Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Weyhnachts-Gedancken.
pel von unseren gähen Felsen-Schropfen und hohen Gletscheren herun-
ter ziehen in seinen göttlichen Paradieß-Garten und Himmelreich!
O daß wir nur stäts bey ihm wären, jetzt im Stall, dann im Tempel,
am Jordan, in der Wüsten, in seinem gemieteten Häußgen, da er im
Zins war zu Capernaum, im Schiff, am See, auf dem Oelberg,
im Richthauß, auf der Schädelstatt, bey seiner Himmelfahrt; da
man an allen denen Orten, auch wann er über die Gassen gienge zu Je-
rusalem, mit Fingern auf ihn zeigen könnte und sagen: siehe da ist un-
ser GOtt, der wird uns Heyl schaffen! da es alles dem Glauben so
lieblich und lebendig eingepräget wird, als wandlete man würcklich
mit ihm im Land Canaan herum. Du must mit GOttes Sohn eine
so hertzlich vertraute Freundschafft pflegen, dich so innig zu ihme gewoh-
nen, so viele freundliche Hertzens Gespräch mit ihm halten; daß wann
du in Himmel kommst, und des HErren ansichtig wirst, es dir nicht an-
derst zu Muth sey, als du seyest jetzt daheim bey den lieben Deinigen,
bey JEsu deinem liebsten Bruder und theuersten Hertzens-Freund; al-
so daß dir des Vatters Wohnungen gar nicht fremde vorkommen als
seyest an einem fremden Ort, da es dir was ungewohnt thue, sondern
bey deinem allergetreusten Vatter und Heyland, mit dem du schon viele
Jahre in so guter Bekandtschafft gelebt als kein Kind mit seinem irrdi-
schen Vatter und erst-gebohrnen lieben Bruder.

Die Mit-
tel wor-
durch man
die Ein-
wohnung
JEsu er-
langen,

§. 9. Ey! sagst du: ach hätte ich ihn nur bey mir, ich wollte gern al-
les vor ihn ausstehen! ach könnte ich nur ein Füncklein Hoffnung fas-
sen, daß er bald käme! es ist nie kein Mensch gebohren, der seiner mehr
vonnöthen hätte als eben ich. Antw. GOtt der Vatter hat ihn schon
gegeben a, es ist seine Lust dir Guts zu thun; Der Hohe und Erhabene,
der in der Ewigkeit wohnet, dessen Nahme heilig ist, der ist so gerne bey
denen, die eines zerschlagenen und demüthigen Geistes sind, sie zu erqui-
cken b. Machs wie ein Bettler nach JEsu hungerend; er sagt selbst,
er werde um deines unverschämten Anhaltens willen c zu dir kommen,
und dir geben was und wie viel du bedarffst. Thue wie Rahel, sage
zu GOtt: O mein lieber Abba! schaff mir JEsum ins Hertz, oder ich
stirbe d. Nimm deinen getreusten und allerwahrhafftesten GOtt bey
seinem gegebenen Wort und allertheuresten Zusag; in dem er uns nichts
so feyrlich und austrücklich, und urkundlich, und förmlich versprochen

zu
a Jerem. XXXII. 40. 57.
b Jes. LVII. 15.
c Luc. XI. 8.
d Genes. XXX.

