Mercke hier lieber Mensch! daß du nicht alles allein auf JEsum und dessen Leiden sollest ankommen lassen, und indessen in Sünden sicher und sorgloß fort schlaffen, weilen ja nun JEsus für dich wa- che; daß du ja nicht in deinem Gebett träg werdest, weilen JEsus für dich bette. O nein! JEsus sagt hier zu seinen Jüngeren: wa- chet mit mir/ bettet/ daß ihr nicht in Anfechtung fallet; willt du dann ein wahrer Jünger JEsu seyn, so seye nicht träg im wachen und betten/ sonderen wache mit ihme; du bist ja bey weitem noch nicht in dem Stand, indeme damahls die Jünger schon waren, und die Gefahr, in deren du steckest, ist gewißlich eben so groß, als die Gefahr der Jüngeren
§. 6. Auf welche Gefahr Er nun eben diese seine VermahnungDie Ur- sach dieser Vermah- nung. gründet, sagend: der Geist ist willig/ aber das Fleisch ist schwach; welche Wort ungleich verstanden werden; Wovon im Anhang die Rede seyn soll.
§. 7. Jnsgemein verstehet man durch den willigen Geist/ das Ge-Was durch den willigen Geist und schwaches Fleisch zu verstehen seye. müth oder den Willen des Menschen, nach welchem er eine Sach hertzlich gut meynet, und sich festiglich entschlossen darbey zu verhar- ren, alle Gefahr zu überwinden, und alle Hindernussen aus dem Weg zu raumen; dabey an nichts böses gedencket, sonderen es auf seine vermeynte Kräfften hin waget ohne vorhergegangene Prüffung seiner eigenen Ohnmacht, ohne Gebett. Durch das Fleisch aber, die Trägheit, Forcht, Zaghafftigkeit desselben, dadurch offt der Mensch in seinem guten Fürhaben, Willen und Meynung plötzlich verhinderet, hindertrieben und gestöret wird; so daß es gantz an- derst und schlimmer heraus kommt, als er jemahlen vermeinet hätte.
§. 8. Diesemnach wollte dann der HErr sagen: ich weiß zwar wohl,Kurtze Umschrei- bung der Worten, der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. daß ihr es sammtlich gut meynet, und euch entschlossen, bey mir zu bleiben; ich weiß wohl, daß ihr willig seydt in allem und zu allem was ich befehlen würde; aber ihr sehet und erfahret ja, wie euer Fleisch so träg, euere Augen so schläfferig, daß ihr nicht im Stand seydt, sie ein wenig aufzumunteren; O wie werdet ihr dann erst im Stand seyn, auf die bevorstehende grosse Versuchung! fangt ihr jetzt schon an zu wancken, beginnet jetzund schon euer Willen und Gemüth durch das träge Fleisch unterdrucket zu werden, da noch keine Gefahr ob- handen, o wie wird euer Geist dem Fleisch nachgeben müssen, wann die Gefahr einbricht; derowegen ob ihr mich schon inniglich liebet,
und
H h h 2
liegende Wein-Trauben.
Mercke hier lieber Menſch! daß du nicht alles allein auf JEſum und deſſen Leiden ſolleſt ankommen laſſen, und indeſſen in Suͤnden ſicher und ſorgloß fort ſchlaffen, weilen ja nun JEſus fuͤr dich wa- che; daß du ja nicht in deinem Gebett traͤg werdeſt, weilen JEſus fuͤr dich bette. O nein! JEſus ſagt hier zu ſeinen Juͤngeren: wa- chet mit mir/ bettet/ daß ihr nicht in Anfechtung fallet; willt du dann ein wahrer Juͤnger JEſu ſeyn, ſo ſeye nicht traͤg im wachen und betten/ ſonderen wache mit ihme; du biſt ja bey weitem noch nicht in dem Stand, indeme damahls die Juͤnger ſchon waren, und die Gefahr, in deren du ſteckeſt, iſt gewißlich eben ſo groß, als die Gefahr der Juͤngeren
§. 6. Auf welche Gefahr Er nun eben dieſe ſeine VermahnungDie Ur- ſach dieſer Vermah- nung. gruͤndet, ſagend: der Geiſt iſt willig/ aber das Fleiſch iſt ſchwach; welche Wort ungleich verſtanden werden; Wovon im Anhang die Rede ſeyn ſoll.
§. 7. Jnsgemein verſtehet man durch den willigen Geiſt/ das Ge-Was durch den willigen Geiſt und ſchwaches Fleiſch zu verſtehen ſeye. muͤth oder den Willen des Menſchen, nach welchem er eine Sach hertzlich gut meynet, und ſich feſtiglich entſchloſſen darbey zu verhar- ren, alle Gefahr zu uͤberwinden, und alle Hindernuſſen aus dem Weg zu raumen; dabey an nichts boͤſes gedencket, ſonderen es auf ſeine vermeynte Kraͤfften hin waget ohne vorhergegangene Pruͤffung ſeiner eigenen Ohnmacht, ohne Gebett. Durch das Fleiſch aber, die Traͤgheit, Forcht, Zaghafftigkeit deſſelben, dadurch offt der Menſch in ſeinem guten Fuͤrhaben, Willen und Meynung ploͤtzlich verhinderet, hindertrieben und geſtoͤret wird; ſo daß es gantz an- derſt und ſchlimmer heraus kommt, als er jemahlen vermeinet haͤtte.
