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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Jämmerlicher Abscheid
chen Anklopffungen zurück von ihm, nach so vielen groben Tracta-
menten und Beschimpffungen die er für alle seine Gnaden-volle Erin-
nerungen und Warnungen von ihm empfangen, und übergabe ihn der
Raach Hand seines Vatters, der es zu fordern getröht hat von einer
jeglichen Seel die JEsum den grösten Propheten nicht hören werd!
die Gnaden-Sonne war untergangen und die Nacht eingebrochen,
da niemand mehr würcken kan, Reden und Gebärden zeigten überall
an, daß nichts bey ihm übrig ware, als ein schröcklich Warten des Ge-
richts und des Feuer-Eyfers, der die Wiederwärtigen verzehret, sein
Angesicht sahe aus als eines Menschen aus der Hölle, daß er den Um-
stehenden ein Schrecken und Grausen einjagte, seine Augen starreten
gräßlich als eines Rasenden und Verzweiffelten, die Welt war ihm
zu eng, sein Höllen-Angst und Bangigkeit ware so groß daß er auch
seinen leiblichen Schmertzen und herannahenden Tod nicht merckte,
an GOtt dörffte er nun nicht mehr gedencken, dann Er ware ihm zum
Richter worden; und offenbahrete sich in seinem Gewissen rechtschaf-
fen, als ein verzehrend Feuer: Um Gnad zu bitten, achtete er umsonst
zu seyn, weil er die Thür verschlossen zu seyn befand, obschon er sei-
ner Verdammnuß vergwüßeret ware, und nichts anderst von sich hö-
ren ließ, als Worte eines Verzweiffleten, darum er auf der Welt
nichts so sehr wünschte als GOtt zu entfliehen, oder sich vor Jhm
unter die Berge zu verbergen, so ware er doch nicht so kühn, daß er
GOtt um Verlängerung seines Lebens gebetten hätte; wohl hätte er
seinen gantzen Leib lassen stümmlen, wann nur die Seel nicht in die E-
wigkeit hinwanderen und vor GOtt erscheinen müßte, aber da war
kein Entrinnen mehr, das Termin ware verflossen, und das Stund-
Glaß ausgeloffen, und die Trompete des Ertz-Engels forderte ihn
für den Richterstuhl, Rechenschafft zu geben, so vieler übel angewen-
deten Heyls-Mittlen und zertrettenen Gnaden, er sahe seine inn-
wendige grosse Verdorbenheit und scheutzliche Gestalt seiner Seelen,
die er vom Artzt JEsu heylen zu lassen versaumbt. Jn dem er seine
Lust und Sünden lieber gehabt als den Balsam des Bluts und Gei-
Das Ge-
bett eines
seiner
frommen
Freunden
prallte
zurück.
stes Christi des Heylands, die Paulo so erwünschte Gemeinschafft
seines Tods und Aufferstehung, diese so Heyls-Verschmächte Wun-
der-Cur schmertzte ihn am meisten.

§. 4. Bedencklich ist, da einem seiner Freunden in Sinn kam,
vor ihne (den Sterbenden) zu betten, da prallete ihm sein Gebett

mit

Jaͤmmerlicher Abſcheid
chen Anklopffungen zuruͤck von ihm, nach ſo vielen groben Tracta-
menten und Beſchimpffungen die er fuͤr alle ſeine Gnaden-volle Erin-
nerungen und Warnungen von ihm empfangen, und uͤbergabe ihn der
Raach Hand ſeines Vatters, der es zu fordern getroͤht hat von einer
jeglichen Seel die JEſum den groͤſten Propheten nicht hoͤren werd!
die Gnaden-Sonne war untergangen und die Nacht eingebrochen,
da niemand mehr wuͤrcken kan, Reden und Gebaͤrden zeigten uͤberall
an, daß nichts bey ihm uͤbrig ware, als ein ſchroͤcklich Warten des Ge-
richts und des Feuer-Eyfers, der die Wiederwaͤrtigen verzehret, ſein
Angeſicht ſahe aus als eines Menſchen aus der Hoͤlle, daß er den Um-
ſtehenden ein Schrecken und Grauſen einjagte, ſeine Augen ſtarreten
graͤßlich als eines Raſenden und Verzweiffelten, die Welt war ihm
zu eng, ſein Hoͤllen-Angſt und Bangigkeit ware ſo groß daß er auch
ſeinen leiblichen Schmertzen und herannahenden Tod nicht merckte,
an GOtt doͤrffte er nun nicht mehr gedencken, dann Er ware ihm zum
Richter worden; und offenbahrete ſich in ſeinem Gewiſſen rechtſchaf-
fen, als ein verzehrend Feuer: Um Gnad zu bitten, achtete er umſonſt
zu ſeyn, weil er die Thuͤr verſchloſſen zu ſeyn befand, obſchon er ſei-
ner Verdammnuß vergwuͤßeret ware, und nichts anderſt von ſich hoͤ-
ren ließ, als Worte eines Verzweiffleten, darum er auf der Welt
nichts ſo ſehr wuͤnſchte als GOtt zu entfliehen, oder ſich vor Jhm
unter die Berge zu verbergen, ſo ware er doch nicht ſo kuͤhn, daß er
GOtt um Verlaͤngerung ſeines Lebens gebetten haͤtte; wohl haͤtte er
ſeinen gantzen Leib laſſen ſtuͤmmlen, wann nur die Seel nicht in die E-
wigkeit hinwanderen und vor GOtt erſcheinen muͤßte, aber da war
kein Entrinnen mehr, das Termin ware verfloſſen, und das Stund-
Glaß ausgeloffen, und die Trompete des Ertz-Engels forderte ihn
fuͤr den Richterſtuhl, Rechenſchafft zu geben, ſo vieler uͤbel angewen-
deten Heyls-Mittlen und zertrettenen Gnaden, er ſahe ſeine inn-
wendige groſſe Verdorbenheit und ſcheutzliche Geſtalt ſeiner Seelen,
die er vom Artzt JEſu heylen zu laſſen verſaumbt. Jn dem er ſeine
Luſt und Suͤnden lieber gehabt als den Balſam des Bluts und Gei-
Das Ge-
bett eines
ſeiner
frommen
Freunden
prallte
zuruͤck.
ſtes Chriſti des Heylands, die Paulo ſo erwuͤnſchte Gemeinſchafft
ſeines Tods und Aufferſtehung, dieſe ſo Heyls-Verſchmaͤchte Wun-
der-Cur ſchmertzte ihn am meiſten.