Weyhnachts-Gedancken.
pel von unſeren gaͤhen Felſen-Schropfen und hohen Gletſcheren herun-
ter ziehen in ſeinen goͤttlichen Paradieß-Garten und Himmelreich!
O daß wir nur ſtaͤts bey ihm waͤren, jetzt im Stall, dann im Tempel,
am Jordan, in der Wuͤſten, in ſeinem gemieteten Haͤußgen, da er im
Zins war zu Capernaum, im Schiff, am See, auf dem Oelberg,
im Richthauß, auf der Schaͤdelſtatt, bey ſeiner Himmelfahrt; da
man an allen denen Orten, auch wann er uͤber die Gaſſen gienge zu Je-
ruſalem, mit Fingern auf ihn zeigen koͤnnte und ſagen: ſiehe da iſt un-
ſer GOtt, der wird uns Heyl ſchaffen! da es alles dem Glauben ſo
lieblich und lebendig eingepraͤget wird, als wandlete man wuͤrcklich
mit ihm im Land Canaan herum. Du muſt mit GOttes Sohn eine
ſo hertzlich vertraute Freundſchafft pflegen, dich ſo innig zu ihme gewoh-
nen, ſo viele freundliche Hertzens Geſpraͤch mit ihm halten; daß wann
du in Himmel kommſt, und des HErren anſichtig wirſt, es dir nicht an-
derſt zu Muth ſey, als du ſeyeſt jetzt daheim bey den lieben Deinigen,
bey JEſu deinem liebſten Bruder und theuerſten Hertzens-Freund; al-
ſo daß dir des Vatters Wohnungen gar nicht fremde vorkommen als
ſeyeſt an einem fremden Ort, da es dir was ungewohnt thue, ſondern
bey deinem allergetreuſten Vatter und Heyland, mit dem du ſchon viele
Jahre in ſo guter Bekandtſchafft gelebt als kein Kind mit ſeinem irrdi-
ſchen Vatter und erſt-gebohrnen lieben Bruder.

Die Mit-
tel wor-
durch man
die Ein-
wohnung
JEſu er-
langen,

§. 9. Ey! ſagſt du: ach haͤtte ich ihn nur bey mir, ich wollte gern al-
les vor ihn ausſtehen! ach koͤnnte ich nur ein Fuͤncklein Hoffnung faſ-
ſen, daß er bald kaͤme! es iſt nie kein Menſch gebohren, der ſeiner mehr
vonnoͤthen haͤtte als eben ich. Antw. GOtt der Vatter hat ihn ſchon
gegeben a, es iſt ſeine Luſt dir Guts zu thun; Der Hohe und Erhabene,
der in der Ewigkeit wohnet, deſſen Nahme heilig iſt, der iſt ſo gerne bey
denen, die eines zerſchlagenen und demuͤthigen Geiſtes ſind, ſie zu erqui-
cken b. Machs wie ein Bettler nach JEſu hungerend; er ſagt ſelbſt,
er werde um deines unverſchaͤmten Anhaltens willen c zu dir kommen,
und dir geben was und wie viel du bedarffſt. Thue wie Rahel, ſage
zu GOtt: O mein lieber Abba! ſchaff mir JEſum ins Hertz, oder ich
ſtirbe d. Nimm deinen getreuſten und allerwahrhaffteſten GOtt bey
ſeinem gegebenen Wort und allertheureſten Zuſag; in dem er uns nichts
ſo feyrlich und austruͤcklich, und urkundlich, und foͤrmlich verſprochen

