Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

nach dem Modell des im Tabernackel und zu Jerusalem angestellten
Diensts eingerichtet waren.

Ein Heyd gefällt sich selbst dermassen wohl in seinen Tugenden,
Gerechtigkeit, Redlichkeit, Treu, Keuschheit, Ehrbarkeit, bur-
gerlicher Sittsamkeit, freuet sich in seiner Weißheit, Gewalt,
Stärcke, Reichthum, Herrlichkeit, suchet Ruhm, menschlich Lob
und Ansehen, und haltet das Evangelium vom Creutz für eine Thor-
heit, die Auferstehung der Todten für eine lächerliche Sache, förch-
tet den Tod, unangesehen er grossen Muth, Resolution und Tapf-
ferkeit sehen laßt, und seine Verzagtheit meisterlich zu verbergen
weißt.

§. 4. Betrachte hier, der du dich einen Christ rühmest, ob duEin Christ
soll sich
hiernach
prüffen.

der Seelen hohen Adel erkennest, ob du mehr dem nachsinnest, wie
deine Seel gesund, reich, frölich, starck werde, geistliche göttliche
Nahrung geniesse, das himmlische Kleid und Sitten anziehe, das
Hauß das nicht mit Händen gemacht ist, sondern ewig ist, im H.
Geist bewohne? Kanst du rühig seyn, wanns nur im zeitlichen alles
nach Wunsch stehet und gehet, der Leib seine Sach und Gemächlich-
keit hat, gedenckende, wann nur deine Augen, Hand und Bauch
gnug haben, so werde dir dann das Reich GOttes schon zufallen;
Siehe so bist du ein ausgemachter Heyd, nach Christi Ausspruch
selbst. Matth. 6.

Sage nicht; Jch bekümmere mich auch um meine Seel, dann
das thaten auch die Heyden, wie aus ihren Bücheren zu ersehen;
aber ihr meistes Leben, Wandel und Handel zielete auf des Leibs
Glückseeligkeit: Du sagst, du glaubest ein ewig Gericht, eine Be-
lohnung des Guten und Straff des Bösen, ja es dringe dir offt ein kal-
ter Schrecken durch Marck und Bein, der dich bald von diesem bald
von jenem bösen Werck zuruck halte; Du glaubest ein unaussprechli-
che Freud und Seeligkeit, welches dich reitze zu vielem Guten, etc.
Almosen geben, etc. siehe, eben das ware auch bey den Heyden; ja
es sind viel unter ihnen viel weiter kommen in Enthaltung der Sün-
den, Zähmung ihrer Affecten, Fleiß der Tugenden, als viel 1000.
Nam-Christen heutigs Tags, also daß das dunckele Lichtlein des
Gewissens und die Träum ihrer Tichteren mehr bey ihnen vermocht,
als die deutliche Vorstellung der künfftigen, schrecklichen Haupt-
Veränderungen bey uns. Bist du also nicht einmahl so gut, als

ein
(a 3)

nach dem Modell des im Tabernackel und zu Jeruſalem angeſtellten
Dienſts eingerichtet waren.

Ein Heyd gefaͤllt ſich ſelbſt dermaſſen wohl in ſeinen Tugenden,
Gerechtigkeit, Redlichkeit, Treu, Keuſchheit, Ehrbarkeit, bur-
gerlicher Sittſamkeit, freuet ſich in ſeiner Weißheit, Gewalt,
Staͤrcke, Reichthum, Herrlichkeit, ſuchet Ruhm, menſchlich Lob
und Anſehen, und haltet das Evangelium vom Creutz fuͤr eine Thor-
heit, die Auferſtehung der Todten fuͤr eine laͤcherliche Sache, foͤrch-
tet den Tod, unangeſehen er groſſen Muth, Reſolution und Tapf-
ferkeit ſehen laßt, und ſeine Verzagtheit meiſterlich zu verbergen
weißt.

§. 4. Betrachte hier, der du dich einen Chriſt ruͤhmeſt, ob duEin Chriſt
ſoll ſich
hiernach
pruͤffen.

der Seelen hohen Adel erkenneſt, ob du mehr dem nachſinneſt, wie
deine Seel geſund, reich, froͤlich, ſtarck werde, geiſtliche goͤttliche
Nahrung genieſſe, das himmliſche Kleid und Sitten anziehe, das
Hauß das nicht mit Haͤnden gemacht iſt, ſondern ewig iſt, im H.
Geiſt bewohne? Kanſt du ruͤhig ſeyn, wanns nur im zeitlichen alles
nach Wunſch ſtehet und gehet, der Leib ſeine Sach und Gemaͤchlich-
keit hat, gedenckende, wann nur deine Augen, Hand und Bauch
gnug haben, ſo werde dir dann das Reich GOttes ſchon zufallen;
Siehe ſo biſt du ein ausgemachter Heyd, nach Chriſti Ausſpruch
ſelbſt. Matth. 6.

