als mißfällig, böß und verflucht; seine Lebzeit vor sothaner Sinnes- Aenderung schätzt er, nicht anders, als wann er tod gewesen wäre und wie ein Kind in Mutter-Leib ein gantz neues Hertz, Seele Leib und Glieder empfangt, die er zuvor nicht gehabt; eben also bekommt der Mensch ein neu Hertz, einen neuen Verstand; erkennt sein E- lend, die Gnad JEsu, wie ehrwürdig die Heiligkeit, wie eitel die Welt, wie heßlich die Sünd sey: GOtt bildet einen neuen Willen in ihm, der von der Welt weg zu GOtt laufft und nach himmlischen Gütern schnappet, trachtet vor allem aus mit GOtt vereiniget zu werden, und handelt alles Zeitliche als ein schlechtes Neben-Werck. Alle eigene Frömmigkeit halt er für Koth gegen Christo.
§. 2. Die Geburt ist der wesentliche Ausbruch des neuen Men-Worinnen sie sich er- weise. schen in Früchten des H. Geistes; wann das holde Angesicht des Kindleins von Bethlehem aus den Schnee-weissen Windeln eines unschuldigen Wandels hervorgucket; wann nicht mehr wir, sondern JEsus in uns lebet, dencket, begehret, redet, wircket und schaffet, was er will. Das innere Leben leuchtet heraus als eine schöne Fa- ckel. Das Leben eines neu-gebohrnen Kindleins erzeigt sich durch das Athem-Ziehen und Weinen; Eben also seuffzet, flehet und bit- tet die neue Creatur, ist begierig nach Christi Wort und Geist, sauget die Milch der so heilsamen Wahrheiten aus den Brüsten des Alten und Neuen Testaments um zu wachsen zur vollkommenen Sta- tur Christi und die neuen Sinnen täglich mehr zu schärffen; Die Au- gen nicht ferners nach Welt-Geschichten zu gaffen, sondern sich an der Liebe GOttes und an dem gecreutzigten Heyland zu weyden. Die Ohren vor Christi Stimm und der Einsprach des H. Geistes nie zustopffen. Mund daß auch der von Göttlicher Salbung trief- fe a, und koste wie süß JEsus sey b. Hände voll guter, heiliger Wercken. Füsse fertig zu wandeln auf den Strassen Zions und den Seelen zu helffen.
§. 3. Helffer und Beförderer der neuen Geburt sind treue Lehrer,Wer die- selbe be- fördere. gute Bücher, heilige Unterredungen. Saul weissaget unter den Propheten, Petrus verlaugnet unter den Spöttern. Die Anfän- ge der Heiligung sind schwehr und schwach, das Kind wird aber von Tag zu Tag stärcker. Es streitet zwar mit Ernst alle Gebotte
GOttes
aEph. IV. 29.
bPs. XXXIV. 9.
D d 3
und die Pforte des Himmels.
als mißfaͤllig, boͤß und verflucht; ſeine Lebzeit vor ſothaner Sinnes- Aenderung ſchaͤtzt er, nicht anders, als wann er tod geweſen waͤre und wie ein Kind in Mutter-Leib ein gantz neues Hertz, Seele Leib und Glieder empfangt, die er zuvor nicht gehabt; eben alſo bekommt der Menſch ein neu Hertz, einen neuen Verſtand; erkennt ſein E- lend, die Gnad JEſu, wie ehrwuͤrdig die Heiligkeit, wie eitel die Welt, wie heßlich die Suͤnd ſey: GOtt bildet einen neuen Willen in ihm, der von der Welt weg zu GOtt laufft und nach himmliſchen Guͤtern ſchnappet, trachtet vor allem aus mit GOtt vereiniget zu werden, und handelt alles Zeitliche als ein ſchlechtes Neben-Werck. Alle eigene Froͤmmigkeit halt er fuͤr Koth gegen Chriſto.
