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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Zuschrifft.
wohl gespickt seyen, Schaaf und Ochsen munter trüyen und sich
mehren a, und nirgend einig Unglück begegne.

§. 12. Dann, da der Bischoff die Sach reifflich erwoge, kamMachte
auch seine
Leut glau-
ben, daß
seine auf-
gestellte
Heilige
geistlichen
und leibli-
chen See-
gen mit-
theilen
können.

ihm gleich in Sinn, soll mein aufgerichteter Heiliger nur mit geistli-
chem Seegen und himmlischen Gütern zu schaffen haben, so wird
er seinen Credit nicht lange erhalten; dann mein Volck ist so wohl
als ich mehr um das Sichtbare als das Unsichtbare bekümmert b:
und so flochte er den lieben Heiligen in alle Welt-Händel ein, also
daß sein Stand sehr verändert aussahe. Alldieweil er auf Erden
ware, hatte er seinen Wandel im Himmel c, er ware mit seinem
Gemüth in der Ewigkeit, die Erstlinge des Geistes trieben ihn Tag
und Nacht zu seufftzen nach der vollen Erndt, er achtete die gantze
Welt nicht werth zu seyn d, ihrentwegen einen eintzigen Gedancken dem
vollkommenen, schönen und guten GOtt zu entwenden e, er bewey-
nete jede Viertel-Stund, da ihn die Einfälle vergänglicher Din-
gen von dem liebreichen Angedencken an seinen holdseligsten, stäts
gegenwärtigen, sich stäts mittheilenden Heyland abgehalten f, er
dürstete nur nach GOtt, alles andere war ihm verdrießlich, nichts
war ihm angenehm, als die ewige Liebe stäts geniessen, und in GOt-
tes süsser Liebe zu zerfliessen g; sein Wahl-Spruch ware:

Jn Abgeschiedenheit von irrdischem Getümmel
Jst meine Zeit und Freud allhier zu GOtt im Himmel.

Nun lude der Bischoff seinem gedultigen Heiligen so viele Welt-
Geschäffte auf den Halß, daß er mehr zu sinnen und zu sorgen, zu rich-
ten und zu schlichten hatte aller Orten, als siebentzig Land-Vögte
ausrichten könnten: Ach! da er seines Lebenslang so hertzlich ge-
wünschten Ziels in Klarheit und ungestörter göttlichen Ruhe zu ge-
niessen gedachte h, mußte er einen Uberlauff leiden Tag und Nacht.
Auf Erden konnte er noch etwan in einsame Wüsteney entrinnen, und
sich vor den Leuten verbergen i; nun er aber in dem obersten Himmel
ist, so ist kein Mittel vor ihne zu entfliehen; er muß hören, was man
dem Bild sagt, welches ich gesetzt habe, sprach der Bischoff, er wolle
oder wolle nicht; dann das Bild hat eine Sympathie mit dem Hei-
ligen: so gibt es auch ein Echo unzehliche Millionen Meilwegs weit,

solch
a Ps. CXLIV. 11-14.
b 2 Cor. IV. 18.
c Phil. III. 20.
d Hebr XII.
22-24.
e Ps. LXXIII. 25.
f Ps. CXXXVII. 5. 7.
g Ps. XVIII. 2. LXV. 5.
h Phil. I. 23.
i Ps. LV. 7-9.
A a a a 2

Zuſchrifft.
wohl geſpickt ſeyen, Schaaf und Ochſen munter truͤyen und ſich
mehren a, und nirgend einig Ungluͤck begegne.

§. 12. Dann, da der Biſchoff die Sach reifflich erwoge, kamMachte
auch ſeine
Leut glau-
ben, daß
ſeine auf-
geſtellte
Heilige
geiſtlichen
und leibli-
chen See-
gen mit-
theilen
koͤnnen.

ihm gleich in Sinn, ſoll mein aufgerichteter Heiliger nur mit geiſtli-
chem Seegen und himmliſchen Guͤtern zu ſchaffen haben, ſo wird
er ſeinen Credit nicht lange erhalten; dann mein Volck iſt ſo wohl
als ich mehr um das Sichtbare als das Unſichtbare bekuͤmmert b:
und ſo flochte er den lieben Heiligen in alle Welt-Haͤndel ein, alſo
daß ſein Stand ſehr veraͤndert ausſahe. Alldieweil er auf Erden
ware, hatte er ſeinen Wandel im Himmel c, er ware mit ſeinem
Gemuͤth in der Ewigkeit, die Erſtlinge des Geiſtes trieben ihn Tag
und Nacht zu ſeufftzen nach der vollen Erndt, er achtete die gantze
Welt nicht werth zu ſeyn d, ihrentwegen einen eintzigen Gedancken dem
vollkommenen, ſchoͤnen und guten GOtt zu entwenden e, er bewey-
nete jede Viertel-Stund, da ihn die Einfaͤlle vergaͤnglicher Din-
gen von dem liebreichen Angedencken an ſeinen holdſeligſten, ſtaͤts
gegenwaͤrtigen, ſich ſtaͤts mittheilenden Heyland abgehalten f, er
duͤrſtete nur nach GOtt, alles andere war ihm verdrießlich, nichts
war ihm angenehm, als die ewige Liebe ſtaͤts genieſſen, und in GOt-
tes ſuͤſſer Liebe zu zerflieſſen g; ſein Wahl-Spruch ware:

Jn Abgeſchiedenheit von irrdiſchem Getuͤmmel
Jſt meine Zeit und Freud allhier zu GOtt im Himmel.

