Diß alles müssen Kinder und junge Leute se- hen, und wahrnehmen, wie ihre Eltern und andere den empfangenen Saamen des Evangelii durch be- sagte bösen Sonntags-Gewohnheiten zertretten, und solches zu thun sich gefreyet achten: Es ma- chet darum ein Kind leicht den Schluß und den- cket: "Jch meynte, Sauffen, Kegeln, Spielen," Schertzen, Schiessen wäre keine Sonntags-Ar-" beit: Weil es aber meine Eltern und andere so" ungescheuet als ungestrafft thun, ja zum letztern" gar durch Obrigkeitlichen Befehl genöthiget wer-" den; so wird es mir auch keine Sünde seyn," mein Kinder-Spiel zu treiben und meine Kurtz-" weil zu haben." Daher kommt es dann, daß die Jungen es kein Haar besser machen, als die Al- ten, die Kinder ihren Jugend-Lüsten zur Ausübung allerley kindischen Muthwillens dem freyen Lauff lassen, die erwachsenen Knaben aber entweder auf den Spiel-und Kegel-Platz lauffen, oder beyderley Ge- schlecht bey dem Wein schädliche Bekanntschafft und Vertraulichkeit zusammen machen, den Leib und Gemüth mit Getränck erhitzen, und die unrei- nen Lüste und Begierden vorsetzlich und mit allem Fleiß gleichsam in volle Flammen setzen, mithin um der alt-hergebrachten Gewohnheit willen alle Frey- heit dazu zu haben sich bereden.
2) Das an vielen Orten zur Mode gewordene Tantzen an hochzeitlichen Freuden-An- lässen: Worüber viele gewiß strenger als über alle göttliche Gebote halten, und die nicht mitma- chen, höhnisch auslachen. Allein neben dem, daß bey solcher Eitelkeit die Wichtigkeit des Hochzeit-
Tages
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der Verfuͤhrung der Jugend.
Diß alles muͤſſen Kinder und junge Leute ſe- hen, und wahrnehmen, wie ihre Eltern und andere den empfangenen Saamen des Evangelii durch be- ſagte boͤſen Sonntags-Gewohnheiten zertretten, und ſolches zu thun ſich gefreyet achten: Es ma- chet darum ein Kind leicht den Schluß und den- cket: „Jch meynte, Sauffen, Kegeln, Spielen,“ Schertzen, Schieſſen waͤre keine Sonntags-Ar-“ beit: Weil es aber meine Eltern und andere ſo“ ungeſcheuet als ungeſtrafft thun, ja zum letztern“ gar durch Obrigkeitlichen Befehl genoͤthiget wer-“ den; ſo wird es mir auch keine Suͤnde ſeyn,“ mein Kinder-Spiel zu treiben und meine Kurtz-“ weil zu haben.‟ Daher kommt es dann, daß die Jungen es kein Haar beſſer machen, als die Al- ten, die Kinder ihren Jugend-Luͤſten zur Ausuͤbung allerley kindiſchen Muthwillens dem freyen Lauff laſſen, die erwachſenen Knaben aber entweder auf den Spiel-und Kegel-Platz lauffen, oder beyderley Ge- ſchlecht bey dem Wein ſchaͤdliche Bekanntſchafft und Vertraulichkeit zuſammen machen, den Leib und Gemuͤth mit Getraͤnck erhitzen, und die unrei- nen Luͤſte und Begierden vorſetzlich und mit allem Fleiß gleichſam in volle Flammen ſetzen, mithin um der alt-hergebrachten Gewohnheit willen alle Frey- heit dazu zu haben ſich bereden.
2) Das an vielen Orten zur Mode gewordene Tantzen an hochzeitlichen Freuden-An- laͤſſen: Woruͤber viele gewiß ſtrenger als uͤber alle goͤttliche Gebote halten, und die nicht mitma- chen, hoͤhniſch auslachen. Allein neben dem, daß bey ſolcher Eitelkeit die Wichtigkeit des Hochzeit-
Tages
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der Verfuͤhrung der Jugend.
Diß alles muͤſſen Kinder und junge Leute ſe-
hen, und wahrnehmen, wie ihre Eltern und andere
den empfangenen Saamen des Evangelii durch be-
ſagte boͤſen Sonntags-Gewohnheiten zertretten,
und ſolches zu thun ſich gefreyet achten: Es ma-
chet darum ein Kind leicht den Schluß und den-
cket: „Jch meynte, Sauffen, Kegeln, Spielen,“
Schertzen, Schieſſen waͤre keine Sonntags-Ar-“
beit: Weil es aber meine Eltern und andere ſo“
ungeſcheuet als ungeſtrafft thun, ja zum letztern“
gar durch Obrigkeitlichen Befehl genoͤthiget wer-“
den; ſo wird es mir auch keine Suͤnde ſeyn,“
mein Kinder-Spiel zu treiben und meine Kurtz-“
weil zu haben.‟ Daher kommt es dann, daß
die Jungen es kein Haar beſſer machen, als die Al-
ten, die Kinder ihren Jugend-Luͤſten zur Ausuͤbung
allerley kindiſchen Muthwillens dem freyen Lauff
laſſen, die erwachſenen Knaben aber entweder auf den
Spiel-und Kegel-Platz lauffen, oder beyderley Ge-
ſchlecht bey dem Wein ſchaͤdliche Bekanntſchafft
und Vertraulichkeit zuſammen machen, den Leib
und Gemuͤth mit Getraͤnck erhitzen, und die unrei-
nen Luͤſte und Begierden vorſetzlich und mit allem
Fleiß gleichſam in volle Flammen ſetzen, mithin um
der alt-hergebrachten Gewohnheit willen alle Frey-
heit dazu zu haben ſich bereden.
2) Das an vielen Orten zur Mode gewordene
Tantzen an hochzeitlichen Freuden-An-
laͤſſen: Woruͤber viele gewiß ſtrenger als uͤber
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/403>, abgerufen am 25.11.2024.
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