wartet am Jüngsten Tag in seiner Vollkommenheit, da GOTT ih- nen seine Heiligkeit und Seeligkeit mittheilen wird, so viel sie fas- sen können, so wird gesagt, das Reich seye in ihnen, als dem aus- erwählten Geschlecht, dem Königlichen Priesterthum, dem heiligen Volck beruffen in sein wunderbahres Licht hinein, dannenher wird eins für das andere genommen hinein gehen und sehen.
Das vierte Capitel.
(III.) Ausführliche Beschreibung der Wiedergeburt.
§. 1. Folget demnach das Beding; JEsus nennts die neue Ge-Nicodemi vier Haupt- Gebre- chen. burt aus Wasser und Geist. Dieses wohl zu verstehen, was es sey: von oben herab aus Wasser und Geist gebohren werden, müssen wir Nicodemum beschauen, wie sein Gemüth mag gestaltet gewesen seyn, es ware mit vier mächtigen Gebrechen behafftet.
§. 2. Meynte er, er wäre ein sonderbahrer Heiliger, wegen äus-Der erste. serlicher Haltung des Gesetzes, worüber JEsus mit den Pharisäe- ren viel zu schaffen hatte, die sich selbst rechtfertigten vor den Leu- ten, und unter ihnen hoch angesehen waren, da sie sammt allem ih- rem thun ein Greuel vor GOtt waren, Luc. 16. Wie nothwen- dig ware es ihm sich zu JEsu in die Nacht-Schul zu begeben, in- dem dieser grosse Lehrer noch so gar wenig vom wahren Sinn der H. Schrifft wußte, freylich kan offt ein geringer armer Mensch ein mehrere Erkanntnuß haben als der gröste Lehrer; Wann nehmlich der Prediger nicht selber bekehrt ist und wann er nicht diß alles selbst erfahren hat; Darum sagt ihme JEsus alsobald: Es seye dann, daß jemand von neuem gebohren werde. Du must erst bey der er- sten Lezgen anfangen; Du Celeberrime Doctor! Du hochgestudier- ter Lehrer! must noch als ein Kind werden und als ein kleines a b c Kindlein in die himmlische Schul gehen und werden wie ein Kind, sonst gibts nichts draus, daß du ins Himmelreich kommest und seelig werdest. Nicht viel Weise, nicht viel Gelehrte hat GOtt erweh- let, 1 Cor. 1.
Daher wiederholet JEsus das Amen zum zweytenmahl die un- umgängliche Nothwendigkeit der neuen Geburt anzuzeigen: als wann er sagte: Glaube es nur mein lieber Nicodeme, da hindurch muß es mit dir.
Diß
und die Pforte des Himmels.
wartet am Juͤngſten Tag in ſeiner Vollkommenheit, da GOTT ih- nen ſeine Heiligkeit und Seeligkeit mittheilen wird, ſo viel ſie faſ- ſen koͤnnen, ſo wird geſagt, das Reich ſeye in ihnen, als dem aus- erwaͤhlten Geſchlecht, dem Koͤniglichen Prieſterthum, dem heiligen Volck beruffen in ſein wunderbahres Licht hinein, dannenher wird eins fuͤr das andere genommen hinein gehen und ſehen.
Das vierte Capitel.
(III.) Ausfuͤhrliche Beſchreibung der Wiedergeburt.
§. 1. Folget demnach das Beding; JEſus nennts die neue Ge-Nicodemi vier Haupt- Gebre- chen. burt aus Waſſer und Geiſt. Dieſes wohl zu verſtehen, was es ſey: von oben herab aus Waſſer und Geiſt gebohren werden, muͤſſen wir Nicodemum beſchauen, wie ſein Gemuͤth mag geſtaltet geweſen ſeyn, es ware mit vier maͤchtigen Gebrechen behafftet.
