gar schlimm mit mir, dann hab ich schon etwan ein Verlangen nach JEsu, o so ists gar bald wieder ausgelöscht, ich stecke in der Welt und Sünd, wie in einem Nebel, daß ich JEsum, die Sonne der Gerechtigkeit, nicht sehen kan: Siehe ich an die unzehliche Menge der Einwohnern des Erdbodens, so finde ich wenige Fußstapffen der Schaafen Christi, die redliche Kämpffer, um das edle Ritter Kräntz- lein sind gar dünn gesäet, und man siehet leyder an allen Orten bey Geistlich- und Weltlichen wenig anders, als leydige Frücht des Sün- denfalls. Die frommen Leuth sind weg in diesem Land/ und die Gerechten sind nicht mehr unter den Leuthen/ sie lauren alle aufs Blut/ ein jeglicher jagt den andern/ daß er ihn verderbea. Jch sehe nirgend keinen lebendigen und das Böse überwindenden JE- sum, siehe vielmehr, daß man ihne verachtet, denen, so ihne suchen, ist man aufsätzig; dann, will ja einer nur nicht mehr mit der Welt mitmachen, sondern ein ander Leben anfangen, und sein Angesicht wenden nach dem wahren Vatterland, davon Adam ausgegangen ist, so muß er ein Heuchler, ein Pharisäer, ein Pietist und derglei- chen, genennet werden, wie soll ich es dann machen?
Antw. Lieber Mensch! du must auf diese drey Stück Achtung ge- ben, und sie wohl erwägen.
Daß [nicht] die Au[g]en von der Welt ab- kehre;
§. 6. 1. Erstlich must du deine Augen abwenden von der Welt/ von weltlichem Lob, Ehr, Geld, Gut, Lust, Freud und Welt- Freundschafft; dann mit einem Aug den Himmel, JEsum, mit dem andern die Erde, den Mammon, ansehen, das lasset sich nicht thun; du must alles das, worinn die Welt ihre Freud-Vergnügung hat, nicht anschauen, dahin deine Begierden nicht gehen lassen, nicht darauf hoffen noch vertrauen, noch viel weniger deine Lägerstatt da- rinnen suchen; Du must dich abkehren von den bösen Exemplen der Welt, nicht darauf sehen, wie dieser und jener lebt, dann es gibt gar viel, welche zwar JEsum begehren, eben wie auch die Kinder Jsrael auf dem Weg nach Canaan über allerhand Sachen lüstern worden, denen es aber nicht um JEsum allein, sondern nur um sich selber zu thun, sie förchten sich vor dem Tod, der macht sie an ihne zu gedencken, aber wann dieser nicht wäre, der sie endlich aus der Welt wandern machte, so würden sie in tausend Jahren nicht ein-
mahl
aMich. VII. 1-4, Ezech. VIII.
Geiſtliche Sonnen-Wende
gar ſchlimm mit mir, dann hab ich ſchon etwan ein Verlangen nach JEſu, o ſo iſts gar bald wieder ausgeloͤſcht, ich ſtecke in der Welt und Suͤnd, wie in einem Nebel, daß ich JEſum, die Sonne der Gerechtigkeit, nicht ſehen kan: Siehe ich an die unzehliche Menge der Einwohnern des Erdbodens, ſo finde ich wenige Fußſtapffen der Schaafen Chriſti, die redliche Kaͤmpffer, um das edle Ritter Kraͤntz- lein ſind gar duͤnn geſaͤet, und man ſiehet leyder an allen Orten bey Geiſtlich- und Weltlichen wenig anders, als leydige Fruͤcht des Suͤn- denfalls. Die frommen Leuth ſind weg in dieſem Land/ und die Gerechten ſind nicht mehr unter den Leuthen/ ſie lauren alle aufs Blut/ ein jeglicher jagt den andern/ daß er ihn verderbea. Jch ſehe nirgend keinen lebendigen und das Boͤſe uͤberwindenden JE- ſum, ſiehe vielmehr, daß man ihne verachtet, denen, ſo ihne ſuchen, iſt man aufſaͤtzig; dann, will ja einer nur nicht mehr mit der Welt mitmachen, ſondern ein ander Leben anfangen, und ſein Angeſicht wenden nach dem wahren Vatterland, davon Adam ausgegangen iſt, ſo muß er ein Heuchler, ein Phariſaͤer, ein Pietiſt und derglei- chen, genennet werden, wie ſoll ich es dann machen?
Antw. Lieber Menſch! du muſt auf dieſe drey Stuͤck Achtung ge- ben, und ſie wohl erwaͤgen.