§. 8. Dieſemnach wollte dann der HErr ſagen: ich weiß zwar wohl,Kurtze Umſchrei- bung der Worten, der Geiſt iſt willig, aber das Fleiſch iſt ſchwach. daß ihr es ſammtlich gut meynet, und euch entſchloſſen, bey mir zu bleiben; ich weiß wohl, daß ihr willig ſeydt in allem und zu allem was ich befehlen wuͤrde; aber ihr ſehet und erfahret ja, wie euer Fleiſch ſo traͤg, euere Augen ſo ſchlaͤfferig, daß ihr nicht im Stand ſeydt, ſie ein wenig aufzumunteren; O wie werdet ihr dann erſt im Stand ſeyn, auf die bevorſtehende groſſe Verſuchung! fangt ihr jetzt ſchon an zu wancken, beginnet jetzund ſchon euer Willen und Gemuͤth durch das traͤge Fleiſch unterdrucket zu werden, da noch keine Gefahr ob- handen, o wie wird euer Geiſt dem Fleiſch nachgeben muͤſſen, wann die Gefahr einbricht; derowegen ob ihr mich ſchon inniglich liebet,
und
H h h 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0523"n="427"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">liegende Wein-Trauben.</hi></fw><lb/><p>Mercke hier lieber Menſch! daß du nicht alles allein auf JEſum<lb/>
und deſſen Leiden ſolleſt ankommen laſſen, und indeſſen in Suͤnden<lb/>ſicher und ſorgloß fort ſchlaffen, weilen ja nun JEſus fuͤr dich wa-<lb/>
che; daß du ja nicht in deinem Gebett traͤg werdeſt, weilen JEſus<lb/>
fuͤr dich bette. O nein! JEſus ſagt hier zu ſeinen Juͤngeren: <hirendition="#fr">wa-<lb/>
chet mit mir/ bettet/ daß ihr nicht in Anfechtung fallet;</hi> willt du<lb/>
dann ein wahrer Juͤnger JEſu ſeyn, ſo ſeye nicht traͤg im <hirendition="#fr">wachen<lb/>
und betten/</hi>ſonderen wache mit ihme; du biſt ja bey weitem noch<lb/>
nicht in dem Stand, indeme damahls die Juͤnger ſchon waren,<lb/>
und die Gefahr, in deren du ſteckeſt, iſt gewißlich eben ſo groß, als<lb/>
die Gefahr der Juͤngeren</p><lb/><p>§. 6. Auf welche Gefahr Er nun eben dieſe ſeine Vermahnung<noteplace="right">Die Ur-<lb/>ſach dieſer<lb/>
Vermah-<lb/>
nung.</note><lb/>
gruͤndet, ſagend: <hirendition="#fr">der Geiſt iſt willig/ aber das Fleiſch iſt ſchwach;</hi><lb/>
welche Wort ungleich verſtanden werden; Wovon im Anhang die<lb/>
Rede ſeyn ſoll.</p><lb/><p>§. 7. Jnsgemein verſtehet man durch den <hirendition="#fr">willigen Geiſt/</hi> das Ge-<noteplace="right">Was<lb/>
durch den<lb/>
willigen<lb/>
Geiſt und<lb/>ſchwaches<lb/>
Fleiſch zu<lb/>
verſtehen<lb/>ſeye.</note><lb/>
muͤth oder den Willen des Menſchen, nach welchem er eine Sach<lb/>
hertzlich gut meynet, und ſich feſtiglich entſchloſſen darbey zu verhar-<lb/>
ren, alle Gefahr zu uͤberwinden, und alle Hindernuſſen aus dem<lb/>
Weg zu raumen; dabey an nichts boͤſes gedencket, ſonderen es auf<lb/>ſeine vermeynte Kraͤfften hin waget ohne vorhergegangene Pruͤffung<lb/>ſeiner eigenen Ohnmacht, ohne Gebett. Durch das Fleiſch aber,<lb/>
die Traͤgheit, Forcht, Zaghafftigkeit deſſelben, dadurch offt der<lb/>
Menſch in ſeinem guten Fuͤrhaben, Willen und Meynung ploͤtzlich<lb/>
verhinderet, hindertrieben und geſtoͤret wird; ſo daß es gantz an-<lb/>
derſt und ſchlimmer heraus kommt, als er jemahlen vermeinet haͤtte.</p><lb/><p><hirendition="#i">§.</hi> 8. Dieſemnach wollte dann der HErr ſagen: ich weiß zwar wohl,<noteplace="right">Kurtze<lb/>
Umſchrei-<lb/>
bung der<lb/>
Worten,<lb/>
der Geiſt<lb/>
iſt willig,<lb/>
aber das<lb/>
Fleiſch iſt<lb/>ſchwach.</note><lb/>
daß ihr es ſammtlich gut meynet, und euch entſchloſſen, bey mir zu<lb/>
bleiben; ich weiß wohl, daß ihr willig ſeydt in allem und zu allem was<lb/>
ich befehlen wuͤrde; aber ihr ſehet und erfahret ja, wie euer Fleiſch<lb/>ſo traͤg, euere Augen ſo ſchlaͤfferig, daß ihr nicht im Stand ſeydt,<lb/>ſie ein wenig aufzumunteren; O wie werdet ihr dann erſt im Stand<lb/>ſeyn, auf die bevorſtehende groſſe Verſuchung! fangt ihr jetzt ſchon<lb/>
an zu wancken, beginnet jetzund ſchon euer Willen und Gemuͤth durch<lb/>
das traͤge Fleiſch unterdrucket zu werden, da noch keine Gefahr ob-<lb/>
handen, o wie wird euer Geiſt dem Fleiſch nachgeben muͤſſen, wann<lb/>
die Gefahr einbricht; derowegen ob ihr mich ſchon inniglich liebet,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H h h 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[427/0523]
liegende Wein-Trauben.
