Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Weyhnachts-Gedancken.
auf Erden; also gieng es her auf Sinai: hingegen singen die En-
gel im Himmel; so ware es in Bethlehem, und also bringet JE-
SUS die seinen in die beliebte Stille zu Sion. Die Dienste und
Güter des alten Testaments waren ja irrdisch; sint der Menschwer-
dung Christi aber ists ein anders, ein Neu Testament, ein Him-
melreich und der Glaube wandelt darinn. Paulus hatte keinen irr-
dischen Glantz an sich als er aus dem dritten Himmel kam, aber
seine Seele und Dienst hatte eine himmlische überschwenglich herr-
lichere Klarheit als Moses a. Glaube es, liebes Hertz! wer sanfft-
müthig ist und von Hertzen demüthig, wie JESUS, leuchtet in
den Augen der heiligen Englen heller, als die Sonne, und sollte
er am Leib so hager und mager und finster aussehen wie Lazarus.
Es ist sich mehr zu verwunderen, und ist mehr Göttliches und Himm-
lisches darinn, einen im Creutz, Schmach und Verfolgung gelas-
senen Menschen zu sehen als ein lichtstrahlendes Angesicht. Also
ware JESU Schmuck, Glantz und Herrlichkeit das pur lautere
Göttliche Wesen. Das merckte der hocherleuchtete Paulus wohl,
darum wollte er Christum nicht mehr kennen nach dem Fleisch.
Die Apostel empfangen das im Göttlichen Umgang mit JESU;
Sonderlich Johannes. Petrus deßgleichen sagt wohl nicht zu JE-
SU, wie Jsrael, ich muß sterben wann du fortfahrest mit mir zu
reden, sondern als es ihme JESUS frey stellete weg zu gehen,
um ihn nicht mehr zu hören, da schrye er kläglich: HERR! wo
solle ich hingehen, da mir besser sey? Du hast Wort des ewigen
Lebens, es ist mir, ich sey im Paradieß, wann ich dich kan hören
reden. Ja Paulus kommt so weit in der Sach, daß er bezeuget,
das erste Wort sey nur durch die Engel geredt worden b, als wann
Jsrael nur gleichsam ein Echo oder Wiederschall der Stimm GOt-
tes von den Englen her gehöret; Nun aber predigte der HERR
selbst unmittelbar eine grosse Seeligkeit.

Unverant-
wortliche
Boßheit
wann man
sich nicht
will zu
GOTT
machen.

§. 9. Darum sind wir jetzt keines wegs nimmermehr zu entschul-
digen, wann wir uns nicht aufs allernäheste und innigste zu GOtt
halten, weilen er uns, O erstaunliches und unaussprechliches Wun-
der! als ein recht natürlich Kind erscheinet in einem Stall, allwo
nicht das Geringste ware, das ein vier jährig Kind hätte können

sich
a 2 Cor. III. 9. & XII. 1-4.
b Hebr. II. 2.

Weyhnachts-Gedancken.
auf Erden; alſo gieng es her auf Sinai: hingegen ſingen die En-
gel im Himmel; ſo ware es in Bethlehem, und alſo bringet JE-
SUS die ſeinen in die beliebte Stille zu Sion. Die Dienſte und
Guͤter des alten Teſtaments waren ja irrdiſch; ſint der Menſchwer-
dung Chriſti aber iſts ein anders, ein Neu Teſtament, ein Him-
melreich und der Glaube wandelt darinn. Paulus hatte keinen irr-
diſchen Glantz an ſich als er aus dem dritten Himmel kam, aber
ſeine Seele und Dienſt hatte eine himmliſche uͤberſchwenglich herr-
lichere Klarheit als Moſes a. Glaube es, liebes Hertz! wer ſanfft-
muͤthig iſt und von Hertzen demuͤthig, wie JESUS, leuchtet in
den Augen der heiligen Englen heller, als die Sonne, und ſollte
er am Leib ſo hager und mager und finſter ausſehen wie Lazarus.
Es iſt ſich mehr zu verwunderen, und iſt mehr Goͤttliches und Himm-
liſches darinn, einen im Creutz, Schmach und Verfolgung gelaſ-
ſenen Menſchen zu ſehen als ein lichtſtrahlendes Angeſicht. Alſo
ware JESU Schmuck, Glantz und Herrlichkeit das pur lautere
Goͤttliche Weſen. Das merckte der hocherleuchtete Paulus wohl,
darum wollte er Chriſtum nicht mehr kennen nach dem Fleiſch.
Die Apoſtel empfangen das im Goͤttlichen Umgang mit JESU;
Sonderlich Johannes. Petrus deßgleichen ſagt wohl nicht zu JE-
SU, wie Jſrael, ich muß ſterben wann du fortfahreſt mit mir zu
reden, ſondern als es ihme JESUS frey ſtellete weg zu gehen,
um ihn nicht mehr zu hoͤren, da ſchrye er klaͤglich: HERR! wo
ſolle ich hingehen, da mir beſſer ſey? Du haſt Wort des ewigen
Lebens, es iſt mir, ich ſey im Paradieß, wann ich dich kan hoͤren
reden. Ja Paulus kommt ſo weit in der Sach, daß er bezeuget,
das erſte Wort ſey nur durch die Engel geredt worden b, als wann
Jſrael nur gleichſam ein Echo oder Wiederſchall der Stimm GOt-
tes von den Englen her gehoͤret; Nun aber predigte der HERR
ſelbſt unmittelbar eine groſſe Seeligkeit.

