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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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liegende Wein-Trauben.

Mercke hier lieber Mensch! daß du nicht alles allein auf JEsum
und dessen Leiden sollest ankommen lassen, und indessen in Sünden
sicher und sorgloß fort schlaffen, weilen ja nun JEsus für dich wa-
che; daß du ja nicht in deinem Gebett träg werdest, weilen JEsus
für dich bette. O nein! JEsus sagt hier zu seinen Jüngeren: wa-
chet mit mir/ bettet/ daß ihr nicht in Anfechtung fallet;
willt du
dann ein wahrer Jünger JEsu seyn, so seye nicht träg im wachen
und betten/
sonderen wache mit ihme; du bist ja bey weitem noch
nicht in dem Stand, indeme damahls die Jünger schon waren,
und die Gefahr, in deren du steckest, ist gewißlich eben so groß, als
die Gefahr der Jüngeren

§. 6. Auf welche Gefahr Er nun eben diese seine VermahnungDie Ur-
sach dieser
Vermah-
nung.

gründet, sagend: der Geist ist willig/ aber das Fleisch ist schwach;
welche Wort ungleich verstanden werden; Wovon im Anhang die
Rede seyn soll.

§. 7. Jnsgemein verstehet man durch den willigen Geist/ das Ge-Was
durch den
willigen
Geist und
schwaches
Fleisch zu
verstehen
seye.

müth oder den Willen des Menschen, nach welchem er eine Sach
hertzlich gut meynet, und sich festiglich entschlossen darbey zu verhar-
ren, alle Gefahr zu überwinden, und alle Hindernussen aus dem
Weg zu raumen; dabey an nichts böses gedencket, sonderen es auf
seine vermeynte Kräfften hin waget ohne vorhergegangene Prüffung
seiner eigenen Ohnmacht, ohne Gebett. Durch das Fleisch aber,
die Trägheit, Forcht, Zaghafftigkeit desselben, dadurch offt der
Mensch in seinem guten Fürhaben, Willen und Meynung plötzlich
verhinderet, hindertrieben und gestöret wird; so daß es gantz an-
derst und schlimmer heraus kommt, als er jemahlen vermeinet hätte.

§. 8. Diesemnach wollte dann der HErr sagen: ich weiß zwar wohl,Kurtze
Umschrei-
bung der
Worten,
der Geist
ist willig,
aber das
Fleisch ist
schwach.

daß ihr es sammtlich gut meynet, und euch entschlossen, bey mir zu
bleiben; ich weiß wohl, daß ihr willig seydt in allem und zu allem was
ich befehlen würde; aber ihr sehet und erfahret ja, wie euer Fleisch
so träg, euere Augen so schläfferig, daß ihr nicht im Stand seydt,
sie ein wenig aufzumunteren; O wie werdet ihr dann erst im Stand
seyn, auf die bevorstehende grosse Versuchung! fangt ihr jetzt schon
an zu wancken, beginnet jetzund schon euer Willen und Gemüth durch
das träge Fleisch unterdrucket zu werden, da noch keine Gefahr ob-
handen, o wie wird euer Geist dem Fleisch nachgeben müssen, wann
die Gefahr einbricht; derowegen ob ihr mich schon inniglich liebet,

und
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liegende Wein-Trauben.

Mercke hier lieber Menſch! daß du nicht alles allein auf JEſum
und deſſen Leiden ſolleſt ankommen laſſen, und indeſſen in Suͤnden
ſicher und ſorgloß fort ſchlaffen, weilen ja nun JEſus fuͤr dich wa-
che; daß du ja nicht in deinem Gebett traͤg werdeſt, weilen JEſus
fuͤr dich bette. O nein! JEſus ſagt hier zu ſeinen Juͤngeren: wa-
chet mit mir/ bettet/ daß ihr nicht in Anfechtung fallet;
willt du
dann ein wahrer Juͤnger JEſu ſeyn, ſo ſeye nicht traͤg im wachen
und betten/
ſonderen wache mit ihme; du biſt ja bey weitem noch
nicht in dem Stand, indeme damahls die Juͤnger ſchon waren,
und die Gefahr, in deren du ſteckeſt, iſt gewißlich eben ſo groß, als
die Gefahr der Juͤngeren

§. 6. Auf welche Gefahr Er nun eben dieſe ſeine VermahnungDie Ur-
ſach dieſer
Vermah-
nung.

gruͤndet, ſagend: der Geiſt iſt willig/ aber das Fleiſch iſt ſchwach;
welche Wort ungleich verſtanden werden; Wovon im Anhang die
Rede ſeyn ſoll.

§. 7. Jnsgemein verſtehet man durch den willigen Geiſt/ das Ge-Was
durch den
willigen
Geiſt und
ſchwaches
Fleiſch zu
verſtehen
ſeye.

muͤth oder den Willen des Menſchen, nach welchem er eine Sach
hertzlich gut meynet, und ſich feſtiglich entſchloſſen darbey zu verhar-
ren, alle Gefahr zu uͤberwinden, und alle Hindernuſſen aus dem
Weg zu raumen; dabey an nichts boͤſes gedencket, ſonderen es auf
ſeine vermeynte Kraͤfften hin waget ohne vorhergegangene Pruͤffung
ſeiner eigenen Ohnmacht, ohne Gebett. Durch das Fleiſch aber,
die Traͤgheit, Forcht, Zaghafftigkeit deſſelben, dadurch offt der
Menſch in ſeinem guten Fuͤrhaben, Willen und Meynung ploͤtzlich
verhinderet, hindertrieben und geſtoͤret wird; ſo daß es gantz an-
derſt und ſchlimmer heraus kommt, als er jemahlen vermeinet haͤtte.