Nun lude der Biſchoff ſeinem gedultigen Heiligen ſo viele Welt-
Geſchaͤffte auf den Halß, daß er mehr zu ſinnen und zu ſorgen, zu rich-
ten und zu ſchlichten hatte aller Orten, als ſiebentzig Land-Voͤgte
ausrichten koͤnnten: Ach! da er ſeines Lebenslang ſo hertzlich ge-
wuͤnſchten Ziels in Klarheit und ungeſtoͤrter goͤttlichen Ruhe zu ge-
nieſſen gedachte h, mußte er einen Uberlauff leiden Tag und Nacht.
Auf Erden konnte er noch etwan in einſame Wuͤſteney entrinnen, und
ſich vor den Leuten verbergen i; nun er aber in dem oberſten Himmel
iſt, ſo iſt kein Mittel vor ihne zu entfliehen; er muß hoͤren, was man
dem Bild ſagt, welches ich geſetzt habe, ſprach der Biſchoff, er wolle
oder wolle nicht; dann das Bild hat eine Sympathie mit dem Hei-
ligen: ſo gibt es auch ein Echo unzehliche Millionen Meilwegs weit,

ſolch
a Pſ. CXLIV. 11-14.
b 2 Cor. IV. 18.
c Phil. III. 20.
d Hebr XII.
22-24.
e Pſ. LXXIII. 25.
f Pſ. CXXXVII. 5. 7.
g Pſ. XVIII. 2. LXV. 5.
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A a a a 2
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[555/0651] Zuſchrifft. wohl geſpickt ſeyen, Schaaf und Ochſen munter truͤyen und ſich mehren a, und nirgend einig Ungluͤck begegne. §. 12. Dann, da der Biſchoff die Sach reifflich erwoge, kam ihm gleich in Sinn, ſoll mein aufgerichteter Heiliger nur mit geiſtli- chem Seegen und himmliſchen Guͤtern zu ſchaffen haben, ſo wird er ſeinen Credit nicht lange erhalten; dann mein Volck iſt ſo wohl als ich mehr um das Sichtbare als das Unſichtbare bekuͤmmert b: und ſo flochte er den lieben Heiligen in alle Welt-Haͤndel ein, alſo daß ſein Stand ſehr veraͤndert ausſahe. Alldieweil er auf Erden ware, hatte er ſeinen Wandel im Himmel c, er ware mit ſeinem Gemuͤth in der Ewigkeit, die Erſtlinge des Geiſtes trieben ihn Tag und Nacht zu ſeufftzen nach der vollen Erndt, er achtete die gantze Welt nicht werth zu ſeyn d, ihrentwegen einen eintzigen Gedancken dem vollkommenen, ſchoͤnen und guten GOtt zu entwenden e, er bewey- nete jede Viertel-Stund, da ihn die Einfaͤlle vergaͤnglicher Din- gen von dem liebreichen Angedencken an ſeinen holdſeligſten, ſtaͤts gegenwaͤrtigen, ſich ſtaͤts mittheilenden Heyland abgehalten f, er duͤrſtete nur nach GOtt, alles andere war ihm verdrießlich, nichts war ihm angenehm, als die ewige Liebe ſtaͤts genieſſen, und in GOt- tes ſuͤſſer Liebe zu zerflieſſen g; ſein Wahl-Spruch ware: Machte auch ſeine Leut glau- ben, daß ſeine auf- geſtellte Heilige geiſtlichen und leibli- chen See- gen mit- theilen koͤnnen. Jn Abgeſchiedenheit von irrdiſchem Getuͤmmel Jſt meine Zeit und Freud allhier zu GOtt im Himmel. Nun lude der Biſchoff ſeinem gedultigen Heiligen ſo viele Welt- Geſchaͤffte auf den Halß, daß er mehr zu ſinnen und zu ſorgen, zu rich- ten und zu ſchlichten hatte aller Orten, als ſiebentzig Land-Voͤgte ausrichten koͤnnten: Ach! da er ſeines Lebenslang ſo hertzlich ge- wuͤnſchten Ziels in Klarheit und ungeſtoͤrter goͤttlichen Ruhe zu ge- nieſſen gedachte h, mußte er einen Uberlauff leiden Tag und Nacht. Auf Erden konnte er noch etwan in einſame Wuͤſteney entrinnen, und ſich vor den Leuten verbergen i; nun er aber in dem oberſten Himmel iſt, ſo iſt kein Mittel vor ihne zu entfliehen; er muß hoͤren, was man dem Bild ſagt, welches ich geſetzt habe, ſprach der Biſchoff, er wolle oder wolle nicht; dann das Bild hat eine Sympathie mit dem Hei- ligen: ſo gibt es auch ein Echo unzehliche Millionen Meilwegs weit, ſolch a Pſ. CXLIV. 11-14. b 2 Cor. IV. 18. c Phil. III. 20. d Hebr XII. 22-24. e Pſ. LXXIII. 25. f Pſ. CXXXVII. 5. 7. g Pſ. XVIII. 2. LXV. 5. h Phil. I. 23. i Pſ. LV. 7-9. A a a a 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/651>, abgerufen am 26.06.2024.