§. 2. Die Geburt iſt der weſentliche Ausbruch des neuen Men-Worinnen ſie ſich er- weiſe. ſchen in Fruͤchten des H. Geiſtes; wann das holde Angeſicht des Kindleins von Bethlehem aus den Schnee-weiſſen Windeln eines unſchuldigen Wandels hervorgucket; wann nicht mehr wir, ſondern JEſus in uns lebet, dencket, begehret, redet, wircket und ſchaffet, was er will. Das innere Leben leuchtet heraus als eine ſchoͤne Fa- ckel. Das Leben eines neu-gebohrnen Kindleins erzeigt ſich durch das Athem-Ziehen und Weinen; Eben alſo ſeuffzet, flehet und bit- tet die neue Creatur, iſt begierig nach Chriſti Wort und Geiſt, ſauget die Milch der ſo heilſamen Wahrheiten aus den Bruͤſten des Alten und Neuen Teſtaments um zu wachſen zur vollkommenen Sta- tur Chriſti und die neuen Sinnen taͤglich mehr zu ſchaͤrffen; Die Au- gen nicht ferners nach Welt-Geſchichten zu gaffen, ſondern ſich an der Liebe GOttes und an dem gecreutzigten Heyland zu weyden. Die Ohren vor Chriſti Stimm und der Einſprach des H. Geiſtes nie zuſtopffen. Mund daß auch der von Goͤttlicher Salbung trief- fe a, und koſte wie ſuͤß JEſus ſey b. Haͤnde voll guter, heiliger Wercken. Fuͤſſe fertig zu wandeln auf den Straſſen Zions und den Seelen zu helffen.
§. 3. Helffer und Befoͤrderer der neuen Geburt ſind treue Lehrer,Wer die- ſelbe be- foͤrdere. gute Buͤcher, heilige Unterredungen. Saul weiſſaget unter den Propheten, Petrus verlaugnet unter den Spoͤttern. Die Anfaͤn- ge der Heiligung ſind ſchwehr und ſchwach, das Kind wird aber von Tag zu Tag ſtaͤrcker. Es ſtreitet zwar mit Ernſt alle Gebotte
GOttes
aEph. IV. 29.
bPſ. XXXIV. 9.
D d 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0309"n="213"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und die Pforte des Himmels.</hi></fw><lb/>
als mißfaͤllig, boͤß und verflucht; ſeine Lebzeit vor ſothaner Sinnes-<lb/>
Aenderung ſchaͤtzt er, nicht anders, als wann er tod geweſen waͤre<lb/>
und wie ein Kind in Mutter-Leib ein gantz neues Hertz, Seele Leib<lb/>
und Glieder empfangt, die er zuvor nicht gehabt; eben alſo bekommt<lb/>
der Menſch ein neu Hertz, einen neuen Verſtand; erkennt ſein E-<lb/>
lend, die Gnad JEſu, wie ehrwuͤrdig die Heiligkeit, wie eitel die<lb/>
Welt, wie heßlich die Suͤnd ſey: GOtt bildet einen neuen Willen<lb/>
in ihm, der von der Welt weg zu GOtt laufft und nach himmliſchen<lb/>
Guͤtern ſchnappet, trachtet vor allem aus mit GOtt vereiniget zu<lb/>
werden, und handelt alles Zeitliche als ein ſchlechtes Neben-Werck.<lb/>
Alle eigene Froͤmmigkeit halt er fuͤr Koth gegen Chriſto.</p><lb/><p>§. 2. Die <hirendition="#fr">Geburt</hi> iſt der weſentliche Ausbruch des neuen Men-<noteplace="right">Worinnen<lb/>ſie ſich er-<lb/>
weiſe.</note><lb/>ſchen in Fruͤchten des H. Geiſtes; wann das holde Angeſicht des<lb/>
Kindleins von Bethlehem aus den Schnee-weiſſen Windeln eines<lb/>
unſchuldigen Wandels hervorgucket; wann nicht mehr wir, ſondern<lb/>
JEſus in uns lebet, dencket, begehret, redet, wircket und ſchaffet,<lb/>
was er will. Das innere Leben leuchtet heraus als eine ſchoͤne Fa-<lb/>
ckel. Das <hirendition="#fr">Leben</hi> eines neu-gebohrnen Kindleins erzeigt ſich durch<lb/>
das Athem-Ziehen und Weinen; Eben alſo ſeuffzet, flehet und bit-<lb/>
tet die neue Creatur, iſt begierig nach Chriſti Wort und Geiſt,<lb/>ſauget die Milch der ſo heilſamen Wahrheiten aus den Bruͤſten des<lb/>
Alten und Neuen Teſtaments um zu wachſen zur vollkommenen Sta-<lb/>
tur Chriſti und die neuen Sinnen taͤglich mehr zu ſchaͤrffen; <hirendition="#fr">Die Au-<lb/>
gen</hi> nicht ferners nach Welt-Geſchichten zu gaffen, ſondern ſich an<lb/>
der Liebe GOttes und an dem gecreutzigten Heyland zu weyden.<lb/><hirendition="#fr">Die Ohren</hi> vor Chriſti Stimm und der Einſprach des H. Geiſtes<lb/>
nie zuſtopffen. <hirendition="#fr">Mund</hi> daß auch der von Goͤttlicher Salbung trief-<lb/>
fe <noteplace="foot"n="a"><hirendition="#aq">Eph. IV.</hi> 29.</note>, und koſte wie ſuͤß JEſus ſey <noteplace="foot"n="b"><hirendition="#aq">Pſ. XXXIV.</hi> 9.</note>. <hirendition="#fr">Haͤnde</hi> voll guter, heiliger<lb/>
Wercken. <hirendition="#fr">Fuͤſſe</hi> fertig zu wandeln auf den Straſſen Zions und<lb/>
den Seelen zu helffen.</p><lb/><p>§. 3. <hirendition="#fr">Helffer</hi> und <hirendition="#fr">Befoͤrderer</hi> der neuen Geburt ſind treue Lehrer,<noteplace="right">Wer die-<lb/>ſelbe be-<lb/>
foͤrdere.</note><lb/>
gute Buͤcher, heilige Unterredungen. Saul weiſſaget unter den<lb/>
Propheten, Petrus verlaugnet unter den Spoͤttern. Die <hirendition="#fr">Anfaͤn-<lb/>
ge</hi> der Heiligung ſind <hirendition="#fr">ſchwehr</hi> und <hirendition="#fr">ſchwach,</hi> das Kind wird aber<lb/>
von Tag zu Tag ſtaͤrcker. Es ſtreitet zwar mit Ernſt alle Gebotte<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D d 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">GOttes</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[213/0309]
und die Pforte des Himmels.