Mercke hier lieber Menſch! daß du nicht alles allein auf JEſum
und deſſen Leiden ſolleſt ankommen laſſen, und indeſſen in Suͤnden
ſicher und ſorgloß fort ſchlaffen, weilen ja nun JEſus fuͤr dich wa-
che; daß du ja nicht in deinem Gebett traͤg werdeſt, weilen JEſus
fuͤr dich bette. O nein! JEſus ſagt hier zu ſeinen Juͤngeren: wa-
chet mit mir/ bettet/ daß ihr nicht in Anfechtung fallet; willt du
dann ein wahrer Juͤnger JEſu ſeyn, ſo ſeye nicht traͤg im wachen
und betten/ ſonderen wache mit ihme; du biſt ja bey weitem noch
nicht in dem Stand, indeme damahls die Juͤnger ſchon waren,
und die Gefahr, in deren du ſteckeſt, iſt gewißlich eben ſo groß, als
die Gefahr der Juͤngeren
§. 6. Auf welche Gefahr Er nun eben dieſe ſeine Vermahnung
gruͤndet, ſagend: der Geiſt iſt willig/ aber das Fleiſch iſt ſchwach;
welche Wort ungleich verſtanden werden; Wovon im Anhang die
Rede ſeyn ſoll.
Die Ur-
ſach dieſer
Vermah-
nung.
§. 7. Jnsgemein verſtehet man durch den willigen Geiſt/ das Ge-
muͤth oder den Willen des Menſchen, nach welchem er eine Sach
hertzlich gut meynet, und ſich feſtiglich entſchloſſen darbey zu verhar-
ren, alle Gefahr zu uͤberwinden, und alle Hindernuſſen aus dem
Weg zu raumen; dabey an nichts boͤſes gedencket, ſonderen es auf
ſeine vermeynte Kraͤfften hin waget ohne vorhergegangene Pruͤffung
ſeiner eigenen Ohnmacht, ohne Gebett. Durch das Fleiſch aber,
die Traͤgheit, Forcht, Zaghafftigkeit deſſelben, dadurch offt der
Menſch in ſeinem guten Fuͤrhaben, Willen und Meynung ploͤtzlich
verhinderet, hindertrieben und geſtoͤret wird; ſo daß es gantz an-
derſt und ſchlimmer heraus kommt, als er jemahlen vermeinet haͤtte.
Was
durch den
willigen
Geiſt und
ſchwaches
Fleiſch zu
verſtehen
ſeye.
§. 8. Dieſemnach wollte dann der HErr ſagen: ich weiß zwar wohl,
daß ihr es ſammtlich gut meynet, und euch entſchloſſen, bey mir zu
bleiben; ich weiß wohl, daß ihr willig ſeydt in allem und zu allem was
ich befehlen wuͤrde; aber ihr ſehet und erfahret ja, wie euer Fleiſch
ſo traͤg, euere Augen ſo ſchlaͤfferig, daß ihr nicht im Stand ſeydt,
ſie ein wenig aufzumunteren; O wie werdet ihr dann erſt im Stand
ſeyn, auf die bevorſtehende groſſe Verſuchung! fangt ihr jetzt ſchon
an zu wancken, beginnet jetzund ſchon euer Willen und Gemuͤth durch
das traͤge Fleiſch unterdrucket zu werden, da noch keine Gefahr ob-
handen, o wie wird euer Geiſt dem Fleiſch nachgeben muͤſſen, wann
die Gefahr einbricht; derowegen ob ihr mich ſchon inniglich liebet,
und
Kurtze
Umſchrei-
bung der
Worten,
der Geiſt
iſt willig,
aber das
Fleiſch iſt
ſchwach.
H h h 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/523>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.