Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Weyhnachts-Gedancken.
sehen daß er in Himmel komme, es würde ihm sonst gar zu ungewohnt
thun aus dieser herrlichen Welt-Lustbarkeit hinaus in die finstere Ge-
fängnissen des Abgrunds zu gehen. O darum lieber hier im Stall und
dort im Paradieß, als hier in allem Pracht und dort im Gestanck bey
den Höllen-Thieren! wer weißt, ob David nicht eben so gern Thür-
Hüter a gewesen am Stall zu Bethlehem, als König in Jsrael? Wie
viel ernstlicher würde er zu Nathan gesprochen haben 2 Sam. 7, 2. sie-
he da! ich wohne in einem Cedern-Hause, und die Lade GOttes un-
ter Teppichen; ich in einem stoltzen Pallast, und der HErr Zebaoth,
der GOtt Jsraels im Stall. Dann wo sind wohl auf der gantzen
Welt himmlische Früchte zu finden, als wie auf diesem abgehauenen
Stamm Jsai und auf dieser Wurtzel, entsprossen aus dürrem Erd-
reich b!

§. 5. Sehet! wie lieblich blühet aus diesem edlen Zweig dieder Abge-
schieden-
heit,
Abgeschiedenheit. Das liebe JEsulein nahme sich keines Dings an,
was um seinet willen von Freunden, Feinden, Englen und Menschen ge-
schahe! sein vor der Vernunfft verborgen Geschäfft war allein, in der
allerheiligsten Vereinigung mit seinem himmlischen Vatter c.

§. 6. Herrlich schimmert wie vollkommen geläutert Gold in demder Gelas-
senheit,
Tigel die Gelassenheit an unserem Jmmanuel. Er ließ mit sich unige-
hen, wie die Menschen wollten, und wie es GOtt fügete, sich einwin-
den, und in Krippen legen, in Tempel tragen, in Egypten führen, durch
die grausame Wüste; als fehlete es ihme an Macht.

§. 7. Zierlich hanget schon an diesem noch so gar jungen zartender Ge-
müths-
Stille.
Bäumlein die wunder-schöne Trauben der Gemüths-Stille. Herodes
bewegte ihn nicht zum Zorn, noch die Weisen zu eiteler Freud, er blieb
in seiner zarten Liebe gegen allen wie ein unbeweglicher Felß, war in ihm
selbst still und ruhig, entwich dem Tyrannen, gleich als ob er geringer
wäre. Was aber die allerheiligste Kindheit JEsu vor Gnaden in uns
würcken müsse und wolle, ist in einer zu Chur in Pünten gehaltenen Pre-
digt über Matth. 18, 3. vorgestellt und zum Truck von mir verlangt,
aber noch nicht aufgesetzt worden: dißmahl soll ich reden von der Mensch-
werdung.

Man solle
stäts um
an und
bey JEsu
seyn.

§. 8. Also gar wollte uns JEsus mit seinem lebendigen, alle andäch-
tige Hertzen wie die Mittags-Sonne im Sommer erwärmenden Exem-

pel
a Ps. LXXXIV.
b Jes. XI. & LIII.
c Coloss. II. 9.

Weyhnachts-Gedancken.
ſehen daß er in Himmel komme, es wuͤrde ihm ſonſt gar zu ungewohnt
thun aus dieſer herrlichen Welt-Luſtbarkeit hinaus in die finſtere Ge-
faͤngniſſen des Abgrunds zu gehen. O darum lieber hier im Stall und
dort im Paradieß, als hier in allem Pracht und dort im Geſtanck bey
den Hoͤllen-Thieren! wer weißt, ob David nicht eben ſo gern Thuͤr-
Huͤter a geweſen am Stall zu Bethlehem, als Koͤnig in Jſrael? Wie
viel ernſtlicher wuͤrde er zu Nathan geſprochen haben 2 Sam. 7, 2. ſie-
he da! ich wohne in einem Cedern-Hauſe, und die Lade GOttes un-
ter Teppichen; ich in einem ſtoltzen Pallaſt, und der HErr Zebaoth,
der GOtt Jſraels im Stall. Dann wo ſind wohl auf der gantzen
Welt himmliſche Fruͤchte zu finden, als wie auf dieſem abgehauenen
Stamm Jſai und auf dieſer Wurtzel, entſproſſen aus duͤrrem Erd-
reich b!