als mißfaͤllig, boͤß und verflucht; ſeine Lebzeit vor ſothaner Sinnes-
Aenderung ſchaͤtzt er, nicht anders, als wann er tod geweſen waͤre
und wie ein Kind in Mutter-Leib ein gantz neues Hertz, Seele Leib
und Glieder empfangt, die er zuvor nicht gehabt; eben alſo bekommt
der Menſch ein neu Hertz, einen neuen Verſtand; erkennt ſein E-
lend, die Gnad JEſu, wie ehrwuͤrdig die Heiligkeit, wie eitel die
Welt, wie heßlich die Suͤnd ſey: GOtt bildet einen neuen Willen
in ihm, der von der Welt weg zu GOtt laufft und nach himmliſchen
Guͤtern ſchnappet, trachtet vor allem aus mit GOtt vereiniget zu
werden, und handelt alles Zeitliche als ein ſchlechtes Neben-Werck.
Alle eigene Froͤmmigkeit halt er fuͤr Koth gegen Chriſto.
§. 2. Die Geburt iſt der weſentliche Ausbruch des neuen Men-
ſchen in Fruͤchten des H. Geiſtes; wann das holde Angeſicht des
Kindleins von Bethlehem aus den Schnee-weiſſen Windeln eines
unſchuldigen Wandels hervorgucket; wann nicht mehr wir, ſondern
JEſus in uns lebet, dencket, begehret, redet, wircket und ſchaffet,
was er will. Das innere Leben leuchtet heraus als eine ſchoͤne Fa-
ckel. Das Leben eines neu-gebohrnen Kindleins erzeigt ſich durch
das Athem-Ziehen und Weinen; Eben alſo ſeuffzet, flehet und bit-
tet die neue Creatur, iſt begierig nach Chriſti Wort und Geiſt,
ſauget die Milch der ſo heilſamen Wahrheiten aus den Bruͤſten des
Alten und Neuen Teſtaments um zu wachſen zur vollkommenen Sta-
tur Chriſti und die neuen Sinnen taͤglich mehr zu ſchaͤrffen; Die Au-
gen nicht ferners nach Welt-Geſchichten zu gaffen, ſondern ſich an
der Liebe GOttes und an dem gecreutzigten Heyland zu weyden.
Die Ohren vor Chriſti Stimm und der Einſprach des H. Geiſtes
nie zuſtopffen. Mund daß auch der von Goͤttlicher Salbung trief-
fe a, und koſte wie ſuͤß JEſus ſey b. Haͤnde voll guter, heiliger
Wercken. Fuͤſſe fertig zu wandeln auf den Straſſen Zions und
den Seelen zu helffen.
Worinnen
ſie ſich er-
weiſe.
§. 3. Helffer und Befoͤrderer der neuen Geburt ſind treue Lehrer,
gute Buͤcher, heilige Unterredungen. Saul weiſſaget unter den
Propheten, Petrus verlaugnet unter den Spoͤttern. Die Anfaͤn-
ge der Heiligung ſind ſchwehr und ſchwach, das Kind wird aber
von Tag zu Tag ſtaͤrcker. Es ſtreitet zwar mit Ernſt alle Gebotte
GOttes
Wer die-
ſelbe be-
foͤrdere.
a Eph. IV. 29.
b Pſ. XXXIV. 9.
D d 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/309>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.