Sage nicht; Jch bekuͤmmere mich auch um meine Seel, dann
das thaten auch die Heyden, wie aus ihren Buͤcheren zu erſehen;
aber ihr meiſtes Leben, Wandel und Handel zielete auf des Leibs
Gluͤckſeeligkeit: Du ſagſt, du glaubeſt ein ewig Gericht, eine Be-
lohnung des Guten und Straff des Boͤſen, ja es dringe dir offt ein kal-
ter Schrecken durch Marck und Bein, der dich bald von dieſem bald
von jenem boͤſen Werck zuruck halte; Du glaubeſt ein unausſprechli-
che Freud und Seeligkeit, welches dich reitze zu vielem Guten, ꝛc.
Almoſen geben, ꝛc. ſiehe, eben das ware auch bey den Heyden; ja
es ſind viel unter ihnen viel weiter kommen in Enthaltung der Suͤn-
den, Zaͤhmung ihrer Affecten, Fleiß der Tugenden, als viel 1000.
Nam-Chriſten heutigs Tags, alſo daß das dunckele Lichtlein des
Gewiſſens und die Traͤum ihrer Tichteren mehr bey ihnen vermocht,
als die deutliche Vorſtellung der kuͤnfftigen, ſchrecklichen Haupt-
Veraͤnderungen bey uns. Biſt du alſo nicht einmahl ſo gut, als

