men, es wäre nur schad um das schöne Kleinod, wann es in so wü- ste, aussätzige Hände gerathen sollte, aber das wird GOTT nicht geschehen lassen, darum will ich nur nicht daran gedencken, ich weiß wohl daß JESUS ein überaus herrliches Gut ist, und daß ich nicht könnte glückseeliger seyn oder werden in Zeit und Ewigkeit, als wann ich ihn haben und auch mit meinem Geist im Schlaff mit ihm umgehen könnte, wie es denenjenigen widerfahret, welche den Heiligen Geist des Lebens und der Kindschafft aus Christo haben empfangen, daß sie auch unter der Arbeit und schlaffend mit JEsu gar freundliche Gespräch halten, und ohne Bemühung süßiglich Tag und Nacht zu ihm gezogen werden, aber das sind andere Men- schen als ich, sie sind himmlisch, und von GOTT mit dem Heiligen Geist versieglet, gereiniget, und mit seiner liebreichesten Gegenwart begnadiget, ich aber bin gantz irrdisch, fleischlich, stecke im Koth, bin unter die Sünde verkaufft; Es wäre also ein vermessener Hoch- muth in mir, wann ich dürrer Stock und unfruchtbarer Dornstrauch solch höchst-seeliges Wesen und Leben hoffen wollte. Du plagst mich nur darmit, je mehr du mir die Seeligkeit der geheimen Freun- den Christi anrühmest. Ach wäre es vor mich, wie hertzlich froh wä- re ich! Aber ich weiß wohl, wie es Christus gewohnt ist, und was seine Heiligkeit erforderet, da er in die Welt kame, mußte ihn ein geheiligter jungfräulicher Leib empfangen, ja selbst sein verblichener Leichnam mußte in reinen Leinwat eingewicklet und in ein neues Grab gelegt werden, mit köstlichen Oelen und Wasseren begossen, mit Balsam, Myrrhen und Aloe angestrichen werden; Hingegen ist bey mir nichts als Gestanck der Fleisches-Lüsten und häßliche Würme krie- chender, ausschweiffender Gedancken und eiteler Begierden, daß mich billich alle Heilige Engel und Glaubige ausweichen, und die Nasen vor mir zuhalten; Jch weiß nur nicht einmahl was Heili- gung ist, will geschweigen, daß ich nur den geringsten Anfang da- von habe, ich liebe weder GOTT noch Menschen, ich meyne und suche nur mich selbst in allem, du kanst jetzt leicht erachten, ob ich einen Besitzer dieser höchst-edlen, theuren Perl abgeben könne; Jch weiß auch wohl, was ich thun müßte sie zu bekommen, aber ich hab weder Krafft noch beständigen Trieb darzu, ich glaube, zu der und der Zeit seye ich zimlich nahe darbey gewesen, aber da habe ich mein
Heyl
T t t t t 3
uͤber die himmliſche Perle.
men, es waͤre nur ſchad um das ſchoͤne Kleinod, wann es in ſo wuͤ- ſte, ausſaͤtzige Haͤnde gerathen ſollte, aber das wird GOTT nicht geſchehen laſſen, darum will ich nur nicht daran gedencken, ich weiß wohl daß JESUS ein uͤberaus herrliches Gut iſt, und daß ich nicht koͤnnte gluͤckſeeliger ſeyn oder werden in Zeit und Ewigkeit, als wann ich ihn haben und auch mit meinem Geiſt im Schlaff mit ihm umgehen koͤnnte, wie es denenjenigen widerfahret, welche den Heiligen Geiſt des Lebens und der Kindſchafft aus Chriſto haben empfangen, daß ſie auch unter der Arbeit und ſchlaffend mit JEſu gar freundliche Geſpraͤch halten, und ohne Bemuͤhung ſuͤßiglich Tag und Nacht zu ihm gezogen werden, aber das ſind andere Men- ſchen als ich, ſie ſind himmliſch, und von GOTT mit dem Heiligen Geiſt verſieglet, gereiniget, und mit ſeiner liebreicheſten Gegenwart begnadiget, ich aber bin gantz irrdiſch, fleiſchlich, ſtecke im Koth, bin unter die Suͤnde verkaufft; Es waͤre alſo ein vermeſſener Hoch- muth in mir, wann ich duͤrrer Stock und unfruchtbarer Dornſtrauch ſolch hoͤchſt-ſeeliges Weſen und Leben hoffen wollte. Du plagſt mich nur darmit, je mehr du mir die Seeligkeit der geheimen Freun- den Chriſti anruͤhmeſt. Ach waͤre es vor mich, wie hertzlich froh waͤ- re ich! Aber ich weiß wohl, wie es Chriſtus gewohnt iſt, und was ſeine Heiligkeit erforderet, da er in die Welt kame, mußte ihn ein geheiligter jungfraͤulicher Leib empfangen, ja ſelbſt ſein verblichener