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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Gedancken von den Seelen-Aengsten.
geschicht nichts auf Erden, daß so viel Verwunderns, Gratulierens
und Glückwünschens im Himmel verursache, als wo ein sothanes
Gnaden-Kind oder neue geistliche Wesen und rechtschaffener Erb der
neuen Welt, schön, munter, gesund und vollkommen an die Welt kommt.

Fleischli-
chen See-
len kommet
Satan am
besten bey.

§. 26. Besser gelingt es ihm bey untreuen, faulen, zärtlichen und
noch meist fleischlichen Seelen, sonderlich die mit schweren Sünden
beflecket sind, die kan er schröcklich in sein Angst-Reich ziehen, daß
man lange Jahr an ihnen zu trösten hat. Und scheinet, GOtt der
HErr lasse solches zu, sie in diesem Angst-Feuer zu schmeltzen, und
gründlich zu demüthigen. Denen kan ein in solchen Wegen geübter
Tröster nutzliche Dienste leisten; wie hingegen ein unweiser und unge-
übter Tröster sie in erschröckliche Labyrinthen bringe, daß bey ihnen
aus übel täglich ärger wird.

Wie sich
die welche
meinen
GOTT
solle sie
gleich aus
den Ban-
gigkeiten
befreyen,
betrügen.

§. 27. Manche Seele will gleich von aller Bangigkeit erlediget seyn,
allein man muß vor allen Dingen den Eiterschwären fein ausdrucken,
ehe der kühlende Trost-Balsam eingetröpffelt werde: Der Mensch ist
gar zu falsch; er scheuet nicht von gantzem Hertzen, was ihn befleckt;
er laßt nun und denn mit Willen an sich, was seine Seele vor GOtt
eckelhafft oder gemein macht und meynt doch das allerheiligste Wesen
solle ihn im Schooß seines holdesten Friedens behalten und den höchst-
sträfflichen Greuel durch Entziehung seiner Ruhe und durch würckli-
che Beängstigung nicht ahnden. Ach man weichet von der Zucht und
Regierung des H. Geistes, man ist ungerecht, liebloß, heuchlerisch,
geitzig, hochmüthig, lustsüchtig, laßt das böse heimlich um sich fres-
sen wie der Krebs, mithin macht man sich zu einem Glied des Thiers
und gleichwohl will man keine Ungelegenheit davon empfinden, son-
dern von allen Straff-Gerichten befreyet seyn: das aber gehet nicht
an; GOTT wird niemand was besonders machen; die Sünd muß
gäntzlich fort, oder GOttes gerechter Zorn, des Gesetzes Fluch und
deines eigenen Gewissens Unruh folgen deinem Thun auf dem Fuß
nach, wie deine Buß ist, so ist auch deine Seeligkeit, entweder gut
und göttlich oder falsch, eingebildet, ohne Grund: So viel du von
Babels, Sedoms, Egyptens Art und Sinn gleißnerisch hegest und
verdeckest, so viel erwarte auch von denen Zorn-Gerichten, Angst-
Feuer, Schwefel der Verdammenden, Krafft der Sünden, Stri-
cken der Höllen- und Todes-Noth.

§. 28. Der beste dauerhaffteste Trost, so man unsteiffen Seelen und

unre-

Gedancken von den Seelen-Aengſten.
geſchicht nichts auf Erden, daß ſo viel Verwunderns, Gratulierens
und Gluͤckwuͤnſchens im Himmel verurſache, als wo ein ſothanes
Gnaden-Kind oder neue geiſtliche Weſen und rechtſchaffener Erb der
neuen Welt, ſchoͤn, munter, geſund und vollkommen an die Welt kom̃t.

Fleiſchli-
chen See-
len kom̃et
Satan am
beſten bey.

§. 26. Beſſer gelingt es ihm bey untreuen, faulen, zaͤrtlichen und
noch meiſt fleiſchlichen Seelen, ſonderlich die mit ſchweren Suͤnden
beflecket ſind, die kan er ſchroͤcklich in ſein Angſt-Reich ziehen, daß
man lange Jahr an ihnen zu troͤſten hat. Und ſcheinet, GOtt der
HErr laſſe ſolches zu, ſie in dieſem Angſt-Feuer zu ſchmeltzen, und
gruͤndlich zu demuͤthigen. Denen kan ein in ſolchen Wegen geuͤbter
Troͤſter nutzliche Dienſte leiſten; wie hingegen ein unweiſer und unge-
uͤbter Troͤſter ſie in erſchroͤckliche Labyrinthen bringe, daß bey ihnen
aus uͤbel taͤglich aͤrger wird.

Wie ſich
die welche
meinen
GOTT
ſolle ſie
gleich aus
den Ban-
gigkeiten
befreyen,
betruͤgen.