zu
a Jerem. XXXII. 40. 57.
b Jeſ. LVII. 15.
c Luc. XI. 8.
d Geneſ. XXX.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0744" n="648"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weyhnachts-Gedancken.</hi></fw><lb/>
pel von un&#x017F;eren ga&#x0364;hen Fel&#x017F;en-Schropfen und hohen Glet&#x017F;cheren herun-<lb/>
ter ziehen in &#x017F;einen go&#x0364;ttlichen Paradieß-Garten und Himmelreich!<lb/>
O daß wir nur &#x017F;ta&#x0364;ts bey ihm wa&#x0364;ren, jetzt im Stall, dann im Tempel,<lb/>
am Jordan, in der Wu&#x0364;&#x017F;ten, in &#x017F;einem gemieteten Ha&#x0364;ußgen, da er im<lb/>
Zins war zu Capernaum, im Schiff, am See, auf dem Oelberg,<lb/>
im Richthauß, auf der Scha&#x0364;del&#x017F;tatt, bey &#x017F;einer Himmelfahrt; da<lb/>
man an allen denen Orten, auch wann er u&#x0364;ber die Ga&#x017F;&#x017F;en gienge zu Je-<lb/>
ru&#x017F;alem, mit Fingern auf ihn zeigen ko&#x0364;nnte und &#x017F;agen: &#x017F;iehe da i&#x017F;t un-<lb/>
&#x017F;er GOtt, der wird uns Heyl &#x017F;chaffen! da es alles dem Glauben &#x017F;o<lb/>
lieblich und lebendig eingepra&#x0364;get wird, als wandlete man wu&#x0364;rcklich<lb/>
mit ihm im Land Canaan herum. Du mu&#x017F;t mit GOttes Sohn eine<lb/>
&#x017F;o hertzlich vertraute Freund&#x017F;chafft pflegen, dich &#x017F;o innig zu ihme gewoh-<lb/>
nen, &#x017F;o viele freundliche Hertzens Ge&#x017F;pra&#x0364;ch mit ihm halten; daß wann<lb/>
du in Himmel komm&#x017F;t, und des HErren an&#x017F;ichtig wir&#x017F;t, es dir nicht an-<lb/>
der&#x017F;t zu Muth &#x017F;ey, als du &#x017F;eye&#x017F;t jetzt daheim bey den lieben Deinigen,<lb/>
bey JE&#x017F;u deinem lieb&#x017F;ten Bruder und theuer&#x017F;ten Hertzens-Freund; al-<lb/>
&#x017F;o daß dir des Vatters Wohnungen gar nicht fremde vorkommen als<lb/>
&#x017F;eye&#x017F;t an einem fremden Ort, da es dir was ungewohnt thue, &#x017F;ondern<lb/>
bey deinem allergetreu&#x017F;ten Vatter und Heyland, mit dem du &#x017F;chon viele<lb/>
Jahre in &#x017F;o guter Bekandt&#x017F;chafft gelebt als kein Kind mit &#x017F;einem irrdi-<lb/>
&#x017F;chen Vatter und er&#x017F;t-gebohrnen lieben Bruder.</p><lb/>
          <note place="left">Die Mit-<lb/>
tel wor-<lb/>
durch man<lb/>
die Ein-<lb/>
wohnung<lb/>
JE&#x017F;u er-<lb/>
langen,</note>
          <p>§. 9. Ey! &#x017F;ag&#x017F;t du: ach ha&#x0364;tte ich ihn nur bey mir, ich wollte gern al-<lb/>
les vor ihn aus&#x017F;tehen! ach ko&#x0364;nnte ich nur ein Fu&#x0364;ncklein Hoffnung fa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, daß er bald ka&#x0364;me! es i&#x017F;t nie kein Men&#x017F;ch gebohren, der &#x017F;einer mehr<lb/>
vonno&#x0364;then ha&#x0364;tte als eben ich. Antw. GOtt der Vatter hat ihn &#x017F;chon<lb/>
gegeben <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Jerem. XXXII.</hi> 40. 57.</note>, es i&#x017F;t &#x017F;eine Lu&#x017F;t dir Guts zu thun; Der Hohe und Erhabene,<lb/>
der in der Ewigkeit wohnet, de&#x017F;&#x017F;en Nahme heilig i&#x017F;t, der i&#x017F;t &#x017F;o gerne bey<lb/>
denen, die eines zer&#x017F;chlagenen und demu&#x0364;thigen Gei&#x017F;tes &#x017F;ind, &#x017F;ie zu erqui-<lb/>
cken <note place="foot" n="b"><hi rendition="#aq">Je&#x017F;. LVII.</hi> 15.</note>. Machs wie ein Bettler nach JE&#x017F;u hungerend; er &#x017F;agt &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
