Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Haus GOTTES,
GOttes zu halten, alle Lüste zu dämpffen, aber es ist noch zart,
fallt leicht zu Boden, wird vom Teufel überwunden; stehet dannoch
alsobald wieder auf in der Forcht GOttes und Hertzleyd; ist sorg-
fältig, daß es solches hinkünfftig nicht mehr thüe, schreyet zu JE-
su um Hülff, hanget Jhm an, wie ein Kind seiner Mutter, bittet,
daß Er es doch nicht verlasse, sauget Krafft aus Christi Wunden
um je länger je ähnlicher zu werden dem HErrn JEsu a. Also wird
der Mensch nach und nach gantz anderst b. Jst er zuvor geitzig, zor-
nig, bitter, hochmüthig, unkeusch, fleischlich gewesen; so ist er jetz gü-
tig, himmlisch gesinnt, sanfftmüthig, freundlich, liebreich, keusch,
rein, mäßig, gerecht. Seinen ehemahligen, ehrbaren Wandel,
äusserliche Gottesdienstlichkeit, verwirfft er als einen unfläthigen Bet-
tel-Sack und begehret als der gröste Sünder in Christo gerecht zu
werden; JEsus ist ihm gar alles, er empfahet das Leben Christi in
seinem Maaß. Also daß der neue Mensch in ihm Christus selbst ist c.
Der Mensch wird ein kleiner Jesus, der lebt, wie er gelebt hat d.
Christi Will, Begierd, Freud gehet in ihn hinein und wird sein,
mithin ist er GOttes Kind.

Des neu-
gebohr-
nen Vat-
terland.

§. 4. Die Welt, dahin er gehöret, und darein er gebohren wird
ist das Himmelreich. Hier ist sein Licht-helles Vatterland, sein
himmlisch Burgerrecht, seine heilige Stadt, sein allergnädigster
König, seine Freude, Ehre und Reichthum gantz und gar; Drum
verlaßt er sein hiesiges Krotten-Nest und reiset ins Vatters Haus e.

Die Zeit
dieser Ge-
burt ist
bey eini-
gen frühe.

§. 5. Fragst du denn: Ob die Widergeburt zu gewisser Zeit und
Stund geschehe, die man genau wissen könne, wie die Leibliche?

Antw. Jn einigen ist der gute Saamen von zarter Kindheit an
wircksam fürnehmlich in Kindern, so frühzeitig sterben, die eine brün-
stige Liebe GOttes, ein zartes Gewissen, ein freudiges Verlangen
bey JEsu zu seyn, eine wunderbahre Gedult von sich blicken lassen;
Behalten sie aber das Leben, so erzeigen sich immer mehrere Trie-
ben des guten Geistes.

Bey an-
dern späth

§. 6. Bey andern liegen die Füncklein des neuen Lebens eine Zeit-
lang gleichsam unter der Aschen, also daß sie zwar von Fleisches-Lü-
sten gezogen und von der Welt verführet werden, doch aber empfin-

den
a 2 Cor. III. 18.
b 2 Cor. V. 17.
c Gal. II. 20. IV. 19.
d 2 Pet. I. 4.
e Col. III. 1.

