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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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und die Pforte des Himmels.
deinem ewigen Königreich haben sollen, fand hingegen ich tausend
Ausreden, wann du mir von selbst- und Welt-Verläugnung, von
Ertödtung meiner Lüsten und Paßionen und von der völligen Auf-
opfferung meiner selbst an GOtt und sein heilige Fürsehung predig-
test, als ob es du mir nicht deutlich genug gesagt hättest, oder als
ob es ein anderer Mund gewesen wäre, der mir von Vergebung der
Sünden und ewigem Leben gesprochen, und wieder ein anderer
Mund, der mir das Beding, die Güter des Gnaden-Bunds zu
geniessen vorgehalten, unter welchem und keinem anderen ich leben
und Herrlichkeit erwarten soll.

§. 8. Allein was helffen alle Vorstellungen, Leuten, die keine Oh-Klag über
diesen
hartnä-
ckichten
Sinn.

ren haben zu hören, und keine Augen zu sehen, auch kein Hertz zu
verstehen, und sich also keines anderen wollen bereden lassen, als sie
in der Schul der Welt, und des Satans erlernet; Bey diesen heißt,
gebeut hin, gebeut her, wir gehen blindlings unsers Wegs fort,
sagt GOTT durch seine Knechte, dieser dein Weg gehet ins Ver-
damnuß, so sagen sie, behüt GOtt nein! er gehet in den Himmel,
eben als ob mir einer auf der Strasse nach Bern begegnete, wel-
chen ich fragte, wohin er wolle, und er mir antwortete, nach Bern, ich
ihm aber sagte, dieser Weg führe ihn nach Yverdon, und wann er
darauf fortfahre, so werde er je länger je weiter von Bern abkommen,
er aber spreche zu mir, troll dich von mir weg du Phantast, ich will
auf meinem Weg bleiben und beharren, dann er ist gut in meinen
Augen, und meines Erachtens werde ich so eigentlich nach Bern
kommen auf meinem Weg, als du auf deinem Weg, daselbsten ge-
denckest dein Nacht-Lager zu nemmen, so müßte man wohl endlich
einen solchen seine Straß ziehen lassen an sein Ort, daß er unter
dem Thurn der Stadt, wohin er geht, vernemme, wie das Ort
heisse, wohin ihn sein Weg in seinem eitelen Wahn geführet, obs
dann das höllische Babylon, oder das himmlische Jerusalem seye.
Wir lassen sie auch fahren eines Fahrens, wir schreiten indessen fort.

§. 9. Die zweyte Ursach anzumercken, warum JEsus unsertwegen2. Weilen
der Sün-
der das
Werck
nicht recht
angreiffet.

habe schwören müssen, und das ist, dieweil viele viel thun vor ihr
Seelen-Heyl, aber sie thun Lufft-Streiche, sie lauffen aufs Unge-
wisse, und verfehlen des Kleinods jämmerlich. Sie erkennen, daß
es eine neue Geburt seyn müsse, sie streben auch darnach, aber sie
betten nicht den Heil. Geist um Erleuchtung, daß er selbst ihnen zei-

ge,

und die Pforte des Himmels.
deinem ewigen Koͤnigreich haben ſollen, fand hingegen ich tauſend
Ausreden, wann du mir von ſelbſt- und Welt-Verlaͤugnung, von
Ertoͤdtung meiner Luͤſten und Paßionen und von der voͤlligen Auf-
opfferung meiner ſelbſt an GOtt und ſein heilige Fuͤrſehung predig-
teſt, als ob es du mir nicht deutlich genug geſagt haͤtteſt, oder als
ob es ein anderer Mund geweſen waͤre, der mir von Vergebung der
Suͤnden und ewigem Leben geſprochen, und wieder ein anderer
Mund, der mir das Beding, die Guͤter des Gnaden-Bunds zu
genieſſen vorgehalten, unter welchem und keinem anderen ich leben
und Herrlichkeit erwarten ſoll.

§. 8. Allein was helffen alle Vorſtellungen, Leuten, die keine Oh-Klag uͤber
dieſen
hartnaͤ-
ckichten
Sinn.