ein
(a 3)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0061" n="5"/>
nach dem Modell des im Tabernackel und zu Jeru&#x017F;alem ange&#x017F;tellten<lb/>
Dien&#x017F;ts eingerichtet waren.</p><lb/>
          <p>Ein Heyd gefa&#x0364;llt &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t derma&#x017F;&#x017F;en wohl in &#x017F;einen Tugenden,<lb/>
Gerechtigkeit, Redlichkeit, Treu, Keu&#x017F;chheit, Ehrbarkeit, bur-<lb/>
gerlicher Sitt&#x017F;amkeit, freuet &#x017F;ich in &#x017F;einer Weißheit, Gewalt,<lb/>
Sta&#x0364;rcke, Reichthum, Herrlichkeit, &#x017F;uchet Ruhm, men&#x017F;chlich Lob<lb/>
und An&#x017F;ehen, und haltet das Evangelium vom Creutz fu&#x0364;r eine Thor-<lb/>
heit, die Aufer&#x017F;tehung der Todten fu&#x0364;r eine la&#x0364;cherliche Sache, fo&#x0364;rch-<lb/>
tet den Tod, unange&#x017F;ehen er gro&#x017F;&#x017F;en Muth, Re&#x017F;olution und Tapf-<lb/>
ferkeit &#x017F;ehen laßt, und &#x017F;eine Verzagtheit mei&#x017F;terlich zu verbergen<lb/>
weißt.</p><lb/>
          <p>§. 4. Betrachte hier, der du dich einen Chri&#x017F;t ru&#x0364;hme&#x017F;t, ob du<note place="right">Ein Chri&#x017F;t<lb/>
&#x017F;oll &#x017F;ich<lb/>
hiernach<lb/>
pru&#x0364;ffen.</note><lb/>
der Seelen hohen Adel erkenne&#x017F;t, ob du mehr dem nach&#x017F;inne&#x017F;t, wie<lb/>
deine Seel ge&#x017F;und, reich, fro&#x0364;lich, &#x017F;tarck werde, gei&#x017F;tliche go&#x0364;ttliche<lb/>
Nahrung genie&#x017F;&#x017F;e, das himmli&#x017F;che Kleid und Sitten anziehe, das<lb/>
Hauß das nicht mit Ha&#x0364;nden gemacht i&#x017F;t, &#x017F;ondern ewig i&#x017F;t, im H.<lb/>
Gei&#x017F;t bewohne? Kan&#x017F;t du ru&#x0364;hig &#x017F;eyn, wanns nur im zeitlichen alles<lb/>
nach Wun&#x017F;ch &#x017F;tehet und gehet, der Leib &#x017F;eine Sach und Gema&#x0364;chlich-<lb/>
keit hat, gedenckende, wann nur deine Augen, Hand und Bauch<lb/>
gnug haben, &#x017F;o werde dir dann das Reich GOttes &#x017F;chon zufallen;<lb/>
Siehe &#x017F;o bi&#x017F;t du ein ausgemachter Heyd, nach Chri&#x017F;ti Aus&#x017F;pruch<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t. Matth. 6.</p><lb/>
          <p>Sage nicht; Jch beku&#x0364;mmere mich auch um meine Seel, dann<lb/>
das thaten auch die Heyden, wie aus ihren Bu&#x0364;cheren zu er&#x017F;ehen;<lb/>
aber ihr mei&#x017F;tes Leben, Wandel und Handel zielete auf des Leibs<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit: Du &#x017F;ag&#x017F;t, du glaube&#x017F;t ein ewig Gericht, eine Be-<lb/>
lohnung des Guten und Straff des Bo&#x0364;&#x017F;en, ja es dringe dir offt ein kal-<lb/>
ter Schrecken durch Marck und Bein, der dich bald von die&#x017F;em bald<lb/>
von jenem bo&#x0364;&#x017F;en Werck zuruck halte; Du glaube&#x017F;t ein unaus&#x017F;prechli-<lb/>
che Freud und Seeligkeit, welches dich reitze zu vielem Guten, &#xA75B;c.<lb/>
Almo&#x017F;en geben, &#xA75B;c. &#x017F;iehe, eben das ware auch bey den Heyden; ja<lb/>
es &#x017F;ind viel unter ihnen viel weiter kommen in Enthaltung der Su&#x0364;n-<lb/>
den, Za&#x0364;hmung ihrer Affecten, Fleiß der Tugenden, als viel 1000.<lb/>
Nam-Chri&#x017F;ten heutigs Tags, al&#x017F;o daß das dunckele Lichtlein des<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;ens und die Tra&#x0364;um ihrer Tichteren mehr bey ihnen vermocht,<lb/>
als die deutliche Vor&#x017F;tellung der ku&#x0364;nfftigen, &#x017F;chrecklichen Haupt-<lb/>
Vera&#x0364;nderungen bey uns. Bi&#x017F;t du al&#x017F;o nicht einmahl &#x017F;o gut, als<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(a 3)</fw><fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0061] nach dem Modell des im Tabernackel und zu Jeruſalem angeſtellten Dienſts eingerichtet waren. Ein Heyd gefaͤllt ſich ſelbſt dermaſſen wohl in ſeinen Tugenden, Gerechtigkeit, Redlichkeit, Treu, Keuſchheit, Ehrbarkeit, bur- gerlicher Sittſamkeit, freuet ſich in ſeiner Weißheit, Gewalt, Staͤrcke, Reichthum, Herrlichkeit, ſuchet Ruhm, menſchlich Lob und Anſehen, und haltet das Evangelium vom Creutz fuͤr eine Thor- heit, die Auferſtehung der Todten fuͤr eine laͤcherliche Sache, foͤrch- tet den Tod, unangeſehen er groſſen Muth, Reſolution und Tapf- ferkeit ſehen laßt, und ſeine Verzagtheit meiſterlich zu verbergen weißt. §. 4. Betrachte hier, der du dich einen Chriſt ruͤhmeſt, ob du der Seelen hohen Adel erkenneſt, ob du mehr dem nachſinneſt, wie deine Seel geſund, reich, froͤlich, ſtarck werde, geiſtliche goͤttliche Nahrung genieſſe, das himmliſche Kleid und Sitten anziehe, das Hauß das nicht mit Haͤnden gemacht iſt, ſondern ewig iſt, im H. Geiſt bewohne? Kanſt du ruͤhig ſeyn, wanns nur im zeitlichen alles nach Wunſch ſtehet und gehet, der Leib ſeine Sach und Gemaͤchlich- keit hat, gedenckende, wann nur deine Augen, Hand und Bauch gnug haben, ſo werde dir dann das Reich GOttes ſchon zufallen; Siehe ſo biſt du ein ausgemachter Heyd, nach Chriſti Ausſpruch ſelbſt. Matth. 6. Ein Chriſt ſoll ſich hiernach pruͤffen. Sage nicht; Jch bekuͤmmere mich auch um meine Seel, dann das thaten auch die Heyden, wie aus ihren Buͤcheren zu erſehen; aber ihr meiſtes Leben, Wandel und Handel zielete auf des Leibs Gluͤckſeeligkeit: Du ſagſt, du glaubeſt ein ewig Gericht, eine Be- lohnung des Guten und Straff des Boͤſen, ja es dringe dir offt ein kal- ter Schrecken durch Marck und Bein, der dich bald von dieſem bald von jenem boͤſen Werck zuruck halte; Du glaubeſt ein unausſprechli- che Freud und Seeligkeit, welches dich reitze zu vielem Guten, ꝛc. Almoſen geben, ꝛc. ſiehe, eben das ware auch bey den Heyden; ja es ſind viel unter ihnen viel weiter kommen in Enthaltung der Suͤn- den, Zaͤhmung ihrer Affecten, Fleiß der Tugenden, als viel 1000. Nam-Chriſten heutigs Tags, alſo daß das dunckele Lichtlein des Gewiſſens und die Traͤum ihrer Tichteren mehr bey ihnen vermocht, als die deutliche Vorſtellung der kuͤnfftigen, ſchrecklichen Haupt- Veraͤnderungen bey uns. Biſt du alſo nicht einmahl ſo gut, als ein (a 3)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/61
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/61>, abgerufen am 02.05.2024.