er werde um deines unver&#x017F;cha&#x0364;mten Anhaltens willen <note place="foot" n="c"><hi rendition="#aq">Luc. XI.</hi> 8.</note> zu dir kommen,<lb/>
und dir geben was und wie viel du bedarff&#x017F;t. Thue wie Rahel, &#x017F;age<lb/>
zu GOtt: O mein lieber Abba! &#x017F;chaff mir JE&#x017F;um ins Hertz, oder ich<lb/>
&#x017F;tirbe <note place="foot" n="d"><hi rendition="#aq">Gene&#x017F;. XXX.</hi></note>. Nimm deinen getreu&#x017F;ten und allerwahrhaffte&#x017F;ten GOtt bey<lb/>
&#x017F;einem gegebenen Wort und allertheure&#x017F;ten Zu&#x017F;ag; in dem er uns nichts<lb/>
&#x017F;o feyrlich und austru&#x0364;cklich, und urkundlich, und fo&#x0364;rmlich ver&#x017F;prochen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[648/0744] Weyhnachts-Gedancken. pel von unſeren gaͤhen Felſen-Schropfen und hohen Gletſcheren herun- ter ziehen in ſeinen goͤttlichen Paradieß-Garten und Himmelreich! O daß wir nur ſtaͤts bey ihm waͤren, jetzt im Stall, dann im Tempel, am Jordan, in der Wuͤſten, in ſeinem gemieteten Haͤußgen, da er im Zins war zu Capernaum, im Schiff, am See, auf dem Oelberg, im Richthauß, auf der Schaͤdelſtatt, bey ſeiner Himmelfahrt; da man an allen denen Orten, auch wann er uͤber die Gaſſen gienge zu Je- ruſalem, mit Fingern auf ihn zeigen koͤnnte und ſagen: ſiehe da iſt un- ſer GOtt, der wird uns Heyl ſchaffen! da es alles dem Glauben ſo lieblich und lebendig eingepraͤget wird, als wandlete man wuͤrcklich mit ihm im Land Canaan herum. Du muſt mit GOttes Sohn eine ſo hertzlich vertraute Freundſchafft pflegen, dich ſo innig zu ihme gewoh- nen, ſo viele freundliche Hertzens Geſpraͤch mit ihm halten; daß wann du in Himmel kommſt, und des HErren anſichtig wirſt, es dir nicht an- derſt zu Muth ſey, als du ſeyeſt jetzt daheim bey den lieben Deinigen, bey JEſu deinem liebſten Bruder und theuerſten Hertzens-Freund; al- ſo daß dir des Vatters Wohnungen gar nicht fremde vorkommen als ſeyeſt an einem fremden Ort, da es dir was ungewohnt thue, ſondern bey deinem allergetreuſten Vatter und Heyland, mit dem du ſchon viele Jahre in ſo guter Bekandtſchafft gelebt als kein Kind mit ſeinem irrdi- ſchen Vatter und erſt-gebohrnen lieben Bruder. §. 9. Ey! ſagſt du: ach haͤtte ich ihn nur bey mir, ich wollte gern al- les vor ihn ausſtehen! ach koͤnnte ich nur ein Fuͤncklein Hoffnung faſ- ſen, daß er bald kaͤme! es iſt nie kein Menſch gebohren, der ſeiner mehr vonnoͤthen haͤtte als eben ich. Antw. GOtt der Vatter hat ihn ſchon gegeben a, es iſt ſeine Luſt dir Guts zu thun; Der Hohe und Erhabene, der in der Ewigkeit wohnet, deſſen Nahme heilig iſt, der iſt ſo gerne bey denen, die eines zerſchlagenen und demuͤthigen Geiſtes ſind, ſie zu erqui- cken b. Machs wie ein Bettler nach JEſu hungerend; er ſagt ſelbſt, er werde um deines unverſchaͤmten Anhaltens willen c zu dir kommen, und dir geben was und wie viel du bedarffſt. Thue wie Rahel, ſage zu GOtt: O mein lieber Abba! ſchaff mir JEſum ins Hertz, oder ich ſtirbe d. Nimm deinen getreuſten und allerwahrhaffteſten GOtt bey ſeinem gegebenen Wort und allertheureſten Zuſag; in dem er uns nichts ſo feyrlich und austruͤcklich, und urkundlich, und foͤrmlich verſprochen zu a Jerem. XXXII. 40. 57. b Jeſ. LVII. 15. c Luc. XI. 8. d Geneſ. XXX.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/744
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/744>, abgerufen am 13.06.2024.