Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Der geistliche Frühling.

Es ist hier nicht unser Vorhaben, solche theure Wahrheit von der
so wohl gegründeten Hoffnung Zions aus denen prophetischen Schriff-
ten zu erörteren, und zu beweisen; Unser Zweck ist etwas einfälti-
ges zu allgemeiner Erbauung in der Liebe und Forcht des HErren
mitzutheilen.

Der H.
Geist ma-
chet die
Seele zur
Turtel-
Tauben.

§. 8. Wo nun der H. Geist Gehorsam würcket und findet, da
macht er die Seel selbst auch zur Turtel-Tauben. O erstaunliche
Herrlichkeit eines Christen, daß er gleichen Nahmen traget mit GOtt:
Heißt Christus das Lamm, so sind sie Schaafe: Erscheinet der H.
Geist in Tauben-Gestalt, so heisset sie Turtel-Taube. Dann sie ist
aus dem H. Geist widergebohren.

Deren
Girren
den Welt
Menschen
verdrieß-
lich, den
Frommen
erfreulich
ist.

§. 9. Diese Turtel-Taube hat eine ächtzende melancholische Stim-
me, aber ihrem Gatte ists die anmuthigste Melodie und süsseste Mu-
sic, die Stimme des H. Geistes im Evangelio durch den Mund sei-
ner treuen Werckzeugen ist der Welt langwierig zu hören von Buß,
Glauben an JEsum, selbst- und Welt-Verläugnung, und Aufopffe-
rung des Hertzens an die kräfftige, gründlich reinigende Würckung
des H. Geistes, sich von ihme in alle Schritten und Tritten GOttes
mit uns unterrichten zu lassen, was jede Zuschickung auf sich habe zu
unserem wahren und ewigen Wohlseyn, item allen dessen Erinnerun-
gen zu gehorchen, aus Christi Gnaden-Fülle alle nöthige Krafft zu
nehmen, das ist den Welt-Kinderen eben so unanmüthig und ver-
drießlich als das Girren und Aechtzen einer Tauben stets zu hören:
Aber denen Aufgeweckten, Heyl-Begierigen ists über alles Englisch
Saitenspiel! Wie lieblich und süß ist der Klang: Dir sind deine
Sünden vergeben, du bist GOttes Kind und Erbe! Das kan ja
mehr Freude bringen als aller Welt Schätze; Aber nur dem Men-
schen der Erkanntnuß hat von der unvergänglichen Kostbarkeit dieser
Dingen: Sintemal ein Thier-Mensch nichts weiß, was es ist, als
daß er auf Cantzlen das rühmen höret, aus Hoch-Obrigkeitlichem
Befelch, so laßt ers eben gelten, Ungelegenheit zu vermeiden, weß-
wegen JEsus eintzig die Braut darzu einladet, dann was will ein
Esel bey einem Fürstlichen Concert und Music-Spiel thun. Wann
die H. Schrifft von der betrübtesten Wehklag redet, so nennet sie es
das Aechtzen der Tauben a. Also ist fleischlichen Hertzen nichts un-

leiden-
a Jes. XXXVIII. 14. LIX. 11. Neh. II. 7.
Der geiſtliche Fruͤhling.

Es iſt hier nicht unſer Vorhaben, ſolche theure Wahrheit von der
ſo wohl gegruͤndeten Hoffnung Zions aus denen prophetiſchen Schriff-
ten zu eroͤrteren, und zu beweiſen; Unſer Zweck iſt etwas einfaͤlti-
ges zu allgemeiner Erbauung in der Liebe und Forcht des HErren
mitzutheilen.

Der H.
Geiſt ma-
chet die
Seele zur
Turtel-
Tauben.

§. 8. Wo nun der H. Geiſt Gehorſam wuͤrcket und findet, da
macht er die Seel ſelbſt auch zur Turtel-Tauben. O erſtaunliche
Herrlichkeit eines Chriſten, daß er gleichen Nahmen traget mit GOtt:
Heißt Chriſtus das Lamm, ſo ſind ſie Schaafe: Erſcheinet der H.
Geiſt in Tauben-Geſtalt, ſo heiſſet ſie Turtel-Taube. Dann ſie iſt
aus dem H. Geiſt widergebohren.

Deren
Girren
den Welt
Menſchen
verdrieß-
lich, den
Frommen
erfreulich
iſt.