§. 5. Sehet! wie lieblich bluͤhet aus dieſem edlen Zweig dieder Abge-
ſchieden-
heit,
Abgeſchiedenheit. Das liebe JEſulein nahme ſich keines Dings an,
was um ſeinet willen von Freunden, Feinden, Englen und Menſchen ge-
ſchahe! ſein vor der Vernunfft verborgen Geſchaͤfft war allein, in der
allerheiligſten Vereinigung mit ſeinem himmliſchen Vatter c.

§. 6. Herrlich ſchimmert wie vollkommen gelaͤutert Gold in demder Gelaſ-
ſenheit,
Tigel die Gelaſſenheit an unſerem Jmmanuel. Er ließ mit ſich unige-
hen, wie die Menſchen wollten, und wie es GOtt fuͤgete, ſich einwin-
den, und in Krippen legen, in Tempel tragen, in Egypten fuͤhren, durch
die grauſame Wuͤſte; als fehlete es ihme an Macht.

§. 7. Zierlich hanget ſchon an dieſem noch ſo gar jungen zartender Ge-
muͤths-
Stille.
Baͤumlein die wunder-ſchoͤne Trauben der Gemuͤths-Stille. Herodes
bewegte ihn nicht zum Zorn, noch die Weiſen zu eiteler Freud, er blieb
in ſeiner zarten Liebe gegen allen wie ein unbeweglicher Felß, war in ihm
ſelbſt ſtill und ruhig, entwich dem Tyrannen, gleich als ob er geringer
waͤre. Was aber die allerheiligſte Kindheit JEſu vor Gnaden in uns
wuͤrcken muͤſſe und wolle, iſt in einer zu Chur in Puͤnten gehaltenen Pre-
digt uͤber Matth. 18, 3. vorgeſtellt und zum Truck von mir verlangt,
aber noch nicht aufgeſetzt worden: dißmahl ſoll ich reden von der Menſch-
werdung.

Man ſolle
ſtaͤts um
an und
bey JEſu
ſeyn.

§. 8. Alſo gar wollte uns JEſus mit ſeinem lebendigen, alle andaͤch-
tige Hertzen wie die Mittags-Sonne im Sommer erwaͤrmenden Exem-