§. 2. Meynte er, er waͤre ein ſonderbahrer Heiliger, wegen aͤuſ-Der erſte. ſerlicher Haltung des Geſetzes, woruͤber JEſus mit den Phariſaͤe- ren viel zu ſchaffen hatte, die ſich ſelbſt rechtfertigten vor den Leu- ten, und unter ihnen hoch angeſehen waren, da ſie ſammt allem ih- rem thun ein Greuel vor GOtt waren, Luc. 16. Wie nothwen- dig ware es ihm ſich zu JEſu in die Nacht-Schul zu begeben, in- dem dieſer groſſe Lehrer noch ſo gar wenig vom wahren Sinn der H. Schrifft wußte, freylich kan offt ein geringer armer Menſch ein mehrere Erkanntnuß haben als der groͤſte Lehrer; Wann nehmlich der Prediger nicht ſelber bekehrt iſt und wann er nicht diß alles ſelbſt erfahren hat; Darum ſagt ihme JEſus alſobald: Es ſeye dann, daß jemand von neuem gebohren werde. Du muſt erſt bey der er- ſten Lezgen anfangen; Du Celeberrime Doctor! Du hochgeſtudier- ter Lehrer! muſt noch als ein Kind werden und als ein kleines a b c Kindlein in die himmliſche Schul gehen und werden wie ein Kind, ſonſt gibts nichts draus, daß du ins Himmelreich kommeſt und ſeelig werdeſt. Nicht viel Weiſe, nicht viel Gelehrte hat GOtt erweh- let, 1 Cor. 1.
Daher wiederholet JEſus das Amen zum zweytenmahl die un- umgaͤngliche Nothwendigkeit der neuen Geburt anzuzeigen: als wann er ſagte: Glaube es nur mein lieber Nicodeme, da hindurch muß es mit dir.
Diß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0287"n="191"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und die Pforte des Himmels.</hi></fw><lb/>
wartet am Juͤngſten Tag in ſeiner Vollkommenheit, da GOTT ih-<lb/>
nen ſeine Heiligkeit und Seeligkeit mittheilen wird, ſo viel ſie faſ-<lb/>ſen koͤnnen, ſo wird geſagt, das Reich ſeye in ihnen, als dem aus-<lb/>
erwaͤhlten Geſchlecht, dem Koͤniglichen Prieſterthum, dem heiligen<lb/>
Volck beruffen in ſein wunderbahres Licht hinein, dannenher wird<lb/>
eins fuͤr das andere genommen <hirendition="#fr">hinein gehen</hi> und <hirendition="#fr">ſehen.</hi></p></div></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das vierte Capitel.</hi></head><lb/><divn="3"><head>(<hirendition="#aq">III.</hi>) <hirendition="#fr">Ausfuͤhrliche Beſchreibung der Wiedergeburt.</hi></head><lb/><p>§. 1. Folget demnach das Beding; JEſus nennts die neue Ge-<noteplace="right">Nicodemi<lb/>
vier<lb/>
Haupt-<lb/>
Gebre-<lb/>
chen.</note><lb/>
burt aus Waſſer und Geiſt. Dieſes wohl zu verſtehen, was es ſey:<lb/>
von oben herab aus Waſſer und Geiſt gebohren werden, muͤſſen wir<lb/>
Nicodemum beſchauen, wie ſein Gemuͤth mag geſtaltet geweſen ſeyn,<lb/>
es ware mit vier maͤchtigen Gebrechen behafftet.</p><lb/><p>§. 2. Meynte er, er waͤre ein ſonderbahrer Heiliger, wegen aͤuſ-<noteplace="right">Der erſte.</note><lb/>ſerlicher Haltung des Geſetzes, woruͤber JEſus mit den Phariſaͤe-<lb/>
ren viel zu ſchaffen hatte, die ſich ſelbſt rechtfertigten vor den Leu-<lb/>
ten, und unter ihnen hoch angeſehen waren, da ſie ſammt allem ih-<lb/>
rem thun ein Greuel vor GOtt waren, Luc. 16. Wie nothwen-<lb/>
dig ware es ihm ſich zu JEſu in die Nacht-Schul zu begeben, in-<lb/>
dem dieſer groſſe Lehrer noch ſo gar wenig vom wahren Sinn der<lb/>
H. Schrifft wußte, freylich kan offt ein geringer armer Menſch ein<lb/>
mehrere Erkanntnuß haben als der groͤſte Lehrer; Wann nehmlich<lb/>
der Prediger nicht ſelber bekehrt iſt und wann er nicht diß alles ſelbſt<lb/>
erfahren hat; Darum ſagt ihme JEſus alſobald: Es ſeye dann,<lb/>
daß jemand von neuem gebohren werde. Du muſt erſt bey der er-<lb/>ſten Lezgen anfangen; Du <hirendition="#aq">Celeberrime Doctor!</hi> Du hochgeſtudier-<lb/>
ter Lehrer! muſt noch als ein Kind werden und als ein kleines a b c<lb/>
Kindlein in die himmliſche Schul gehen und werden wie ein Kind,<lb/>ſonſt gibts nichts draus, daß du ins Himmelreich kommeſt und ſeelig<lb/>
werdeſt. Nicht viel Weiſe, nicht viel Gelehrte hat GOtt erweh-<lb/>
let, 1 Cor. 1.</p><lb/><p>Daher wiederholet JEſus das Amen zum zweytenmahl die un-<lb/>
umgaͤngliche Nothwendigkeit der neuen Geburt anzuzeigen: als wann<lb/>
er ſagte: Glaube es nur mein lieber <hirendition="#aq">Nicodeme,</hi> da hindurch muß<lb/>
es mit dir.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Diß</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[191/0287]
und die Pforte des Himmels.
