiel, der sich in
verschiedene Aeste zertheilet. Sol-
cher ist mit blaßgrünen oder asch-
farbenen Blättern besetzt. Seine
Blüten sind gelb, in kleine Knospen
eingeschlossen, und bilden eine Art
von einer Traube. Einige unter den-
selben sind unfruchtbar, und ver-
trocknen so, wie die Traube wäch-
set. Andere hingegen sind frucht-
[Spaltenumbruch]
Tornesol
bar, und bringen Saamen, der in
3 Fächern eingeschlossen liegt. Ei-
nige Aerzte haben solches zur Hei-
lung verschiedener Krankheiten nütz-
lich zu seyn geglaubet; allein die
neuern Aerzte haben aus der Erfah-
rung gefunden, daß es der Arztney-
kunst eben keinen großen Nutzen
bringt. Der einzige Gebrauch, den
man also davon machen kann, besteht
demnach in der obgedachten blauen
Farbe, die man aus dessen Safte
erhält. Zu dem Ende werden im
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wächses abgeschnitten, auf einer
Mühle gemahlen, der Saft aus den-
selben ausgepreßt, in welchen so-
dann die Läppgen eingetunket, ge-
trocknet, ferner über den Dampf
der von einer hinlänglichen Menge
in Urin gelöschten Kalks aufsteigt,
so lange gehalten werden, bis sie
davon angefeuchtet werden, worauf
man sie abermals in den obgedach-
ten Saft eintunket, und nachdem sie
getrocknet sind, versendet. Man
bekömmt solche aus Venedig, Spa-
nien, und von den obgedachten Or-
ten in Frankreich, wo ein ziemlich
beträchtlicher Handel damit getrie-
ben wird, indem man sie in ver-
schiedene Länder von Europa, und
sonderlich nach Deutschland, Hol-
land und England verführet, wo man
sie sonderlich zu Färbung der Weine,
der Conditorwaaren und zum Malen
gebraucht. Pomet und einige an-
dere Schriftsteller behaupten, es
werde dieser Tornesol auch in Lion,
Auvergne und Holland gemacht; sie
scheinen aber solches ohne hinreichen-
den Grund zu sagen, weil das ob-
gedachte Gewächs, mit welchem die-
se Läppgen gefärbet werden, an kei-
nem von diesen Orten wächst: und
wenn man ja von daher Tornesol
entweder in Läppgen, oder in der
Gestalt eines Teiges, bekömmt
so muß solcher entweder mit einer
andern Droguerey, die man etwann

auf

[Spaltenumbruch]