§. 27. Manche Seele will gleich von aller Bangigkeit erlediget ſeyn,
allein man muß vor allen Dingen den Eiterſchwaͤren fein ausdrucken,
ehe der kuͤhlende Troſt-Balſam eingetroͤpffelt werde: Der Menſch iſt
gar zu falſch; er ſcheuet nicht von gantzem Hertzen, was ihn befleckt;
er laßt nun und denn mit Willen an ſich, was ſeine Seele vor GOtt
eckelhafft oder gemein macht und meynt doch das allerheiligſte Weſen
ſolle ihn im Schooß ſeines holdeſten Friedens behalten und den hoͤchſt-
ſtraͤfflichen Greuel durch Entziehung ſeiner Ruhe und durch wuͤrckli-
che Beaͤngſtigung nicht ahnden. Ach man weichet von der Zucht und
Regierung des H. Geiſtes, man iſt ungerecht, liebloß, heuchleriſch,
geitzig, hochmuͤthig, luſtſuͤchtig, laßt das boͤſe heimlich um ſich freſ-
ſen wie der Krebs, mithin macht man ſich zu einem Glied des Thiers
und gleichwohl will man keine Ungelegenheit davon empfinden, ſon-
dern von allen Straff-Gerichten befreyet ſeyn: das aber gehet nicht
an; GOTT wird niemand was beſonders machen; die Suͤnd muß
gaͤntzlich fort, oder GOttes gerechter Zorn, des Geſetzes Fluch und
deines eigenen Gewiſſens Unruh folgen deinem Thun auf dem Fuß
nach, wie deine Buß iſt, ſo iſt auch deine Seeligkeit, entweder gut
und goͤttlich oder falſch, eingebildet, ohne Grund: So viel du von
Babels, Sedoms, Egyptens Art und Sinn gleißneriſch hegeſt und
verdeckeſt, ſo viel erwarte auch von denen Zorn-Gerichten, Angſt-
Feuer, Schwefel der Verdammenden, Krafft der Suͤnden, Stri-
cken der Hoͤllen- und Todes-Noth.

§. 28. Der beſte dauerhaffteſte Troſt, ſo man unſteiffen Seelen und

unre-
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[500/0596] Gedancken von den Seelen-Aengſten. geſchicht nichts auf Erden, daß ſo viel Verwunderns, Gratulierens und Gluͤckwuͤnſchens im Himmel verurſache, als wo ein ſothanes Gnaden-Kind oder neue geiſtliche Weſen und rechtſchaffener Erb der neuen Welt, ſchoͤn, munter, geſund und vollkommen an die Welt kom̃t. §. 26. Beſſer gelingt es ihm bey untreuen, faulen, zaͤrtlichen und noch meiſt fleiſchlichen Seelen, ſonderlich die mit ſchweren Suͤnden beflecket ſind, die kan er ſchroͤcklich in ſein Angſt-Reich ziehen, daß man lange Jahr an ihnen zu troͤſten hat. Und ſcheinet, GOtt der HErr laſſe ſolches zu, ſie in dieſem Angſt-Feuer zu ſchmeltzen, und gruͤndlich zu demuͤthigen. Denen kan ein in ſolchen Wegen geuͤbter Troͤſter nutzliche Dienſte leiſten; wie hingegen ein unweiſer und unge- uͤbter Troͤſter ſie in erſchroͤckliche Labyrinthen bringe, daß bey ihnen aus uͤbel taͤglich aͤrger wird. §. 27. Manche Seele will gleich von aller Bangigkeit erlediget ſeyn, allein man muß vor allen Dingen den Eiterſchwaͤren fein ausdrucken, ehe der kuͤhlende Troſt-Balſam eingetroͤpffelt werde: Der Menſch iſt gar zu falſch; er ſcheuet nicht von gantzem Hertzen, was ihn befleckt; er laßt nun und denn mit Willen an ſich, was ſeine Seele vor GOtt eckelhafft oder gemein macht und meynt doch das allerheiligſte Weſen ſolle ihn im Schooß ſeines holdeſten Friedens behalten und den hoͤchſt- ſtraͤfflichen Greuel durch Entziehung ſeiner Ruhe und durch wuͤrckli- che Beaͤngſtigung nicht ahnden. Ach man weichet von der Zucht und Regierung des H. Geiſtes, man iſt ungerecht, liebloß, heuchleriſch, geitzig, hochmuͤthig, luſtſuͤchtig, laßt das boͤſe heimlich um ſich freſ- ſen wie der Krebs, mithin macht man ſich zu einem Glied des Thiers und gleichwohl will man keine Ungelegenheit davon empfinden, ſon- dern von allen Straff-Gerichten befreyet ſeyn: das aber gehet nicht an; GOTT wird niemand was beſonders machen; die Suͤnd muß gaͤntzlich fort, oder GOttes gerechter Zorn, des Geſetzes Fluch und deines eigenen Gewiſſens Unruh folgen deinem Thun auf dem Fuß nach, wie deine Buß iſt, ſo iſt auch deine Seeligkeit, entweder gut und goͤttlich oder falſch, eingebildet, ohne Grund: So viel du von Babels, Sedoms, Egyptens Art und Sinn gleißneriſch hegeſt und verdeckeſt, ſo viel erwarte auch von denen Zorn-Gerichten, Angſt- Feuer, Schwefel der Verdammenden, Krafft der Suͤnden, Stri- cken der Hoͤllen- und Todes-Noth. §. 28. Der beſte dauerhaffteſte Troſt, ſo man unſteiffen Seelen und unre-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/596>, abgerufen am 22.11.2024.