§. 4. Bedencklich iſt, da einem ſeiner Freunden in Sinn kam,
vor ihne (den Sterbenden) zu betten, da prallete ihm ſein Gebett

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[668/0764] Jaͤmmerlicher Abſcheid chen Anklopffungen zuruͤck von ihm, nach ſo vielen groben Tracta- menten und Beſchimpffungen die er fuͤr alle ſeine Gnaden-volle Erin- nerungen und Warnungen von ihm empfangen, und uͤbergabe ihn der Raach Hand ſeines Vatters, der es zu fordern getroͤht hat von einer jeglichen Seel die JEſum den groͤſten Propheten nicht hoͤren werd! die Gnaden-Sonne war untergangen und die Nacht eingebrochen, da niemand mehr wuͤrcken kan, Reden und Gebaͤrden zeigten uͤberall an, daß nichts bey ihm uͤbrig ware, als ein ſchroͤcklich Warten des Ge- richts und des Feuer-Eyfers, der die Wiederwaͤrtigen verzehret, ſein Angeſicht ſahe aus als eines Menſchen aus der Hoͤlle, daß er den Um- ſtehenden ein Schrecken und Grauſen einjagte, ſeine Augen ſtarreten graͤßlich als eines Raſenden und Verzweiffelten, die Welt war ihm zu eng, ſein Hoͤllen-Angſt und Bangigkeit ware ſo groß daß er auch ſeinen leiblichen Schmertzen und herannahenden Tod nicht merckte, an GOtt doͤrffte er nun nicht mehr gedencken, dann Er ware ihm zum Richter worden; und offenbahrete ſich in ſeinem Gewiſſen rechtſchaf- fen, als ein verzehrend Feuer: Um Gnad zu bitten, achtete er umſonſt zu ſeyn, weil er die Thuͤr verſchloſſen zu ſeyn befand, obſchon er ſei- ner Verdammnuß vergwuͤßeret ware, und nichts anderſt von ſich hoͤ- ren ließ, als Worte eines Verzweiffleten, darum er auf der Welt nichts ſo ſehr wuͤnſchte als GOtt zu entfliehen, oder ſich vor Jhm unter die Berge zu verbergen, ſo ware er doch nicht ſo kuͤhn, daß er GOtt um Verlaͤngerung ſeines Lebens gebetten haͤtte; wohl haͤtte er ſeinen gantzen Leib laſſen ſtuͤmmlen, wann nur die Seel nicht in die E- wigkeit hinwanderen und vor GOtt erſcheinen muͤßte, aber da war kein Entrinnen mehr, das Termin ware verfloſſen, und das Stund- Glaß ausgeloffen, und die Trompete des Ertz-Engels forderte ihn fuͤr den Richterſtuhl, Rechenſchafft zu geben, ſo vieler uͤbel angewen- deten Heyls-Mittlen und zertrettenen Gnaden, er ſahe ſeine inn- wendige groſſe Verdorbenheit und ſcheutzliche Geſtalt ſeiner Seelen, die er vom Artzt JEſu heylen zu laſſen verſaumbt. Jn dem er ſeine Luſt und Suͤnden lieber gehabt als den Balſam des Bluts und Gei- ſtes Chriſti des Heylands, die Paulo ſo erwuͤnſchte Gemeinſchafft ſeines Tods und Aufferſtehung, dieſe ſo Heyls-Verſchmaͤchte Wun- der-Cur ſchmertzte ihn am meiſten. Das Ge- bett eines ſeiner frommen Freunden prallte zuruͤck. §. 4. Bedencklich iſt, da einem ſeiner Freunden in Sinn kam, vor ihne (den Sterbenden) zu betten, da prallete ihm ſein Gebett mit

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/764>, abgerufen am 23.11.2024.