wartet am Juͤngſten Tag in ſeiner Vollkommenheit, da GOTT ih-
nen ſeine Heiligkeit und Seeligkeit mittheilen wird, ſo viel ſie faſ-
ſen koͤnnen, ſo wird geſagt, das Reich ſeye in ihnen, als dem aus-
erwaͤhlten Geſchlecht, dem Koͤniglichen Prieſterthum, dem heiligen
Volck beruffen in ſein wunderbahres Licht hinein, dannenher wird
eins fuͤr das andere genommen hinein gehen und ſehen.
Das vierte Capitel.
(III.) Ausfuͤhrliche Beſchreibung der Wiedergeburt.
§. 1. Folget demnach das Beding; JEſus nennts die neue Ge-
burt aus Waſſer und Geiſt. Dieſes wohl zu verſtehen, was es ſey:
von oben herab aus Waſſer und Geiſt gebohren werden, muͤſſen wir
Nicodemum beſchauen, wie ſein Gemuͤth mag geſtaltet geweſen ſeyn,
es ware mit vier maͤchtigen Gebrechen behafftet.
Nicodemi
vier
Haupt-
Gebre-
chen.
§. 2. Meynte er, er waͤre ein ſonderbahrer Heiliger, wegen aͤuſ-
ſerlicher Haltung des Geſetzes, woruͤber JEſus mit den Phariſaͤe-
ren viel zu ſchaffen hatte, die ſich ſelbſt rechtfertigten vor den Leu-
ten, und unter ihnen hoch angeſehen waren, da ſie ſammt allem ih-
rem thun ein Greuel vor GOtt waren, Luc. 16. Wie nothwen-
dig ware es ihm ſich zu JEſu in die Nacht-Schul zu begeben, in-
dem dieſer groſſe Lehrer noch ſo gar wenig vom wahren Sinn der
H. Schrifft wußte, freylich kan offt ein geringer armer Menſch ein
mehrere Erkanntnuß haben als der groͤſte Lehrer; Wann nehmlich
der Prediger nicht ſelber bekehrt iſt und wann er nicht diß alles ſelbſt
erfahren hat; Darum ſagt ihme JEſus alſobald: Es ſeye dann,
daß jemand von neuem gebohren werde. Du muſt erſt bey der er-
ſten Lezgen anfangen; Du Celeberrime Doctor! Du hochgeſtudier-
ter Lehrer! muſt noch als ein Kind werden und als ein kleines a b c
Kindlein in die himmliſche Schul gehen und werden wie ein Kind,
ſonſt gibts nichts draus, daß du ins Himmelreich kommeſt und ſeelig
werdeſt. Nicht viel Weiſe, nicht viel Gelehrte hat GOtt erweh-
let, 1 Cor. 1.
Der erſte.
Daher wiederholet JEſus das Amen zum zweytenmahl die un-
umgaͤngliche Nothwendigkeit der neuen Geburt anzuzeigen: als wann
er ſagte: Glaube es nur mein lieber Nicodeme, da hindurch muß
es mit dir.
Diß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/287>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.