Leichnam mußte in reinen Leinwat eingewicklet und in ein neues Grab gelegt werden, mit koͤſtlichen Oelen und Waſſeren begoſſen, mit Balſam, Myrrhen und Aloe angeſtrichen werden; Hingegen iſt bey mir nichts als Geſtanck der Fleiſches-Luͤſten und haͤßliche Wuͤrme krie- chender, ausſchweiffender Gedancken und eiteler Begierden, daß mich billich alle Heilige Engel und Glaubige ausweichen, und die Naſen vor mir zuhalten; Jch weiß nur nicht einmahl was Heili- gung iſt, will geſchweigen, daß ich nur den geringſten Anfang da- von habe, ich liebe weder GOTT noch Menſchen, ich meyne und ſuche nur mich ſelbſt in allem, du kanſt jetzt leicht erachten, ob ich einen Beſitzer dieſer hoͤchſt-edlen, theuren Perl abgeben koͤnne; Jch weiß auch wohl, was ich thun muͤßte ſie zu bekommen, aber ich hab weder Krafft noch beſtaͤndigen Trieb darzu, ich glaube, zu der und der Zeit ſeye ich zimlich nahe darbey geweſen, aber da habe ich mein
Heyl
T t t t t 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0981"n="885"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">uͤber die himmliſche Perle.</hi></fw><lb/>
men, es waͤre nur ſchad um das ſchoͤne Kleinod, wann es in ſo wuͤ-<lb/>ſte, ausſaͤtzige Haͤnde gerathen ſollte, aber das wird GOTT nicht<lb/>
geſchehen laſſen, darum will ich nur nicht daran gedencken, ich<lb/>
weiß wohl daß JESUS ein uͤberaus herrliches Gut iſt, und daß<lb/>
ich nicht koͤnnte gluͤckſeeliger ſeyn oder werden in Zeit und Ewigkeit,<lb/>
als wann ich ihn haben und auch mit meinem Geiſt im Schlaff mit<lb/>
ihm umgehen koͤnnte, wie es denenjenigen widerfahret, welche den<lb/>
Heiligen Geiſt des Lebens und der Kindſchafft aus Chriſto haben<lb/>
empfangen, daß ſie auch unter der Arbeit und ſchlaffend mit JEſu<lb/>
gar freundliche Geſpraͤch halten, und ohne Bemuͤhung ſuͤßiglich<lb/>
Tag und Nacht zu ihm gezogen werden, aber das ſind andere Men-<lb/>ſchen als ich, ſie ſind himmliſch, und von GOTT mit dem Heiligen<lb/>
Geiſt verſieglet, gereiniget, und mit ſeiner liebreicheſten Gegenwart<lb/>
begnadiget, ich aber bin gantz irrdiſch, fleiſchlich, ſtecke im Koth,<lb/>
bin unter die Suͤnde verkaufft; Es waͤre alſo ein vermeſſener Hoch-<lb/>
muth in mir, wann ich duͤrrer Stock und unfruchtbarer Dornſtrauch<lb/>ſolch hoͤchſt-ſeeliges Weſen und Leben hoffen wollte. Du plagſt<lb/>
mich nur darmit, je mehr du mir die Seeligkeit der geheimen Freun-<lb/>
den Chriſti anruͤhmeſt. Ach waͤre es vor mich, wie hertzlich froh waͤ-<lb/>
re ich! Aber ich weiß wohl, wie es Chriſtus gewohnt iſt, und was<lb/>ſeine Heiligkeit erforderet, da er in die Welt kame, mußte ihn ein<lb/>
geheiligter jungfraͤulicher Leib empfangen, ja ſelbſt ſein verblichener<lb/>
Leichnam mußte in reinen Leinwat eingewicklet und in ein neues Grab<lb/>
gelegt werden, mit koͤſtlichen Oelen und Waſſeren begoſſen, mit<lb/>
Balſam, Myrrhen und Aloe angeſtrichen werden; Hingegen iſt bey<lb/>
mir nichts als Geſtanck der Fleiſches-Luͤſten und haͤßliche Wuͤrme krie-<lb/>
chender, ausſchweiffender Gedancken und eiteler Begierden, daß<lb/>
mich billich alle Heilige Engel und Glaubige ausweichen, und die<lb/>
Naſen vor mir zuhalten; Jch weiß nur nicht einmahl was Heili-<lb/>
gung iſt, will geſchweigen, daß ich nur den geringſten Anfang da-<lb/>
von habe, ich liebe weder GOTT noch Menſchen, ich meyne und<lb/>ſuche nur mich ſelbſt in allem, du kanſt jetzt leicht erachten, ob ich<lb/>
einen Beſitzer dieſer hoͤchſt-edlen, theuren Perl abgeben koͤnne;<lb/>
Jch weiß auch wohl, was ich thun muͤßte ſie zu bekommen, aber ich<lb/>
hab weder Krafft noch beſtaͤndigen Trieb darzu, ich glaube, zu der und<lb/>
der Zeit ſeye ich zimlich nahe darbey geweſen, aber da habe ich mein<lb/><fwplace="bottom"type="sig">T t t t t 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Heyl</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[885/0981]
uͤber die himmliſche Perle.