ren haben zu hoͤren, und keine Augen zu ſehen, auch kein Hertz zu
verſtehen, und ſich alſo keines anderen wollen bereden laſſen, als ſie
in der Schul der Welt, und des Satans erlernet; Bey dieſen heißt,
gebeut hin, gebeut her, wir gehen blindlings unſers Wegs fort,
ſagt GOTT durch ſeine Knechte, dieſer dein Weg gehet ins Ver-
damnuß, ſo ſagen ſie, behuͤt GOtt nein! er gehet in den Himmel,
eben als ob mir einer auf der Straſſe nach Bern begegnete, wel-
chen ich fragte, wohin er wolle, und er mir antwortete, nach Bern, ich
ihm aber ſagte, dieſer Weg fuͤhre ihn nach Yverdon, und wann er
darauf fortfahre, ſo werde er je laͤnger je weiter von Bern abkommen,
er aber ſpreche zu mir, troll dich von mir weg du Phantaſt, ich will
auf meinem Weg bleiben und beharren, dann er iſt gut in meinen
Augen, und meines Erachtens werde ich ſo eigentlich nach Bern
kommen auf meinem Weg, als du auf deinem Weg, daſelbſten ge-
denckeſt dein Nacht-Lager zu nemmen, ſo muͤßte man wohl endlich
einen ſolchen ſeine Straß ziehen laſſen an ſein Ort, daß er unter
dem Thurn der Stadt, wohin er geht, vernemme, wie das Ort
heiſſe, wohin ihn ſein Weg in ſeinem eitelen Wahn gefuͤhret, obs
dann das hoͤlliſche Babylon, oder das himmliſche Jeruſalem ſeye.
Wir laſſen ſie auch fahren eines Fahrens, wir ſchreiten indeſſen fort.

§. 9. Die zweyte Urſach anzumercken, warum JEſus unſertwegen2. Weilen
der Suͤn-
der das
Werck
nicht recht
angreiffet.

habe ſchwoͤren muͤſſen, und das iſt, dieweil viele viel thun vor ihr
Seelen-Heyl, aber ſie thun Lufft-Streiche, ſie lauffen aufs Unge-
wiſſe, und verfehlen des Kleinods jaͤmmerlich. Sie erkennen, daß
es eine neue Geburt ſeyn muͤſſe, ſie ſtreben auch darnach, aber ſie
betten nicht den Heil. Geiſt um Erleuchtung, daß er ſelbſt ihnen zei-

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[183/0279] und die Pforte des Himmels. deinem ewigen Koͤnigreich haben ſollen, fand hingegen ich tauſend Ausreden, wann du mir von ſelbſt- und Welt-Verlaͤugnung, von Ertoͤdtung meiner Luͤſten und Paßionen und von der voͤlligen Auf- opfferung meiner ſelbſt an GOtt und ſein heilige Fuͤrſehung predig- teſt, als ob es du mir nicht deutlich genug geſagt haͤtteſt, oder als ob es ein anderer Mund geweſen waͤre, der mir von Vergebung der Suͤnden und ewigem Leben geſprochen, und wieder ein anderer Mund, der mir das Beding, die Guͤter des Gnaden-Bunds zu genieſſen vorgehalten, unter welchem und keinem anderen ich leben und Herrlichkeit erwarten ſoll. §. 8. Allein was helffen alle Vorſtellungen, Leuten, die keine Oh- ren haben zu hoͤren, und keine Augen zu ſehen, auch kein Hertz zu verſtehen, und ſich alſo keines anderen wollen bereden laſſen, als ſie in der Schul der Welt, und des Satans erlernet; Bey dieſen heißt, gebeut hin, gebeut her, wir gehen blindlings unſers Wegs fort, ſagt GOTT durch ſeine Knechte, dieſer dein Weg gehet ins Ver- damnuß, ſo ſagen ſie, behuͤt GOtt nein! er gehet in den Himmel, eben als ob mir einer auf der Straſſe nach Bern begegnete, wel- chen ich fragte, wohin er wolle, und er mir antwortete, nach Bern, ich ihm aber ſagte, dieſer Weg fuͤhre ihn nach Yverdon, und wann er darauf fortfahre, ſo werde er je laͤnger je weiter von Bern abkommen, er aber ſpreche zu mir, troll dich von mir weg du Phantaſt, ich will auf meinem Weg bleiben und beharren, dann er iſt gut in meinen Augen, und meines Erachtens werde ich ſo eigentlich nach Bern kommen auf meinem Weg, als du auf deinem Weg, daſelbſten ge- denckeſt dein Nacht-Lager zu nemmen, ſo muͤßte man wohl endlich einen ſolchen ſeine Straß ziehen laſſen an ſein Ort, daß er unter dem Thurn der Stadt, wohin er geht, vernemme, wie das Ort heiſſe, wohin ihn ſein Weg in ſeinem eitelen Wahn gefuͤhret, obs dann das hoͤlliſche Babylon, oder das himmliſche Jeruſalem ſeye. Wir laſſen ſie auch fahren eines Fahrens, wir ſchreiten indeſſen fort. Klag uͤber dieſen hartnaͤ- ckichten Sinn. §. 9. Die zweyte Urſach anzumercken, warum JEſus unſertwegen habe ſchwoͤren muͤſſen, und das iſt, dieweil viele viel thun vor ihr Seelen-Heyl, aber ſie thun Lufft-Streiche, ſie lauffen aufs Unge- wiſſe, und verfehlen des Kleinods jaͤmmerlich. Sie erkennen, daß es eine neue Geburt ſeyn muͤſſe, ſie ſtreben auch darnach, aber ſie betten nicht den Heil. Geiſt um Erleuchtung, daß er ſelbſt ihnen zei- ge, 2. Weilen der Suͤn- der das Werck nicht recht angreiffet.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/279>, abgerufen am 11.05.2024.