pel
a Pſ. LXXXIV.
b Jeſ. XI. & LIII.
c Coloſſ. II. 9.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0743" n="647"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weyhnachts-Gedancken.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ehen daß er in Himmel komme, es wu&#x0364;rde ihm &#x017F;on&#x017F;t gar zu ungewohnt<lb/>
thun aus die&#x017F;er herrlichen Welt-Lu&#x017F;tbarkeit hinaus in die fin&#x017F;tere Ge-<lb/>
fa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;en des Abgrunds zu gehen. O darum lieber hier im Stall und<lb/>
dort im Paradieß, als hier in allem Pracht und dort im Ge&#x017F;tanck bey<lb/>
den Ho&#x0364;llen-Thieren! wer weißt, ob David nicht eben &#x017F;o gern Thu&#x0364;r-<lb/>
Hu&#x0364;ter <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">P&#x017F;. LXXXIV.</hi></note> gewe&#x017F;en am Stall zu Bethlehem, als Ko&#x0364;nig in J&#x017F;rael? Wie<lb/>
viel ern&#x017F;tlicher wu&#x0364;rde er zu Nathan ge&#x017F;prochen haben 2 Sam. 7, 2. &#x017F;ie-<lb/>
he da! ich wohne in einem Cedern-Hau&#x017F;e, und die Lade GOttes un-<lb/>
ter Teppichen; ich in einem &#x017F;toltzen Palla&#x017F;t, und der HErr Zebaoth,<lb/>
der GOtt J&#x017F;raels im Stall. Dann wo &#x017F;ind wohl auf der gantzen<lb/>
Welt himmli&#x017F;che Fru&#x0364;chte zu finden, als wie auf die&#x017F;em abgehauenen<lb/>
Stamm J&#x017F;ai und auf die&#x017F;er Wurtzel, ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en aus du&#x0364;rrem Erd-<lb/>
reich <note place="foot" n="b"><hi rendition="#aq">Je&#x017F;. XI. &amp; LIII.</hi></note>!</p><lb/>
          <p>§. 5. Sehet! wie lieblich blu&#x0364;het aus die&#x017F;em edlen Zweig die<note place="right">der Abge-<lb/>
&#x017F;chieden-<lb/>
heit,</note><lb/><hi rendition="#fr">Abge&#x017F;chiedenheit.</hi> Das liebe JE&#x017F;ulein nahme &#x017F;ich keines Dings an,<lb/>
was um &#x017F;einet willen von Freunden, Feinden, Englen und Men&#x017F;chen ge-<lb/>
&#x017F;chahe! &#x017F;ein vor der Vernunfft verborgen Ge&#x017F;cha&#x0364;fft war allein, in der<lb/>
allerheilig&#x017F;ten Vereinigung mit &#x017F;einem himmli&#x017F;chen Vatter <note place="foot" n="c"><hi rendition="#aq">Colo&#x017F;&#x017F;. II.</hi> 9.</note>.</p><lb/>
          <p>§. 6. Herrlich &#x017F;chimmert wie vollkommen gela&#x0364;utert Gold in dem<note place="right">der Gela&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enheit,</note><lb/>
Tigel die <hi rendition="#fr">Gela&#x017F;&#x017F;enheit</hi> an un&#x017F;erem Jmmanuel. Er ließ mit &#x017F;ich unige-<lb/>
hen, wie die Men&#x017F;chen wollten, und wie es GOtt fu&#x0364;gete, &#x017F;ich einwin-<lb/>
den, und in Krippen legen, in Tempel tragen, in Egypten fu&#x0364;hren, durch<lb/>
die grau&#x017F;ame Wu&#x0364;&#x017F;te; als fehlete es ihme an Macht.</p><lb/>
          <p>§. 7. Zierlich hanget &#x017F;chon an die&#x017F;em noch &#x017F;o gar jungen zarten<note place="right">der Ge-<lb/>
mu&#x0364;ths-<lb/>
Stille.</note><lb/>
Ba&#x0364;umlein die wunder-&#x017F;cho&#x0364;ne Trauben der <hi rendition="#fr">Gemu&#x0364;ths-Stille.</hi> Herodes<lb/>
bewegte ihn nicht zum Zorn, noch die Wei&#x017F;en zu eiteler Freud, er blieb<lb/>
in &#x017F;einer zarten Liebe gegen allen wie ein unbeweglicher Felß, war in ihm<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;till und ruhig, entwich dem Tyrannen, gleich als ob er geringer<lb/>
