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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Gedancken von den Seelen-Aengsten.
angienge! GOtt mag seyn gegen dir wie er will, so sollt du ihm doch
nie nichts zuwider thun, du hast kein Recht ihn zu beleidigen, aber
wohl zu lieben, zu loben und zu preisen. Das richtigste ist, daß du
in allen Zufällen nur diese theurste Gnade ausbittest, wider deinen
frommen GOTT nirgend inn zu sündigen.

§. 33. Und gesetzt, das Vergangene sey alles nur Einbildung ge-Man soll
je eher je
lieber
Gnade su-
chen,

wesen und du habest noch nie wahre Gnade gehabt, ey da ist wiede-
rum guter Rath, suche sie noch jetzt, GOtt ist dir hold, es ist besser
spat als gar nie, diese Lehre gibt dir der seelige Schächer am Creutz,
und schreyt dir zu mit voller Kählen; Sünder! verspäte dich noch heu-
te nicht, komm hieher zum Gnaden-Meer, meine Füsse stunden allbe-
reit im Abgrund, ich hatte keine Gnad, ich lebte entblößt vom Glau-
ben und H. Geist biß auf diese Stund, noch ist es mir gelungen; die-
sen Weg verlierst du nichts, alle wahre Gnad ist in GOTT aufgeho-
ben und verborgen, es gehet dir deswegen nichts ab vom beygelegten
Schatz, ob du schon nicht eigentlich weissest, ob und wie viel du em-
pfangen.

(3.) Auch ist leyder! allzugemein, daß der Glaube mit Gesetzlichkeit
vermenget ist, und nicht lauterlich auf die freye Gnade GOttes des
Vatters und des HErren JEsu Christi gebauet ist, sondern auch auf
ihr eigen Werck und Tugend. Bey solchen kan der Feind ankommen
nach Lust, sie über ihre Schwachheiten und Fehler sehr beängstigen.
Aber die zerschlagenen und göttlich gedemüthigten Seelen entrinnen
diesem, und machen ihm seine Pfeile zu nichten, durch das kindliche
Anhangen an der lautern Gnade. Denn GOtt wohnet in solchen
Seelen Jes. 57, 15. aber die unlautern und mit dem Sauerteig der
Werckheiligkeit vermengte Seelen müssen eben darum durch tausend
Angst-Proben gehen, daß ihr Glaube geläutert, und der falsche Trost
zu nichten werde, und sie lernen sich an des HERREN Gnade be-
gnügen zu lassen 2 Cor. XII. 9.

§. 34. Das Gesetz klebt hart an, Moses laßt dich nicht so leicht mitauch we-
der auf
des Gese-
tzes Werck
noch seine
Kräfften
bauen.

Frieden, es heißt immer, o hätte ich doch besser nach Christi Regel
gelebt, nicht so viel gesündiget und zwar so grob und schwerlich, ach
wäre nur das und jenes nicht, das stoßt mir den Riegel und druckt
mich in die Höll; ich will mich wills GOtt bessern, wanns nur noch
Zeit und nicht zu spath ist, ich sehe jetzt wohl wo ich gefehlt und was
vor Begierden, Klagen und Vorsätze die Angst des Gesetzes noch

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Gedancken von den Seelen-Aengſten.
angienge! GOtt mag ſeyn gegen dir wie er will, ſo ſollt du ihm doch
nie nichts zuwider thun, du haſt kein Recht ihn zu beleidigen, aber
wohl zu lieben, zu loben und zu preiſen. Das richtigſte iſt, daß du
in allen Zufaͤllen nur dieſe theurſte Gnade ausbitteſt, wider deinen
frommen GOTT nirgend inn zu ſuͤndigen.

§. 33. Und geſetzt, das Vergangene ſey alles nur Einbildung ge-Man ſoll
je eher je
lieber
Gnade ſu-
chen,

weſen und du habeſt noch nie wahre Gnade gehabt, ey da iſt wiede-
rum guter Rath, ſuche ſie noch jetzt, GOtt iſt dir hold, es iſt beſſer
ſpat als gar nie, dieſe Lehre gibt dir der ſeelige Schaͤcher am Creutz,
und ſchreyt dir zu mit voller Kaͤhlen; Suͤnder! verſpaͤte dich noch heu-
te nicht, komm hieher zum Gnaden-Meer, meine Fuͤſſe ſtunden allbe-
reit im Abgrund, ich hatte keine Gnad, ich lebte entbloͤßt vom Glau-
ben und H. Geiſt biß auf dieſe Stund, noch iſt es mir gelungen; die-
ſen Weg verlierſt du nichts, alle wahre Gnad iſt in GOTT aufgeho-
ben und verborgen, es gehet dir deswegen nichts ab vom beygelegten
Schatz, ob du ſchon nicht eigentlich weiſſeſt, ob und wie viel du em-
pfangen.