Torneſol
Droguiſten in der Handlung gefuͤh-
ret werden. Man nennet naͤmlich
alſo 1) diejenigen blau gefaͤrbten
Laͤppgen von Leinewand oder Cat-
tun, die mit dem Safte desjenigen
Gewaͤchſes gefaͤrbet ſind, das von
den Kraͤuterkennern Heliotropium
minus, Heliotropium tricoccum, He-
liotropium minus tricoccum, Heliotro-
pium vulgare,
und Tourneſol Gallo-
rum
ſive Plinii tricoccum,
fr. Tour-
neſol
oder Maurelle, genennet wird,
und nicht, wie man etwann aus dem
Namen ſchließen moͤchte, eine Gat-
tung der in unſern Gaͤrten zu fin-
denden Sonnenblumen, ſondern ei-
ne Gattung des von den Kraͤuter-
kennern ſo genannten Ricinoidos,
oder, wie die neuern Kraͤuterkenner
dieſe Art von Gewaͤchſen getauft
haben, des Croton iſt. Es waͤchſt
nur in den warmen europaͤiſchen
Laͤndern, als in Jtalien, Spanien,
und den mittaͤgigen Provinzen von
Frankreich, ſonderlich in Langue-
doc, wo es an verſchiedenen Orten,
vornehmlich um die Doͤrfer Maſſil-
largues, Luͤnel, und Gallargues,
allerſeits in der Dioͤces von Nimes
gelegen, jaͤhrlich aus dem Saamen
gezeuget wird; bey uns aber will
es in den Gaͤrten nicht recht arten,
ohngeachtet man es in denſelben zu
ziehen geſucht hat. Nach der Be-
ſchreibung, die der Herr Niſſolle in
den Mem. de l’Acad. Roy. des Sciences
1712 von dieſem Gewaͤchſe gegeben
hat, ſo treibt ſolches aus einer
weißen, runden, und ziemlich ge-
rade geſtreckten Wurzel einen run-
den Stengel oder Stiel, der ſich in
verſchiedene Aeſte zertheilet. Sol-
cher iſt mit blaßgruͤnen oder aſch-
farbenen Blaͤttern beſetzt. Seine
Bluͤten ſind gelb, in kleine Knoſpen
eingeſchloſſen, und bilden eine Art
von einer Traube. Einige unter den-
ſelben ſind unfruchtbar, und ver-
trocknen ſo, wie die Traube waͤch-
ſet. Andere hingegen ſind frucht-
[Spaltenumbruch]
Torneſol
bar, und bringen Saamen, der in
3 Faͤchern eingeſchloſſen liegt. Ei-
nige Aerzte haben ſolches zur Hei-
lung verſchiedener Krankheiten nuͤtz-
lich zu ſeyn geglaubet; allein die
neuern Aerzte haben aus der Erfah-
rung gefunden, daß es der Arztney-
kunſt eben keinen großen Nutzen
bringt. Der einzige Gebrauch, den
man alſo davon machen kann, beſteht
demnach in der obgedachten blauen
Farbe, die man aus deſſen Safte
erhaͤlt. Zu dem Ende werden im
Monat Auguſt die Spitzen dieſes Ge-
waͤchſes abgeſchnitten, auf einer
Muͤhle gemahlen, der Saft aus den-
ſelben ausgepreßt, in welchen ſo-
dann die Laͤppgen eingetunket, ge-
trocknet, ferner uͤber den Dampf
der von einer hinlaͤnglichen Menge
in Urin geloͤſchten Kalks aufſteigt,
ſo lange gehalten werden, bis ſie
davon angefeuchtet werden, worauf
man ſie abermals in den obgedach-
ten Saft eintunket, und nachdem ſie
getrocknet ſind, verſendet. Man
bekoͤmmt ſolche aus Venedig, Spa-
nien, und von den obgedachten Or-
ten in Frankreich, wo ein ziemlich
betraͤchtlicher Handel damit getrie-
ben wird, indem man ſie in ver-
ſchiedene Laͤnder von Europa, und
ſonderlich nach Deutſchland, Hol-
land und England verfuͤhret, wo man
ſie ſonderlich zu Faͤrbung der Weine,
der Conditorwaaren und zum Malen
gebraucht. Pomet und einige an-
dere Schriftſteller behaupten, es
werde dieſer Torneſol auch in Lion,
Auvergne und Holland gemacht; ſie
ſcheinen aber ſolches ohne hinreichen-
den Grund zu ſagen, weil das ob-
gedachte Gewaͤchs, mit welchem die-
ſe Laͤppgen gefaͤrbet werden, an kei-
nem von dieſen Orten waͤchſt: und
wenn man ja von daher Torneſol
entweder in Laͤppgen, oder in der
Geſtalt eines Teiges, bekoͤmmt
ſo muß ſolcher entweder mit einer
andern Droguerey, die man etwann