§. 8. Dieſemnach wollte dann der HErr ſagen: ich weiß zwar wohl,Kurtze
Umſchrei-
bung der
Worten,
der Geiſt
iſt willig,
aber das
Fleiſch iſt
ſchwach.

daß ihr es ſammtlich gut meynet, und euch entſchloſſen, bey mir zu
bleiben; ich weiß wohl, daß ihr willig ſeydt in allem und zu allem was
ich befehlen wuͤrde; aber ihr ſehet und erfahret ja, wie euer Fleiſch
ſo traͤg, euere Augen ſo ſchlaͤfferig, daß ihr nicht im Stand ſeydt,
ſie ein wenig aufzumunteren; O wie werdet ihr dann erſt im Stand
ſeyn, auf die bevorſtehende groſſe Verſuchung! fangt ihr jetzt ſchon
an zu wancken, beginnet jetzund ſchon euer Willen und Gemuͤth durch
das traͤge Fleiſch unterdrucket zu werden, da noch keine Gefahr ob-
handen, o wie wird euer Geiſt dem Fleiſch nachgeben muͤſſen, wann
die Gefahr einbricht; derowegen ob ihr mich ſchon inniglich liebet,

und
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[427/0523] liegende Wein-Trauben. Mercke hier lieber Menſch! daß du nicht alles allein auf JEſum und deſſen Leiden ſolleſt ankommen laſſen, und indeſſen in Suͤnden ſicher und ſorgloß fort ſchlaffen, weilen ja nun JEſus fuͤr dich wa- che; daß du ja nicht in deinem Gebett traͤg werdeſt, weilen JEſus fuͤr dich bette. O nein! JEſus ſagt hier zu ſeinen Juͤngeren: wa- chet mit mir/ bettet/ daß ihr nicht in Anfechtung fallet; willt du dann ein wahrer Juͤnger JEſu ſeyn, ſo ſeye nicht traͤg im wachen und betten/ ſonderen wache mit ihme; du biſt ja bey weitem noch nicht in dem Stand, indeme damahls die Juͤnger ſchon waren, und die Gefahr, in deren du ſteckeſt, iſt gewißlich eben ſo groß, als die Gefahr der Juͤngeren §. 6. Auf welche Gefahr Er nun eben dieſe ſeine Vermahnung gruͤndet, ſagend: der Geiſt iſt willig/ aber das Fleiſch iſt ſchwach; welche Wort ungleich verſtanden werden; Wovon im Anhang die Rede ſeyn ſoll. Die Ur- ſach dieſer Vermah- nung. §. 7. Jnsgemein verſtehet man durch den willigen Geiſt/ das Ge- muͤth oder den Willen des Menſchen, nach welchem er eine Sach hertzlich gut meynet, und ſich feſtiglich entſchloſſen darbey zu verhar- ren, alle Gefahr zu uͤberwinden, und alle Hindernuſſen aus dem Weg zu raumen; dabey an nichts boͤſes gedencket, ſonderen es auf ſeine vermeynte Kraͤfften hin waget ohne vorhergegangene Pruͤffung ſeiner eigenen Ohnmacht, ohne Gebett. Durch das Fleiſch aber, die Traͤgheit, Forcht, Zaghafftigkeit deſſelben, dadurch offt der Menſch in ſeinem guten Fuͤrhaben, Willen und Meynung ploͤtzlich verhinderet, hindertrieben und geſtoͤret wird; ſo daß es gantz an- derſt und ſchlimmer heraus kommt, als er jemahlen vermeinet haͤtte. Was durch den willigen Geiſt und ſchwaches Fleiſch zu verſtehen ſeye. §. 8. Dieſemnach wollte dann der HErr ſagen: ich weiß zwar wohl, daß ihr es ſammtlich gut meynet, und euch entſchloſſen, bey mir zu bleiben; ich weiß wohl, daß ihr willig ſeydt in allem und zu allem was ich befehlen wuͤrde; aber ihr ſehet und erfahret ja, wie euer Fleiſch ſo traͤg, euere Augen ſo ſchlaͤfferig, daß ihr nicht im Stand ſeydt, ſie ein wenig aufzumunteren; O wie werdet ihr dann erſt im Stand ſeyn, auf die bevorſtehende groſſe Verſuchung! fangt ihr jetzt ſchon an zu wancken, beginnet jetzund ſchon euer Willen und Gemuͤth durch das traͤge Fleiſch unterdrucket zu werden, da noch keine Gefahr ob- handen, o wie wird euer Geiſt dem Fleiſch nachgeben muͤſſen, wann die Gefahr einbricht; derowegen ob ihr mich ſchon inniglich liebet, und Kurtze Umſchrei- bung der Worten, der Geiſt iſt willig, aber das Fleiſch iſt ſchwach. H h h 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/523>, abgerufen am 20.05.2024.