Das Haus GOTTES,
GOttes zu halten, alle Luͤſte zu daͤmpffen, aber es iſt noch zart,
fallt leicht zu Boden, wird vom Teufel uͤberwunden; ſtehet dannoch
alſobald wieder auf in der Forcht GOttes und Hertzleyd; iſt ſorg-
faͤltig, daß es ſolches hinkuͤnfftig nicht mehr thuͤe, ſchreyet zu JE-
ſu um Huͤlff, hanget Jhm an, wie ein Kind ſeiner Mutter, bittet,
daß Er es doch nicht verlaſſe, ſauget Krafft aus Chriſti Wunden
um je laͤnger je aͤhnlicher zu werden dem HErrn JEſu a. Alſo wird
der Menſch nach und nach gantz anderſt b. Jſt er zuvor geitzig, zor-
nig, bitter, hochmuͤthig, unkeuſch, fleiſchlich geweſen; ſo iſt er jetz guͤ-
tig, himmliſch geſinnt, ſanfftmuͤthig, freundlich, liebreich, keuſch,
rein, maͤßig, gerecht. Seinen ehemahligen, ehrbaren Wandel,
aͤuſſerliche Gottesdienſtlichkeit, verwirfft er als einen unflaͤthigen Bet-
tel-Sack und begehret als der groͤſte Suͤnder in Chriſto gerecht zu
werden; JEſus iſt ihm gar alles, er empfahet das Leben Chriſti in
ſeinem Maaß. Alſo daß der neue Menſch in ihm Chriſtus ſelbſt iſt c.
Der Menſch wird ein kleiner Jeſus, der lebt, wie er gelebt hat d.
Chriſti Will, Begierd, Freud gehet in ihn hinein und wird ſein,
mithin iſt er GOttes Kind.

Des neu-
gebohr-
nen Vat-
terland.

§. 4. Die Welt, dahin er gehoͤret, und darein er gebohren wird
iſt das Himmelreich. Hier iſt ſein Licht-helles Vatterland, ſein
himmliſch Burgerrecht, ſeine heilige Stadt, ſein allergnaͤdigſter
Koͤnig, ſeine Freude, Ehre und Reichthum gantz und gar; Drum
verlaßt er ſein hieſiges Krotten-Neſt und reiſet ins Vatters Haus e.

Die Zeit
dieſer Ge-
burt iſt
bey eini-
gen fruͤhe.

§. 5. Fragſt du denn: Ob die Widergeburt zu gewiſſer Zeit und
Stund geſchehe, die man genau wiſſen koͤnne, wie die Leibliche?

Antw. Jn einigen iſt der gute Saamen von zarter Kindheit an
wirckſam fuͤrnehmlich in Kindern, ſo fruͤhzeitig ſterben, die eine bruͤn-
ſtige Liebe GOttes, ein zartes Gewiſſen, ein freudiges Verlangen
bey JEſu zu ſeyn, eine wunderbahre Gedult von ſich blicken laſſen;
Behalten ſie aber das Leben, ſo erzeigen ſich immer mehrere Trie-
ben des guten Geiſtes.

Bey an-
dern ſpaͤth

§. 6. Bey andern liegen die Fuͤncklein des neuen Lebens eine Zeit-
lang gleichſam unter der Aſchen, alſo daß ſie zwar von Fleiſches-Luͤ-
ſten gezogen und von der Welt verfuͤhret werden, doch aber empfin-