Daß [nicht] die Au[g]en von der Welt ab- kehre;
§. 6. 1. Erſtlich muſt du deine Augen abwenden von der Welt/ von weltlichem Lob, Ehr, Geld, Gut, Luſt, Freud und Welt- Freundſchafft; dann mit einem Aug den Himmel, JEſum, mit dem andern die Erde, den Mammon, anſehen, das laſſet ſich nicht thun; du muſt alles das, worinn die Welt ihre Freud-Vergnuͤgung hat, nicht anſchauen, dahin deine Begierden nicht gehen laſſen, nicht darauf hoffen noch vertrauen, noch viel weniger deine Laͤgerſtatt da- rinnen ſuchen; Du muſt dich abkehren von den boͤſen Exemplen der Welt, nicht darauf ſehen, wie dieſer und jener lebt, dann es gibt gar viel, welche zwar JEſum begehren, eben wie auch die Kinder Jſrael auf dem Weg nach Canaan uͤber allerhand Sachen luͤſtern worden, denen es aber nicht um JEſum allein, ſondern nur um ſich ſelber zu thun, ſie foͤrchten ſich vor dem Tod, der macht ſie an ihne zu gedencken, aber wann dieſer nicht waͤre, der ſie endlich aus der Welt wandern machte, ſo wuͤrden ſie in tauſend Jahren nicht ein-
mahl
aMich. VII. 1-4, Ezech. VIII.
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Geiſtliche Sonnen-Wende
gar ſchlimm mit mir, dann hab ich ſchon etwan ein Verlangen nach
JEſu, o ſo iſts gar bald wieder ausgeloͤſcht, ich ſtecke in der Welt
und Suͤnd, wie in einem Nebel, daß ich JEſum, die Sonne der
Gerechtigkeit, nicht ſehen kan: Siehe ich an die unzehliche Menge
der Einwohnern des Erdbodens, ſo finde ich wenige Fußſtapffen der
Schaafen Chriſti, die redliche Kaͤmpffer, um das edle Ritter Kraͤntz-
lein ſind gar duͤnn geſaͤet, und man ſiehet leyder an allen Orten bey
Geiſtlich- und Weltlichen wenig anders, als leydige Fruͤcht des Suͤn-
denfalls. Die frommen Leuth ſind weg in dieſem Land/ und die
Gerechten ſind nicht mehr unter den Leuthen/ ſie lauren alle aufs
Blut/ ein jeglicher jagt den andern/ daß er ihn verderbe a. Jch
ſehe nirgend keinen lebendigen und das Boͤſe uͤberwindenden JE-
ſum, ſiehe vielmehr, daß man ihne verachtet, denen, ſo ihne ſuchen,
iſt man aufſaͤtzig; dann, will ja einer nur nicht mehr mit der Welt
mitmachen, ſondern ein ander Leben anfangen, und ſein Angeſicht
wenden nach dem wahren Vatterland, davon Adam ausgegangen
iſt, ſo muß er ein Heuchler, ein Phariſaͤer, ein Pietiſt und derglei-
chen, genennet werden, wie ſoll ich es dann machen?
Antw. Lieber Menſch! du muſt auf dieſe drey Stuͤck Achtung ge-
ben, und ſie wohl erwaͤgen.
§. 6. 1. Erſtlich muſt du deine Augen abwenden von der Welt/
von weltlichem Lob, Ehr, Geld, Gut, Luſt, Freud und Welt-
Freundſchafft; dann mit einem Aug den Himmel, JEſum, mit dem
andern die Erde, den Mammon, anſehen, das laſſet ſich nicht thun;
du muſt alles das, worinn die Welt ihre Freud-Vergnuͤgung hat,
nicht anſchauen, dahin deine Begierden nicht gehen laſſen, nicht
darauf hoffen noch vertrauen, noch viel weniger deine Laͤgerſtatt da-
rinnen ſuchen; Du muſt dich abkehren von den boͤſen Exemplen der
Welt, nicht darauf ſehen, wie dieſer und jener lebt, dann es gibt
gar viel, welche zwar JEſum begehren, eben wie auch die Kinder
Jſrael auf dem Weg nach Canaan uͤber allerhand Sachen luͤſtern
worden, denen es aber nicht um JEſum allein, ſondern nur um ſich
ſelber zu thun, ſie foͤrchten ſich vor dem Tod, der macht ſie an ihne
zu gedencken, aber wann dieſer nicht waͤre, der ſie endlich aus der
Welt wandern machte, ſo wuͤrden ſie in tauſend Jahren nicht ein-
mahl
a Mich. VII. 1-4, Ezech. VIII.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/230>, abgerufen am 23.11.2024.
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