men, es waͤre nur ſchad um das ſchoͤne Kleinod, wann es in ſo wuͤ-
ſte, ausſaͤtzige Haͤnde gerathen ſollte, aber das wird GOTT nicht
geſchehen laſſen, darum will ich nur nicht daran gedencken, ich
weiß wohl daß JESUS ein uͤberaus herrliches Gut iſt, und daß
ich nicht koͤnnte gluͤckſeeliger ſeyn oder werden in Zeit und Ewigkeit,
als wann ich ihn haben und auch mit meinem Geiſt im Schlaff mit
ihm umgehen koͤnnte, wie es denenjenigen widerfahret, welche den
Heiligen Geiſt des Lebens und der Kindſchafft aus Chriſto haben
empfangen, daß ſie auch unter der Arbeit und ſchlaffend mit JEſu
gar freundliche Geſpraͤch halten, und ohne Bemuͤhung ſuͤßiglich
Tag und Nacht zu ihm gezogen werden, aber das ſind andere Men-
ſchen als ich, ſie ſind himmliſch, und von GOTT mit dem Heiligen
Geiſt verſieglet, gereiniget, und mit ſeiner liebreicheſten Gegenwart
begnadiget, ich aber bin gantz irrdiſch, fleiſchlich, ſtecke im Koth,
bin unter die Suͤnde verkaufft; Es waͤre alſo ein vermeſſener Hoch-
muth in mir, wann ich duͤrrer Stock und unfruchtbarer Dornſtrauch
ſolch hoͤchſt-ſeeliges Weſen und Leben hoffen wollte. Du plagſt
mich nur darmit, je mehr du mir die Seeligkeit der geheimen Freun-
den Chriſti anruͤhmeſt. Ach waͤre es vor mich, wie hertzlich froh waͤ-
re ich! Aber ich weiß wohl, wie es Chriſtus gewohnt iſt, und was
ſeine Heiligkeit erforderet, da er in die Welt kame, mußte ihn ein
geheiligter jungfraͤulicher Leib empfangen, ja ſelbſt ſein verblichener
Leichnam mußte in reinen Leinwat eingewicklet und in ein neues Grab
gelegt werden, mit koͤſtlichen Oelen und Waſſeren begoſſen, mit
Balſam, Myrrhen und Aloe angeſtrichen werden; Hingegen iſt bey
mir nichts als Geſtanck der Fleiſches-Luͤſten und haͤßliche Wuͤrme krie-
chender, ausſchweiffender Gedancken und eiteler Begierden, daß
mich billich alle Heilige Engel und Glaubige ausweichen, und die
Naſen vor mir zuhalten; Jch weiß nur nicht einmahl was Heili-
gung iſt, will geſchweigen, daß ich nur den geringſten Anfang da-
von habe, ich liebe weder GOTT noch Menſchen, ich meyne und
ſuche nur mich ſelbſt in allem, du kanſt jetzt leicht erachten, ob ich
einen Beſitzer dieſer hoͤchſt-edlen, theuren Perl abgeben koͤnne;
Jch weiß auch wohl, was ich thun muͤßte ſie zu bekommen, aber ich
hab weder Krafft noch beſtaͤndigen Trieb darzu, ich glaube, zu der und
der Zeit ſeye ich zimlich nahe darbey geweſen, aber da habe ich mein
Heyl
T t t t t 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 885. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/981>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.