wa&#x0364;re. Was aber die allerheilig&#x017F;te Kindheit JE&#x017F;u vor Gnaden in uns<lb/>
wu&#x0364;rcken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und wolle, i&#x017F;t in einer zu Chur in Pu&#x0364;nten gehaltenen Pre-<lb/>
digt u&#x0364;ber Matth. 18, 3. vorge&#x017F;tellt und zum Truck von mir verlangt,<lb/>
aber noch nicht aufge&#x017F;etzt worden: dißmahl &#x017F;oll ich reden von der Men&#x017F;ch-<lb/>
werdung.</p>
          <note place="right">Man &#x017F;olle<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ts um<lb/>
an und<lb/>
bey JE&#x017F;u<lb/>
&#x017F;eyn.</note><lb/>
          <p>§. 8. Al&#x017F;o gar wollte uns JE&#x017F;us mit &#x017F;einem lebendigen, alle anda&#x0364;ch-<lb/>
tige Hertzen wie die Mittags-Sonne im Sommer erwa&#x0364;rmenden Exem-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">pel</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[647/0743] Weyhnachts-Gedancken. ſehen daß er in Himmel komme, es wuͤrde ihm ſonſt gar zu ungewohnt thun aus dieſer herrlichen Welt-Luſtbarkeit hinaus in die finſtere Ge- faͤngniſſen des Abgrunds zu gehen. O darum lieber hier im Stall und dort im Paradieß, als hier in allem Pracht und dort im Geſtanck bey den Hoͤllen-Thieren! wer weißt, ob David nicht eben ſo gern Thuͤr- Huͤter a geweſen am Stall zu Bethlehem, als Koͤnig in Jſrael? Wie viel ernſtlicher wuͤrde er zu Nathan geſprochen haben 2 Sam. 7, 2. ſie- he da! ich wohne in einem Cedern-Hauſe, und die Lade GOttes un- ter Teppichen; ich in einem ſtoltzen Pallaſt, und der HErr Zebaoth, der GOtt Jſraels im Stall. Dann wo ſind wohl auf der gantzen Welt himmliſche Fruͤchte zu finden, als wie auf dieſem abgehauenen Stamm Jſai und auf dieſer Wurtzel, entſproſſen aus duͤrrem Erd- reich b! §. 5. Sehet! wie lieblich bluͤhet aus dieſem edlen Zweig die Abgeſchiedenheit. Das liebe JEſulein nahme ſich keines Dings an, was um ſeinet willen von Freunden, Feinden, Englen und Menſchen ge- ſchahe! ſein vor der Vernunfft verborgen Geſchaͤfft war allein, in der allerheiligſten Vereinigung mit ſeinem himmliſchen Vatter c. der Abge- ſchieden- heit, §. 6. Herrlich ſchimmert wie vollkommen gelaͤutert Gold in dem Tigel die Gelaſſenheit an unſerem Jmmanuel. Er ließ mit ſich unige- hen, wie die Menſchen wollten, und wie es GOtt fuͤgete, ſich einwin- den, und in Krippen legen, in Tempel tragen, in Egypten fuͤhren, durch die grauſame Wuͤſte; als fehlete es ihme an Macht. der Gelaſ- ſenheit, §. 7. Zierlich hanget ſchon an dieſem noch ſo gar jungen zarten Baͤumlein die wunder-ſchoͤne Trauben der Gemuͤths-Stille. Herodes bewegte ihn nicht zum Zorn, noch die Weiſen zu eiteler Freud, er blieb in ſeiner zarten Liebe gegen allen wie ein unbeweglicher Felß, war in ihm ſelbſt ſtill und ruhig, entwich dem Tyrannen, gleich als ob er geringer waͤre. Was aber die allerheiligſte Kindheit JEſu vor Gnaden in uns wuͤrcken muͤſſe und wolle, iſt in einer zu Chur in Puͤnten gehaltenen Pre- digt uͤber Matth. 18, 3. vorgeſtellt und zum Truck von mir verlangt, aber noch nicht aufgeſetzt worden: dißmahl ſoll ich reden von der Menſch- werdung. der Ge- muͤths- Stille. §. 8. Alſo gar wollte uns JEſus mit ſeinem lebendigen, alle andaͤch- tige Hertzen wie die Mittags-Sonne im Sommer erwaͤrmenden Exem- pel a Pſ. LXXXIV. b Jeſ. XI. & LIII. c Coloſſ. II. 9.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/743
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/743>, abgerufen am 23.11.2024.