(3.) Auch iſt leyder! allzugemein, daß der Glaube mit Geſetzlichkeit
vermenget iſt, und nicht lauterlich auf die freye Gnade GOttes des
Vatters und des HErren JEſu Chriſti gebauet iſt, ſondern auch auf
ihr eigen Werck und Tugend. Bey ſolchen kan der Feind ankommen
nach Luſt, ſie uͤber ihre Schwachheiten und Fehler ſehr beaͤngſtigen.
Aber die zerſchlagenen und goͤttlich gedemuͤthigten Seelen entrinnen
dieſem, und machen ihm ſeine Pfeile zu nichten, durch das kindliche
Anhangen an der lautern Gnade. Denn GOtt wohnet in ſolchen
Seelen Jeſ. 57, 15. aber die unlautern und mit dem Sauerteig der
Werckheiligkeit vermengte Seelen muͤſſen eben darum durch tauſend
Angſt-Proben gehen, daß ihr Glaube gelaͤutert, und der falſche Troſt
zu nichten werde, und ſie lernen ſich an des HERREN Gnade be-
gnuͤgen zu laſſen 2 Cor. XII. 9.

§. 34. Das Geſetz klebt hart an, Moſes laßt dich nicht ſo leicht mitauch we-
der auf
des Geſe-
tzes Werck
noch ſeine
Kraͤfften
bauen.

Frieden, es heißt immer, o haͤtte ich doch beſſer nach Chriſti Regel
gelebt, nicht ſo viel geſuͤndiget und zwar ſo grob und ſchwerlich, ach
waͤre nur das und jenes nicht, das ſtoßt mir den Riegel und druckt
mich in die Hoͤll; ich will mich wills GOtt beſſern, wanns nur noch
Zeit und nicht zu ſpath iſt, ich ſehe jetzt wohl wo ich gefehlt und was
vor Begierden, Klagen und Vorſaͤtze die Angſt des Geſetzes noch

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[503/0599] Gedancken von den Seelen-Aengſten. angienge! GOtt mag ſeyn gegen dir wie er will, ſo ſollt du ihm doch nie nichts zuwider thun, du haſt kein Recht ihn zu beleidigen, aber wohl zu lieben, zu loben und zu preiſen. Das richtigſte iſt, daß du in allen Zufaͤllen nur dieſe theurſte Gnade ausbitteſt, wider deinen frommen GOTT nirgend inn zu ſuͤndigen. §. 33. Und geſetzt, das Vergangene ſey alles nur Einbildung ge- weſen und du habeſt noch nie wahre Gnade gehabt, ey da iſt wiede- rum guter Rath, ſuche ſie noch jetzt, GOtt iſt dir hold, es iſt beſſer ſpat als gar nie, dieſe Lehre gibt dir der ſeelige Schaͤcher am Creutz, und ſchreyt dir zu mit voller Kaͤhlen; Suͤnder! verſpaͤte dich noch heu- te nicht, komm hieher zum Gnaden-Meer, meine Fuͤſſe ſtunden allbe- reit im Abgrund, ich hatte keine Gnad, ich lebte entbloͤßt vom Glau- ben und H. Geiſt biß auf dieſe Stund, noch iſt es mir gelungen; die- ſen Weg verlierſt du nichts, alle wahre Gnad iſt in GOTT aufgeho- ben und verborgen, es gehet dir deswegen nichts ab vom beygelegten Schatz, ob du ſchon nicht eigentlich weiſſeſt, ob und wie viel du em- pfangen. Man ſoll je eher je lieber Gnade ſu- chen, (3.) Auch iſt leyder! allzugemein, daß der Glaube mit Geſetzlichkeit vermenget iſt, und nicht lauterlich auf die freye Gnade GOttes des Vatters und des HErren JEſu Chriſti gebauet iſt, ſondern auch auf ihr eigen Werck und Tugend. Bey ſolchen kan der Feind ankommen nach Luſt, ſie uͤber ihre Schwachheiten und Fehler ſehr beaͤngſtigen. Aber die zerſchlagenen und goͤttlich gedemuͤthigten Seelen entrinnen dieſem, und machen ihm ſeine Pfeile zu nichten, durch das kindliche Anhangen an der lautern Gnade. Denn GOtt wohnet in ſolchen Seelen Jeſ. 57, 15. aber die unlautern und mit dem Sauerteig der Werckheiligkeit vermengte Seelen muͤſſen eben darum durch tauſend Angſt-Proben gehen, daß ihr Glaube gelaͤutert, und der falſche Troſt zu nichten werde, und ſie lernen ſich an des HERREN Gnade be- gnuͤgen zu laſſen 2 Cor. XII. 9. §. 34. Das Geſetz klebt hart an, Moſes laßt dich nicht ſo leicht mit Frieden, es heißt immer, o haͤtte ich doch beſſer nach Chriſti Regel gelebt, nicht ſo viel geſuͤndiget und zwar ſo grob und ſchwerlich, ach waͤre nur das und jenes nicht, das ſtoßt mir den Riegel und druckt mich in die Hoͤll; ich will mich wills GOtt beſſern, wanns nur noch Zeit und nicht zu ſpath iſt, ich ſehe jetzt wohl wo ich gefehlt und was vor Begierden, Klagen und Vorſaͤtze die Angſt des Geſetzes noch mehr auch we- der auf des Geſe- tzes Werck noch ſeine Kraͤfften bauen.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/599>, abgerufen am 21.11.2024.