den
a 2 Cor. III. 18.
b 2 Cor. V. 17.
c Gal. II. 20. IV. 19.
d 2 Pet. I. 4.
e Col. III. 1.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0310" n="214"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Haus GOTTES,</hi></fw><lb/>
GOttes zu halten, alle Lu&#x0364;&#x017F;te zu da&#x0364;mpffen, aber es i&#x017F;t noch zart,<lb/>
fallt leicht zu Boden, wird vom Teufel u&#x0364;berwunden; &#x017F;tehet dannoch<lb/>
al&#x017F;obald wieder auf in der Forcht GOttes und Hertzleyd; i&#x017F;t &#x017F;org-<lb/>
fa&#x0364;ltig, daß es &#x017F;olches hinku&#x0364;nfftig nicht mehr thu&#x0364;e, &#x017F;chreyet zu JE-<lb/>
&#x017F;u um Hu&#x0364;lff, hanget Jhm an, wie ein Kind &#x017F;einer Mutter, bittet,<lb/>
daß Er es doch nicht verla&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;auget Krafft aus Chri&#x017F;ti Wunden<lb/>
um je la&#x0364;nger je a&#x0364;hnlicher zu werden dem HErrn JE&#x017F;u <note place="foot" n="a">2 <hi rendition="#aq">Cor. III.</hi> 18.</note>. Al&#x017F;o wird<lb/>
der Men&#x017F;ch nach und nach gantz ander&#x017F;t <note place="foot" n="b">2 <hi rendition="#aq">Cor. V.</hi> 17.</note>. J&#x017F;t er zuvor geitzig, zor-<lb/>
nig, bitter, hochmu&#x0364;thig, unkeu&#x017F;ch, flei&#x017F;chlich gewe&#x017F;en; &#x017F;o i&#x017F;t er jetz gu&#x0364;-<lb/>
tig, himmli&#x017F;ch ge&#x017F;innt, &#x017F;anfftmu&#x0364;thig, freundlich, liebreich, keu&#x017F;ch,<lb/>
rein, ma&#x0364;ßig, gerecht. Seinen ehemahligen, ehrbaren Wandel,<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Gottesdien&#x017F;tlichkeit, verwirfft er als einen unfla&#x0364;thigen Bet-<lb/>
tel-Sack und begehret als der gro&#x0364;&#x017F;te Su&#x0364;nder in Chri&#x017F;to gerecht zu<lb/>
werden; JE&#x017F;us i&#x017F;t ihm gar alles, er empfahet das Leben Chri&#x017F;ti in<lb/>
&#x017F;einem Maaß. Al&#x017F;o daß der neue Men&#x017F;ch in ihm Chri&#x017F;tus &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t <note place="foot" n="c"><hi rendition="#aq">Gal. II. 20. IV.</hi> 19.</note>.<lb/>
Der Men&#x017F;ch wird ein kleiner Je&#x017F;us, der lebt, wie er gelebt hat <note place="foot" n="d">2 <hi rendition="#aq">Pet. I.</hi> 4.</note>.<lb/>
Chri&#x017F;ti Will, Begierd, Freud gehet in ihn hinein und wird &#x017F;ein,<lb/>
mithin i&#x017F;t er GOttes Kind.</p><lb/>
          <note place="left">Des neu-<lb/>
gebohr-<lb/>
nen Vat-<lb/>
terland.</note>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 4. Die <hi rendition="#fr">Welt,</hi> dahin er geho&#x0364;ret, und darein er gebohren wird<lb/>
i&#x017F;t das Himmelreich. Hier i&#x017F;t &#x017F;ein Licht-helles Vatterland, &#x017F;ein<lb/>
himmli&#x017F;ch Burgerrecht, &#x017F;eine heilige Stadt, &#x017F;ein allergna&#x0364;dig&#x017F;ter<lb/>
Ko&#x0364;nig, &#x017F;eine Freude, Ehre und Reichthum gantz und gar; Drum<lb/>
verlaßt er &#x017F;ein hie&#x017F;iges Krotten-Ne&#x017F;t und rei&#x017F;et ins Vatters Haus <note place="foot" n="e"><hi rendition="#aq">Col. III.</hi> 1.</note>.</p><lb/>
          <note place="left">Die Zeit<lb/>
die&#x017F;er Ge-<lb/>
burt i&#x017F;t<lb/>
bey eini-<lb/>
gen fru&#x0364;he.</note>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 5. <hi rendition="#fr">Frag&#x017F;t du denn:</hi> Ob die Widergeburt zu gewi&#x017F;&#x017F;er Zeit und<lb/>
Stund ge&#x017F;chehe, die man genau wi&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nne, wie die Leibliche?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Antw.</hi> Jn <hi rendition="#fr">einigen</hi> i&#x017F;t der gute Saamen von zarter Kindheit an<lb/>