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[[106]/0112] Torneſol Torneſol Droguiſten in der Handlung gefuͤh- ret werden. Man nennet naͤmlich alſo 1) diejenigen blau gefaͤrbten Laͤppgen von Leinewand oder Cat- tun, die mit dem Safte desjenigen Gewaͤchſes gefaͤrbet ſind, das von den Kraͤuterkennern Heliotropium minus, Heliotropium tricoccum, He- liotropium minus tricoccum, Heliotro- pium vulgare, und Tourneſol Gallo- rum ſive Plinii tricoccum, fr. Tour- neſol oder Maurelle, genennet wird, und nicht, wie man etwann aus dem Namen ſchließen moͤchte, eine Gat- tung der in unſern Gaͤrten zu fin- denden Sonnenblumen, ſondern ei- ne Gattung des von den Kraͤuter- kennern ſo genannten Ricinoidos, oder, wie die neuern Kraͤuterkenner dieſe Art von Gewaͤchſen getauft haben, des Croton iſt. Es waͤchſt nur in den warmen europaͤiſchen Laͤndern, als in Jtalien, Spanien, und den mittaͤgigen Provinzen von Frankreich, ſonderlich in Langue- doc, wo es an verſchiedenen Orten, vornehmlich um die Doͤrfer Maſſil- largues, Luͤnel, und Gallargues, allerſeits in der Dioͤces von Nimes gelegen, jaͤhrlich aus dem Saamen gezeuget wird; bey uns aber will es in den Gaͤrten nicht recht arten, ohngeachtet man es in denſelben zu ziehen geſucht hat. Nach der Be- ſchreibung, die der Herr Niſſolle in den Mem. de l’Acad. Roy. des Sciences 1712 von dieſem Gewaͤchſe gegeben hat, ſo treibt ſolches aus einer weißen, runden, und ziemlich ge- rade geſtreckten Wurzel einen run- den Stengel oder Stiel, der ſich in verſchiedene Aeſte zertheilet. Sol- cher iſt mit blaßgruͤnen oder aſch- farbenen Blaͤttern beſetzt. Seine Bluͤten ſind gelb, in kleine Knoſpen eingeſchloſſen, und bilden eine Art von einer Traube. Einige unter den- ſelben ſind unfruchtbar, und ver- trocknen ſo, wie die Traube waͤch- ſet. Andere hingegen ſind frucht- bar, und bringen Saamen, der in 3 Faͤchern eingeſchloſſen liegt. Ei- nige Aerzte haben ſolches zur Hei- lung verſchiedener Krankheiten nuͤtz- lich zu ſeyn geglaubet; allein die neuern Aerzte haben aus der Erfah- rung gefunden, daß es der Arztney- kunſt eben keinen großen Nutzen bringt. Der einzige Gebrauch, den man alſo davon machen kann, beſteht demnach in der obgedachten blauen Farbe, die man aus deſſen Safte erhaͤlt. Zu dem Ende werden im Monat Auguſt die Spitzen dieſes Ge- waͤchſes abgeſchnitten, auf einer Muͤhle gemahlen, der Saft aus den- ſelben ausgepreßt, in welchen ſo- dann die Laͤppgen eingetunket, ge- trocknet, ferner uͤber den Dampf der von einer hinlaͤnglichen Menge in Urin geloͤſchten Kalks aufſteigt, ſo lange gehalten werden, bis ſie davon angefeuchtet werden, worauf man ſie abermals in den obgedach- ten Saft eintunket, und nachdem ſie getrocknet ſind, verſendet. Man bekoͤmmt ſolche aus Venedig, Spa- nien, und von den obgedachten Or- ten in Frankreich, wo ein ziemlich betraͤchtlicher Handel damit getrie- ben wird, indem man ſie in ver- ſchiedene Laͤnder von Europa, und ſonderlich nach Deutſchland, Hol- land und England verfuͤhret, wo man ſie ſonderlich zu Faͤrbung der Weine, der Conditorwaaren und zum Malen gebraucht. Pomet und einige an- dere Schriftſteller behaupten, es werde dieſer Torneſol auch in Lion, Auvergne und Holland gemacht; ſie ſcheinen aber ſolches ohne hinreichen- den Grund zu ſagen, weil das ob- gedachte Gewaͤchs, mit welchem die- ſe Laͤppgen gefaͤrbet werden, an kei- nem von dieſen Orten waͤchſt: und wenn man ja von daher Torneſol entweder in Laͤppgen, oder in der Geſtalt eines Teiges, bekoͤmmt ſo muß ſolcher entweder mit einer andern Droguerey, die man etwann auf

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Zitationshilfe: Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. [106]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/112>, abgerufen am 24.11.2024.