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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Die unter der Kelter des Zorns GOttes
daß es gantz ein ander Wesen, JEsum im H. Geist zu studieren,
als mit der Vernunfft in todten Bücheren und Schrifften herum zu
fahren; sie würden sehen, daß keine Erleuchtung von oben die See-
le bestrahlen; kein lebendige Erkanntnuß JEsu in dem Hertzen Platz
haben könne, ohne vorhergegangene grundliche Reinigung; und eben
dardurch sollten sie tüchtig werden, lebendige Zeugen der Wahrheit
und Herrlichkeit, wie auch Botten seiner unaussprechlichen Liebe an
die Welt zu seyn; und also aus eigener Erfahrung reden, von dem
was ihre Augen gesehen, und ihre Ohren gehöret hätten vom Wort
des Lebens; wie von Alters keine andere als erfahrne und geübte
Streiter JEsu Christi zu Hauptleuten angenommen wurden, wel-
che ihre Untergebenen desto füglich- und glücklicher in den Kriegen
des HErren anführeten, weilen sie selbsten unter ihres Feld-Herren
Panier gestritten, den Bößwicht überwunden, und manche Kriegs-
List erlernet hatten.

Bey Jh-
me allein
lehret
man die
rechte
Weißheit.

§. 15. Was von JEsu selbst kommt, hat einen unendlichen Seegen.
Oder ich frage euch, wie viel tausend Studenten waren damahls
zu Jerusalem? da ein einiger Rabbi Akiba etliche und zwantzig tau-
send Schuler hatte; darunter wohl mancher mag gewesen seyn, dem
es an Natur-Gaben und einer gewaltigen Drösch-Zungen nicht ge-
fehlet, der auch weltliche Weißheit und Buchstaben häuffig in sein
Gehirn mag zusammen geraffet haben; Aber was ist gutes daraus
hervorkommen, das in die Ewigkeit tauge? ist nicht alles zusammen
wie Spreuer zerstäupet und verflogen? weißt auch jemand, wer der
beste im disputieren oder zancken und perorieren oder schwätzen da-
mahls gewesen, will nicht sagen, daß bey todtem buchstäblichen Wis-
sen, so wenig Seeligkeit in der finsteren eigenliebigen Seel Raum
habe, als bey dem finsteren Satan, der Christum wohl kennet, und
Paulum auch wohl weißt? Wie seynd nicht hingegen die Jünger die-
ses grossen Meisters, die zwar von Egyptischer, Griechischer, Rö-
mischer und Hebräischer Weißheit leer waren, aber sich genau zu JE-
su dem Licht der Welt hielten, so weis worden, gelehret vom H.
Geist? seynd nicht unzehliche Menschen durch sie dem Satan entris-
sen, und in das Reich des wunderbaren Lichts hineingebracht worden?
haben nicht ihre wenige hinderlassene Briefe mehr Krafft und Heyl
in der Welt gewürcket, als so viel tausend Folianten hochgelehrter
und Welt-berühmter Männeren? warum doch dieses? warum an-

ders?

Die unter der Kelter des Zorns GOttes
daß es gantz ein ander Weſen, JEſum im H. Geiſt zu ſtudieren,
als mit der Vernunfft in todten Buͤcheren und Schrifften herum zu
fahren; ſie wuͤrden ſehen, daß keine Erleuchtung von oben die See-
le beſtrahlen; kein lebendige Erkanntnuß JEſu in dem Hertzen Platz
haben koͤnne, ohne vorhergegangene grundliche Reinigung; und eben
dardurch ſollten ſie tuͤchtig werden, lebendige Zeugen der Wahrheit
und Herrlichkeit, wie auch Botten ſeiner unausſprechlichen Liebe an
die Welt zu ſeyn; und alſo aus eigener Erfahrung reden, von dem
was ihre Augen geſehen, und ihre Ohren gehoͤret haͤtten vom Wort
des Lebens; wie von Alters keine andere als erfahrne und geuͤbte
Streiter JEſu Chriſti zu Hauptleuten angenommen wurden, wel-
che ihre Untergebenen deſto fuͤglich- und gluͤcklicher in den Kriegen
des HErren anfuͤhreten, weilen ſie ſelbſten unter ihres Feld-Herren
Panier geſtritten, den Boͤßwicht uͤberwunden, und manche Kriegs-
Liſt erlernet hatten.

Bey Jh-
me allein
lehret
man die
rechte
Weißheit.