wirck&#x017F;am fu&#x0364;rnehmlich in Kindern, &#x017F;o fru&#x0364;hzeitig &#x017F;terben, die eine bru&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;tige Liebe GOttes, ein zartes Gewi&#x017F;&#x017F;en, ein freudiges Verlangen<lb/>
bey JE&#x017F;u zu &#x017F;eyn, eine wunderbahre Gedult von &#x017F;ich blicken la&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
Behalten &#x017F;ie aber das Leben, &#x017F;o erzeigen &#x017F;ich immer mehrere Trie-<lb/>
ben des guten Gei&#x017F;tes.</p><lb/>
          <note place="left">Bey an-<lb/>
dern &#x017F;pa&#x0364;th</note>
          <p>§. 6. Bey <hi rendition="#fr">andern</hi> liegen die Fu&#x0364;ncklein des neuen Lebens eine Zeit-<lb/>
lang gleich&#x017F;am unter der A&#x017F;chen, al&#x017F;o daß &#x017F;ie zwar von Flei&#x017F;ches-Lu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten gezogen und von der Welt verfu&#x0364;hret werden, doch aber empfin-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0310] Das Haus GOTTES, GOttes zu halten, alle Luͤſte zu daͤmpffen, aber es iſt noch zart, fallt leicht zu Boden, wird vom Teufel uͤberwunden; ſtehet dannoch alſobald wieder auf in der Forcht GOttes und Hertzleyd; iſt ſorg- faͤltig, daß es ſolches hinkuͤnfftig nicht mehr thuͤe, ſchreyet zu JE- ſu um Huͤlff, hanget Jhm an, wie ein Kind ſeiner Mutter, bittet, daß Er es doch nicht verlaſſe, ſauget Krafft aus Chriſti Wunden um je laͤnger je aͤhnlicher zu werden dem HErrn JEſu a. Alſo wird der Menſch nach und nach gantz anderſt b. Jſt er zuvor geitzig, zor- nig, bitter, hochmuͤthig, unkeuſch, fleiſchlich geweſen; ſo iſt er jetz guͤ- tig, himmliſch geſinnt, ſanfftmuͤthig, freundlich, liebreich, keuſch, rein, maͤßig, gerecht. Seinen ehemahligen, ehrbaren Wandel, aͤuſſerliche Gottesdienſtlichkeit, verwirfft er als einen unflaͤthigen Bet- tel-Sack und begehret als der groͤſte Suͤnder in Chriſto gerecht zu werden; JEſus iſt ihm gar alles, er empfahet das Leben Chriſti in ſeinem Maaß. Alſo daß der neue Menſch in ihm Chriſtus ſelbſt iſt c. Der Menſch wird ein kleiner Jeſus, der lebt, wie er gelebt hat d. Chriſti Will, Begierd, Freud gehet in ihn hinein und wird ſein, mithin iſt er GOttes Kind. §. 4. Die Welt, dahin er gehoͤret, und darein er gebohren wird iſt das Himmelreich. Hier iſt ſein Licht-helles Vatterland, ſein himmliſch Burgerrecht, ſeine heilige Stadt, ſein allergnaͤdigſter Koͤnig, ſeine Freude, Ehre und Reichthum gantz und gar; Drum verlaßt er ſein hieſiges Krotten-Neſt und reiſet ins Vatters Haus e. §. 5. Fragſt du denn: Ob die Widergeburt zu gewiſſer Zeit und Stund geſchehe, die man genau wiſſen koͤnne, wie die Leibliche? Antw. Jn einigen iſt der gute Saamen von zarter Kindheit an wirckſam fuͤrnehmlich in Kindern, ſo fruͤhzeitig ſterben, die eine bruͤn- ſtige Liebe GOttes, ein zartes Gewiſſen, ein freudiges Verlangen bey JEſu zu ſeyn, eine wunderbahre Gedult von ſich blicken laſſen; Behalten ſie aber das Leben, ſo erzeigen ſich immer mehrere Trie- ben des guten Geiſtes. §. 6. Bey andern liegen die Fuͤncklein des neuen Lebens eine Zeit- lang gleichſam unter der Aſchen, alſo daß ſie zwar von Fleiſches-Luͤ- ſten gezogen und von der Welt verfuͤhret werden, doch aber empfin- den a 2 Cor. III. 18. b 2 Cor. V. 17. c Gal. II. 20. IV. 19. d 2 Pet. I. 4. e Col. III. 1.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/310
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/310>, abgerufen am 12.05.2024.