Unverant-
wortliche
Boßheit
wann man
ſich nicht
will zu
GOTT
machen.

§. 9. Darum ſind wir jetzt keines wegs nimmermehr zu entſchul-
digen, wann wir uns nicht aufs allernaͤheſte und innigſte zu GOtt
halten, weilen er uns, O erſtaunliches und unausſprechliches Wun-
der! als ein recht natuͤrlich Kind erſcheinet in einem Stall, allwo
nicht das Geringſte ware, das ein vier jaͤhrig Kind haͤtte koͤnnen

ſich
a 2 Cor. III. 9. & XII. 1-4.
b Hebr. II. 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0704" n="608"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weyhnachts-Gedancken.</hi></fw><lb/>
auf Erden; al&#x017F;o gieng es her auf Sinai: hingegen &#x017F;ingen die En-<lb/>
gel im Himmel; &#x017F;o ware es in Bethlehem, und al&#x017F;o bringet JE-<lb/>
SUS die &#x017F;einen in die beliebte Stille zu Sion. Die Dien&#x017F;te und<lb/>
Gu&#x0364;ter des alten Te&#x017F;taments waren ja irrdi&#x017F;ch; &#x017F;int der Men&#x017F;chwer-<lb/>
dung Chri&#x017F;ti aber i&#x017F;ts ein anders, ein Neu Te&#x017F;tament, ein Him-<lb/>
melreich und der Glaube wandelt darinn. Paulus hatte keinen irr-<lb/>
di&#x017F;chen Glantz an &#x017F;ich als er aus dem dritten Himmel kam, aber<lb/>
&#x017F;eine Seele und Dien&#x017F;t hatte eine himmli&#x017F;che u&#x0364;ber&#x017F;chwenglich herr-<lb/>
lichere Klarheit als Mo&#x017F;es <note place="foot" n="a">2 <hi rendition="#aq">Cor. III. 9. &amp; XII.</hi> 1-4.</note>. Glaube es, liebes Hertz! wer &#x017F;anfft-<lb/>
mu&#x0364;thig i&#x017F;t und von Hertzen demu&#x0364;thig, wie JESUS, leuchtet in<lb/>
den Augen der heiligen Englen heller, als die Sonne, und &#x017F;ollte<lb/>
er am Leib &#x017F;o hager und mager und fin&#x017F;ter aus&#x017F;ehen wie Lazarus.<lb/>
Es i&#x017F;t &#x017F;ich mehr zu verwunderen, und i&#x017F;t mehr Go&#x0364;ttliches und Himm-<lb/>
li&#x017F;ches darinn, einen im Creutz, Schmach und Verfolgung gela&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enen Men&#x017F;chen zu &#x017F;ehen als ein licht&#x017F;trahlendes Ange&#x017F;icht. Al&#x017F;o<lb/>
ware JESU Schmuck, Glantz und Herrlichkeit das pur lautere<lb/>
Go&#x0364;ttliche We&#x017F;en. Das merckte der hocherleuchtete Paulus wohl,<lb/>
darum wollte er Chri&#x017F;tum nicht mehr kennen nach dem Flei&#x017F;ch.<lb/>
Die Apo&#x017F;tel empfangen das im Go&#x0364;ttlichen Umgang mit JESU;<lb/>
Sonderlich Johannes. Petrus deßgleichen &#x017F;agt wohl nicht zu JE-<lb/>
SU, wie J&#x017F;rael, ich muß &#x017F;terben wann du fortfahre&#x017F;t mit mir zu<lb/>
reden, &#x017F;ondern als es ihme JESUS frey &#x017F;tellete weg zu gehen,<lb/>
um ihn nicht mehr zu ho&#x0364;ren, da &#x017F;chrye er kla&#x0364;glich: HERR! wo<lb/>
&#x017F;olle ich hingehen, da mir be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ey? Du ha&#x017F;t Wort des ewigen<lb/>
Lebens, es i&#x017F;t mir, ich &#x017F;ey im Paradieß, wann ich dich kan ho&#x0364;ren<lb/>
reden. Ja Paulus kommt &#x017F;o weit in der Sach, daß er bezeuget,<lb/>
das er&#x017F;te Wort &#x017F;ey nur durch die Engel geredt worden <note place="foot" n="b"><hi rendition="#aq">Hebr. II.</hi> 2.</note>, als wann<lb/>
J&#x017F;rael nur gleich&#x017F;am ein Echo oder Wieder&#x017F;chall der Stimm GOt-<lb/>