§. 9. Dieſe Turtel-Taube hat eine aͤchtzende melancholiſche Stim-
me, aber ihrem Gatte iſts die anmuthigſte Melodie und ſuͤſſeſte Mu-
ſic, die Stimme des H. Geiſtes im Evangelio durch den Mund ſei-
ner treuen Werckzeugen iſt der Welt langwierig zu hoͤren von Buß,
Glauben an JEſum, ſelbſt- und Welt-Verlaͤugnung, und Aufopffe-
rung des Hertzens an die kraͤfftige, gruͤndlich reinigende Wuͤrckung
des H. Geiſtes, ſich von ihme in alle Schritten und Tritten GOttes
mit uns unterrichten zu laſſen, was jede Zuſchickung auf ſich habe zu
unſerem wahren und ewigen Wohlſeyn, item allen deſſen Erinnerun-
gen zu gehorchen, aus Chriſti Gnaden-Fuͤlle alle noͤthige Krafft zu
nehmen, das iſt den Welt-Kinderen eben ſo unanmuͤthig und ver-
drießlich als das Girren und Aechtzen einer Tauben ſtets zu hoͤren:
Aber denen Aufgeweckten, Heyl-Begierigen iſts uͤber alles Engliſch
Saitenſpiel! Wie lieblich und ſuͤß iſt der Klang: Dir ſind deine
Suͤnden vergeben, du biſt GOttes Kind und Erbe! Das kan ja
mehr Freude bringen als aller Welt Schaͤtze; Aber nur dem Men-
ſchen der Erkanntnuß hat von der unvergaͤnglichen Koſtbarkeit dieſer
Dingen: Sintemal ein Thier-Menſch nichts weiß, was es iſt, als
daß er auf Cantzlen das ruͤhmen hoͤret, aus Hoch-Obrigkeitlichem
Befelch, ſo laßt ers eben gelten, Ungelegenheit zu vermeiden, weß-
wegen JEſus eintzig die Braut darzu einladet, dann was will ein
Eſel bey einem Fuͤrſtlichen Concert und Muſic-Spiel thun. Wann
die H. Schrifft von der betruͤbteſten Wehklag redet, ſo nennet ſie es
das Aechtzen der Tauben a. Alſo iſt fleiſchlichen Hertzen nichts un-

