Man lebet alle Tage frölich und prächtig, und be- dient den Leib auffs stattlichste, allweil die so übel versorgete, gar sehr gering geachtete und vergessene Seele verdirbet, nach deren man sich kaum ein- mahl umsiehet, wo Sie sey, was Sie habe, wie es ihr gehe; auch nicht dannzumahl, wann man die äusserlichen GOttes-dienstlichen Pflichten ab- stattet. Denn auch da wird man nicht gewar, daß die Seele arm, blind, elend, jämerlich und nackend ist, daß Sie im finstern Gefängnüß sitzet, darbet, frieret und täglich dem ewigen Tod, Undergang und Höllen-Pfuhl nahet; dahin sie ein verlarfeter böser Geist unter dem Namen ei- ner hübschen, ruhmwürdigen Passion im starcken Eigenwillen, als an einer grausamen Ketten so wohl gemächlich als stürmisch fortschleppet. Und was das kläglichste ist, so darff keiner, ob er schon den anfressenden Eiter-Schaden und die Ge- fahr der ewigen Verdamnus klar vor Augen sie- het [wie der Heil. Mann GOttes Lutherus spricht] Hals und Kragen dran wagen, einem sothanen Potentaten einreden, und die lautere Warheit sa- gen. Mithin wird Jhme sein Elend verschwiegen, der Seelen-Feind spielet den Meister, fähret wo- hin sein arger Muthwill gelustet, und es GOTT aus gerechtem Gericht verhängt, als der dem Un- gehorsam niemahls hold seyn kan.
Es sollten wohl der Könige Hertzen erzittern
ab
Man lebet alle Tage froͤlich und praͤchtig, und be- dient den Leib auffs ſtattlichſte, allweil die ſo uͤbel verſorgete, gar ſehr gering geachtete und vergeſſene Seele verdirbet, nach deren man ſich kaum ein- mahl umſiehet, wo Sie ſey, was Sie habe, wie es ihr gehe; auch nicht dannzumahl, wann man die aͤuſſerlichen GOttes-dienſtlichen Pflichten ab- ſtattet. Denn auch da wird man nicht gewar, daß die Seele arm, blind, elend, jaͤmerlich und nackend iſt, daß Sie im finſtern Gefaͤngnuͤß ſitzet, darbet, frieret und taͤglich dem ewigen Tod, Undergang und Hoͤllen-Pfuhl nahet; dahin ſie ein verlarfeter boͤſer Geiſt unter dem Namen ei- ner huͤbſchen, ruhmwuͤrdigen Paſſion im ſtarcken Eigenwillen, als an einer grauſamen Ketten ſo wohl gemaͤchlich als ſtuͤrmiſch fortſchleppet. Und was das klaͤglichſte iſt, ſo darff keiner, ob er ſchon den anfreſſenden Eiter-Schaden und die Ge- fahr der ewigen Verdamnus klar vor Augen ſie- het [wie der Heil. Mann GOttes Lutherus ſpricht] Hals und Kragen dran wagen, einem ſothanen Potentaten einreden, und die lautere Warheit ſa- gen. Mithin wird Jhme ſein Elend verſchwiegen, der Seelen-Feind ſpielet den Meiſter, faͤhret wo- hin ſein arger Muthwill geluſtet, und es GOTT aus gerechtem Gericht verhaͤngt, als der dem Un- gehorſam niemahls hold ſeyn kan.
Es ſollten wohl der Koͤnige Hertzen erzittern
ab
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[0024]
Man lebet alle Tage froͤlich und praͤchtig, und be-
dient den Leib auffs ſtattlichſte, allweil die ſo uͤbel
verſorgete, gar ſehr gering geachtete und vergeſſene
Seele verdirbet, nach deren man ſich kaum ein-
mahl umſiehet, wo Sie ſey, was Sie habe, wie
es ihr gehe; auch nicht dannzumahl, wann man
die aͤuſſerlichen GOttes-dienſtlichen Pflichten ab-
ſtattet. Denn auch da wird man nicht gewar,
daß die Seele arm, blind, elend, jaͤmerlich
und nackend iſt, daß Sie im finſtern Gefaͤngnuͤß
ſitzet, darbet, frieret und taͤglich dem ewigen Tod,
Undergang und Hoͤllen-Pfuhl nahet; dahin ſie
ein verlarfeter boͤſer Geiſt unter dem Namen ei-
ner huͤbſchen, ruhmwuͤrdigen Paſſion im ſtarcken
Eigenwillen, als an einer grauſamen Ketten ſo
wohl gemaͤchlich als ſtuͤrmiſch fortſchleppet. Und
was das klaͤglichſte iſt, ſo darff keiner, ob er ſchon
den anfreſſenden Eiter-Schaden und die Ge-
fahr der ewigen Verdamnus klar vor Augen ſie-
het [wie der Heil. Mann GOttes Lutherus ſpricht]
Hals und Kragen dran wagen, einem ſothanen
Potentaten einreden, und die lautere Warheit ſa-
gen. Mithin wird Jhme ſein Elend verſchwiegen,
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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