tes von den Englen her geho&#x0364;ret; Nun aber predigte der HERR<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t unmittelbar eine gro&#x017F;&#x017F;e Seeligkeit.</p><lb/>
          <note place="left">Unverant-<lb/>
wortliche<lb/>
Boßheit<lb/>
wann man<lb/>
&#x017F;ich nicht<lb/>
will zu<lb/>
GOTT<lb/>
machen.</note>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 9. Darum &#x017F;ind wir jetzt keines wegs nimmermehr zu ent&#x017F;chul-<lb/>
digen, wann wir uns nicht aufs allerna&#x0364;he&#x017F;te und innig&#x017F;te zu GOtt<lb/>
halten, weilen er uns, O er&#x017F;taunliches und unaus&#x017F;prechliches Wun-<lb/>
der! als ein recht natu&#x0364;rlich Kind er&#x017F;cheinet in einem Stall, allwo<lb/>
nicht das Gering&#x017F;te ware, das ein vier ja&#x0364;hrig Kind ha&#x0364;tte ko&#x0364;nnen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[608/0704] Weyhnachts-Gedancken. auf Erden; alſo gieng es her auf Sinai: hingegen ſingen die En- gel im Himmel; ſo ware es in Bethlehem, und alſo bringet JE- SUS die ſeinen in die beliebte Stille zu Sion. Die Dienſte und Guͤter des alten Teſtaments waren ja irrdiſch; ſint der Menſchwer- dung Chriſti aber iſts ein anders, ein Neu Teſtament, ein Him- melreich und der Glaube wandelt darinn. Paulus hatte keinen irr- diſchen Glantz an ſich als er aus dem dritten Himmel kam, aber ſeine Seele und Dienſt hatte eine himmliſche uͤberſchwenglich herr- lichere Klarheit als Moſes a. Glaube es, liebes Hertz! wer ſanfft- muͤthig iſt und von Hertzen demuͤthig, wie JESUS, leuchtet in den Augen der heiligen Englen heller, als die Sonne, und ſollte er am Leib ſo hager und mager und finſter ausſehen wie Lazarus. Es iſt ſich mehr zu verwunderen, und iſt mehr Goͤttliches und Himm- liſches darinn, einen im Creutz, Schmach und Verfolgung gelaſ- ſenen Menſchen zu ſehen als ein lichtſtrahlendes Angeſicht. Alſo ware JESU Schmuck, Glantz und Herrlichkeit das pur lautere Goͤttliche Weſen. Das merckte der hocherleuchtete Paulus wohl, darum wollte er Chriſtum nicht mehr kennen nach dem Fleiſch. Die Apoſtel empfangen das im Goͤttlichen Umgang mit JESU; Sonderlich Johannes. Petrus deßgleichen ſagt wohl nicht zu JE- SU, wie Jſrael, ich muß ſterben wann du fortfahreſt mit mir zu reden, ſondern als es ihme JESUS frey ſtellete weg zu gehen, um ihn nicht mehr zu hoͤren, da ſchrye er klaͤglich: HERR! wo ſolle ich hingehen, da mir beſſer ſey? Du haſt Wort des ewigen Lebens, es iſt mir, ich ſey im Paradieß, wann ich dich kan hoͤren reden. Ja Paulus kommt ſo weit in der Sach, daß er bezeuget, das erſte Wort ſey nur durch die Engel geredt worden b, als wann Jſrael nur gleichſam ein Echo oder Wiederſchall der Stimm GOt- tes von den Englen her gehoͤret; Nun aber predigte der HERR ſelbſt unmittelbar eine groſſe Seeligkeit. §. 9. Darum ſind wir jetzt keines wegs nimmermehr zu entſchul- digen, wann wir uns nicht aufs allernaͤheſte und innigſte zu GOtt halten, weilen er uns, O erſtaunliches und unausſprechliches Wun- der! als ein recht natuͤrlich Kind erſcheinet in einem Stall, allwo nicht das Geringſte ware, das ein vier jaͤhrig Kind haͤtte koͤnnen ſich a 2 Cor. III. 9. & XII. 1-4. b Hebr. II. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/704
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/704>, abgerufen am 23.11.2024.