leiden-
a Jeſ. XXXVIII. 14. LIX. 11. Neh. II. 7.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0414" n="318"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der gei&#x017F;tliche Fru&#x0364;hling.</hi> </fw><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t hier nicht un&#x017F;er Vorhaben, &#x017F;olche theure Wahrheit von der<lb/>
&#x017F;o wohl gegru&#x0364;ndeten Hoffnung Zions aus denen propheti&#x017F;chen Schriff-<lb/>
ten zu ero&#x0364;rteren, und zu bewei&#x017F;en; Un&#x017F;er Zweck i&#x017F;t etwas einfa&#x0364;lti-<lb/>
ges zu allgemeiner Erbauung in der Liebe und Forcht des HErren<lb/>
mitzutheilen.</p><lb/>
          <note place="left">Der H.<lb/>
Gei&#x017F;t ma-<lb/>
chet die<lb/>
Seele zur<lb/>
Turtel-<lb/>
Tauben.</note>
          <p>§. 8. Wo nun der H. Gei&#x017F;t Gehor&#x017F;am wu&#x0364;rcket und findet, da<lb/>
macht er die Seel &#x017F;elb&#x017F;t auch zur Turtel-Tauben. O er&#x017F;taunliche<lb/>
Herrlichkeit eines Chri&#x017F;ten, daß er gleichen Nahmen traget mit GOtt:<lb/>
Heißt Chri&#x017F;tus das Lamm, &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie Schaafe: Er&#x017F;cheinet der H.<lb/>
Gei&#x017F;t in Tauben-Ge&#x017F;talt, &#x017F;o hei&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ie Turtel-Taube. Dann &#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
aus dem H. Gei&#x017F;t widergebohren.</p><lb/>
          <note place="left">Deren<lb/>
Girren<lb/>
den Welt<lb/>
Men&#x017F;chen<lb/>
verdrieß-<lb/>
lich, den<lb/>
Frommen<lb/>
erfreulich<lb/>
i&#x017F;t.</note>
          <p>§. 9. Die&#x017F;e Turtel-Taube hat eine a&#x0364;chtzende melancholi&#x017F;che Stim-<lb/>
me, aber ihrem Gatte i&#x017F;ts die anmuthig&#x017F;te Melodie und &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Mu-<lb/>
&#x017F;ic, die Stimme des H. Gei&#x017F;tes im Evangelio durch den Mund &#x017F;ei-<lb/>
ner treuen Werckzeugen i&#x017F;t der Welt langwierig zu ho&#x0364;ren von Buß,<lb/>
Glauben an JE&#x017F;um, &#x017F;elb&#x017F;t- und Welt-Verla&#x0364;ugnung, und Aufopffe-<lb/>
rung des Hertzens an die kra&#x0364;fftige, gru&#x0364;ndlich reinigende Wu&#x0364;rckung<lb/>
des H. Gei&#x017F;tes, &#x017F;ich von ihme in alle Schritten und Tritten GOttes<lb/>
mit uns unterrichten zu la&#x017F;&#x017F;en, was jede Zu&#x017F;chickung auf &#x017F;ich habe zu<lb/>
un&#x017F;erem wahren und ewigen Wohl&#x017F;eyn, item allen de&#x017F;&#x017F;en Erinnerun-<lb/>
gen zu gehorchen, aus Chri&#x017F;ti Gnaden-Fu&#x0364;lle alle no&#x0364;thige Krafft zu<lb/>
nehmen, das i&#x017F;t den Welt-Kinderen eben &#x017F;o unanmu&#x0364;thig und ver-<lb/>
drießlich als das Girren und Aechtzen einer Tauben &#x017F;tets zu ho&#x0364;ren:<lb/>
Aber denen Aufgeweckten, Heyl-Begierigen i&#x017F;ts u&#x0364;ber alles Engli&#x017F;ch<lb/>
Saiten&#x017F;piel! Wie lieblich und &#x017F;u&#x0364;ß i&#x017F;t der Klang: Dir &#x017F;ind deine<lb/>
Su&#x0364;nden vergeben, du bi&#x017F;t GOttes Kind und Erbe! Das kan ja<lb/>
mehr Freude bringen als aller Welt Scha&#x0364;tze; Aber nur dem Men-<lb/>
&#x017F;chen der Erkanntnuß hat von der unverga&#x0364;nglichen Ko&#x017F;tbarkeit die&#x017F;er<lb/>
Dingen: Sintemal ein Thier-Men&#x017F;ch nichts weiß, was es i&#x017F;t, als<lb/>
daß er auf Cantzlen das ru&#x0364;hmen ho&#x0364;ret, aus Hoch-Obrigkeitlichem<lb/>
Befelch, &#x017F;o laßt ers eben gelten, Ungelegenheit zu vermeiden, weß-<lb/>
wegen JE&#x017F;us eintzig die Braut darzu einladet, dann was will ein<lb/>
E&#x017F;el bey einem Fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Concert und Mu&#x017F;ic-Spiel thun. Wann<lb/>
die H. Schrifft von der betru&#x0364;bte&#x017F;ten Wehklag redet, &#x017F;o nennet &#x017F;ie es<lb/>
das Aechtzen der Tauben <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Je&#x017F;. XXXVIII. 14. LIX. 11. Neh. II.</hi> 7.</note>. Al&#x017F;o i&#x017F;t flei&#x017F;chlichen Hertzen nichts un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">leiden-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318/0414] Der geiſtliche Fruͤhling. Es iſt hier nicht unſer Vorhaben, ſolche theure Wahrheit von der ſo wohl gegruͤndeten Hoffnung Zions aus denen prophetiſchen Schriff- ten zu eroͤrteren, und zu beweiſen; Unſer Zweck iſt etwas einfaͤlti- ges zu allgemeiner Erbauung in der Liebe und Forcht des HErren mitzutheilen. §. 8. Wo nun der H. Geiſt Gehorſam wuͤrcket und findet, da macht er die Seel ſelbſt auch zur Turtel-Tauben. O erſtaunliche Herrlichkeit eines Chriſten, daß er gleichen Nahmen traget mit GOtt: Heißt Chriſtus das Lamm, ſo ſind ſie Schaafe: Erſcheinet der H. Geiſt in Tauben-Geſtalt, ſo heiſſet ſie Turtel-Taube. Dann ſie iſt aus dem H. Geiſt widergebohren. §. 9. Dieſe Turtel-Taube hat eine aͤchtzende melancholiſche Stim- me, aber ihrem Gatte iſts die anmuthigſte Melodie und ſuͤſſeſte Mu- ſic, die Stimme des H. Geiſtes im Evangelio durch den Mund ſei- ner treuen Werckzeugen iſt der Welt langwierig zu hoͤren von Buß, Glauben an JEſum, ſelbſt- und Welt-Verlaͤugnung, und Aufopffe- rung des Hertzens an die kraͤfftige, gruͤndlich reinigende Wuͤrckung des H. Geiſtes, ſich von ihme in alle Schritten und Tritten GOttes mit uns unterrichten zu laſſen, was jede Zuſchickung auf ſich habe zu unſerem wahren und ewigen Wohlſeyn, item allen deſſen Erinnerun- gen zu gehorchen, aus Chriſti Gnaden-Fuͤlle alle noͤthige Krafft zu nehmen, das iſt den Welt-Kinderen eben ſo unanmuͤthig und ver- drießlich als das Girren und Aechtzen einer Tauben ſtets zu hoͤren: Aber denen Aufgeweckten, Heyl-Begierigen iſts uͤber alles Engliſch Saitenſpiel! Wie lieblich und ſuͤß iſt der Klang: Dir ſind deine Suͤnden vergeben, du biſt GOttes Kind und Erbe! Das kan ja mehr Freude bringen als aller Welt Schaͤtze; Aber nur dem Men- ſchen der Erkanntnuß hat von der unvergaͤnglichen Koſtbarkeit dieſer Dingen: Sintemal ein Thier-Menſch nichts weiß, was es iſt, als daß er auf Cantzlen das ruͤhmen hoͤret, aus Hoch-Obrigkeitlichem Befelch, ſo laßt ers eben gelten, Ungelegenheit zu vermeiden, weß- wegen JEſus eintzig die Braut darzu einladet, dann was will ein Eſel bey einem Fuͤrſtlichen Concert und Muſic-Spiel thun. Wann die H. Schrifft von der betruͤbteſten Wehklag redet, ſo nennet ſie es das Aechtzen der Tauben a. Alſo iſt fleiſchlichen Hertzen nichts un- leiden- a Jeſ. XXXVIII. 14. LIX. 11. Neh. II. 7.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/414
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/414>, abgerufen am 10.05.2024.