§. 15. Was von JEſu ſelbſt kommt, hat einen unendlichen Seegen.
Oder ich frage euch, wie viel tauſend Studenten waren damahls
zu Jeruſalem? da ein einiger Rabbi Akiba etliche und zwantzig tau-
ſend Schuler hatte; darunter wohl mancher mag geweſen ſeyn, dem
es an Natur-Gaben und einer gewaltigen Droͤſch-Zungen nicht ge-
fehlet, der auch weltliche Weißheit und Buchſtaben haͤuffig in ſein
Gehirn mag zuſammen geraffet haben; Aber was iſt gutes daraus
hervorkommen, das in die Ewigkeit tauge? iſt nicht alles zuſammen
wie Spreuer zerſtaͤupet und verflogen? weißt auch jemand, wer der
beſte im diſputieren oder zancken und perorieren oder ſchwaͤtzen da-
mahls geweſen, will nicht ſagen, daß bey todtem buchſtaͤblichen Wiſ-
ſen, ſo wenig Seeligkeit in der finſteren eigenliebigen Seel Raum
habe, als bey dem finſteren Satan, der Chriſtum wohl kennet, und
Paulum auch wohl weißt? Wie ſeynd nicht hingegen die Juͤnger die-
ſes groſſen Meiſters, die zwar von Egyptiſcher, Griechiſcher, Roͤ-
miſcher und Hebraͤiſcher Weißheit leer waren, aber ſich genau zu JE-
ſu dem Licht der Welt hielten, ſo weis worden, gelehret vom H.
Geiſt? ſeynd nicht unzehliche Menſchen durch ſie dem Satan entriſ-
ſen, und in das Reich des wunderbaren Lichts hineingebracht worden?
haben nicht ihre wenige hinderlaſſene Briefe mehr Krafft und Heyl
in der Welt gewuͤrcket, als ſo viel tauſend Folianten hochgelehrter
und Welt-beruͤhmter Maͤnneren? warum doch dieſes? warum an-

ders?
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[446/0542] Die unter der Kelter des Zorns GOttes daß es gantz ein ander Weſen, JEſum im H. Geiſt zu ſtudieren, als mit der Vernunfft in todten Buͤcheren und Schrifften herum zu fahren; ſie wuͤrden ſehen, daß keine Erleuchtung von oben die See- le beſtrahlen; kein lebendige Erkanntnuß JEſu in dem Hertzen Platz haben koͤnne, ohne vorhergegangene grundliche Reinigung; und eben dardurch ſollten ſie tuͤchtig werden, lebendige Zeugen der Wahrheit und Herrlichkeit, wie auch Botten ſeiner unausſprechlichen Liebe an die Welt zu ſeyn; und alſo aus eigener Erfahrung reden, von dem was ihre Augen geſehen, und ihre Ohren gehoͤret haͤtten vom Wort des Lebens; wie von Alters keine andere als erfahrne und geuͤbte Streiter JEſu Chriſti zu Hauptleuten angenommen wurden, wel- che ihre Untergebenen deſto fuͤglich- und gluͤcklicher in den Kriegen des HErren anfuͤhreten, weilen ſie ſelbſten unter ihres Feld-Herren Panier geſtritten, den Boͤßwicht uͤberwunden, und manche Kriegs- Liſt erlernet hatten. §. 15. Was von JEſu ſelbſt kommt, hat einen unendlichen Seegen. Oder ich frage euch, wie viel tauſend Studenten waren damahls zu Jeruſalem? da ein einiger Rabbi Akiba etliche und zwantzig tau- ſend Schuler hatte; darunter wohl mancher mag geweſen ſeyn, dem es an Natur-Gaben und einer gewaltigen Droͤſch-Zungen nicht ge- fehlet, der auch weltliche Weißheit und Buchſtaben haͤuffig in ſein Gehirn mag zuſammen geraffet haben; Aber was iſt gutes daraus hervorkommen, das in die Ewigkeit tauge? iſt nicht alles zuſammen wie Spreuer zerſtaͤupet und verflogen? weißt auch jemand, wer der beſte im diſputieren oder zancken und perorieren oder ſchwaͤtzen da- mahls geweſen, will nicht ſagen, daß bey todtem buchſtaͤblichen Wiſ- ſen, ſo wenig Seeligkeit in der finſteren eigenliebigen Seel Raum habe, als bey dem finſteren Satan, der Chriſtum wohl kennet, und Paulum auch wohl weißt? Wie ſeynd nicht hingegen die Juͤnger die- ſes groſſen Meiſters, die zwar von Egyptiſcher, Griechiſcher, Roͤ- miſcher und Hebraͤiſcher Weißheit leer waren, aber ſich genau zu JE- ſu dem Licht der Welt hielten, ſo weis worden, gelehret vom H. Geiſt? ſeynd nicht unzehliche Menſchen durch ſie dem Satan entriſ- ſen, und in das Reich des wunderbaren Lichts hineingebracht worden? haben nicht ihre wenige hinderlaſſene Briefe mehr Krafft und Heyl in der Welt gewuͤrcket, als ſo viel tauſend Folianten hochgelehrter und Welt-beruͤhmter Maͤnneren? warum doch dieſes? warum an- ders?

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/542>, abgerufen am 20.05.2024.