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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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einer glaubigen Seele nach JESU.
unaussprechliche Seeligkeit? Verdiente der verlohrne Sohn des
Vatters köstliche Tractamenten, darum, daß er den Schwein-Trog
verlassen a? Verdiente Martha die Erweckung ihres Bruders da-
mit, daß sie den Stein abwältzen lassen b? Meynest du dann, du
thust ein grosses, und seye nicht lauter Gnad, wann du dir das be-
nehmen und aus dem Weg raumen lassest, was dich zum höchsten
unglückhafftig machet, und die Mittheilung Christi aufhält und hin-
dert? Jsts ein grosses, wann einer Koth und Kiselstein aus der
Hand wirfft, damit er kostbare Kleinodien darein empfahen möge?
Was thut der vortrefflichers, der seine Bettler-Lumpen auf den
Mist hinlegt, damit er den Königlichen Purpur der Gerechtigkeit
JEsu, und das schnee-weisse Gewand seiner Heiligkeit anziehe? Aber,
ach leyder! die Eitelkeit ist dem Menschen so sehr im Kopff, daß ihn
noch immer unterweilen das Zurucksehen ankommt, indem er meynt,
der Mist seye noch gut zu brauchen. Sollte einer aus dem Schäl-
len-Werck sich grosse Verdienste daraus machen, daß er sich die Ei-
sen am Hals, Händen und Füssen willig abnehmen lassen, welches
sind die bösen Paßionen, damit ihme die fürstliche Zierden der Tu-
genden Christi, und die guldene Ketten Göttlicher Gebotten ange-
legt werden.

§. 8. Es ist zwar freylich eine gemeine Sag unter uns, wir wer-Seelig
werden ist
eine schwe-
re Sach.

den ohne Verdienst gerecht, und seelig aus lauter Gnaden, durch
die Erlösung im Blut Christi: Allein wie schwerlich diese Lehr in der
Anfechtung eingehe, und wie viel wunderliche Wege uud Schmel-
tzungen GOtt mit manchem Menschen müsse vornehmen, daß er ihn
von aller eigener Gerechtigkeit ausläre, und bloß auf JEsum schau-
en lehre, das wissen die, so es erfahren; Ungeübte und Unerfahrne
leben sicher, und meynen, sie habens ergriffen, weil sie die Worte
herzusagen wissen: Wir werden ohne Verdienst gerecht etc. Sie
förchten nicht die heimliche Tücke des alten Adams; Aber wann das
Gewissen in der letzten Noth erwachet, dann verzagen sie elendiglich:
Das thue das/ so wirst du leben, wachet in aller Menschen Her-
tzen, aber das, glaube an den HErrn JEsum/ wende dich zu mir/
so bist du seelig/
das muß in der Schul der Gnaden vom H. Geist
gelernet werden, unter mancherley Anfechtungen, Nöthen und Ban-
gigkeiten, Kämpffen und Gebett, und mag der grösse Doctor hier

wohl
a Luc. XV.
b Joh. XI.
P 3

einer glaubigen Seele nach JESU.
unausſprechliche Seeligkeit? Verdiente der verlohrne Sohn des
Vatters koͤſtliche Tractamenten, darum, daß er den Schwein-Trog
verlaſſen a? Verdiente Martha die Erweckung ihres Bruders da-
mit, daß ſie den Stein abwaͤltzen laſſen b? Meyneſt du dann, du
thuſt ein groſſes, und ſeye nicht lauter Gnad, wann du dir das be-
nehmen und aus dem Weg raumen laſſeſt, was dich zum hoͤchſten
ungluͤckhafftig machet, und die Mittheilung Chriſti aufhaͤlt und hin-
dert? Jſts ein groſſes, wann einer Koth und Kiſelſtein aus der
Hand wirfft, damit er koſtbare Kleinodien darein empfahen moͤge?
Was thut der vortrefflichers, der ſeine Bettler-Lumpen auf den
Miſt hinlegt, damit er den Koͤniglichen Purpur der Gerechtigkeit
JEſu, und das ſchnee-weiſſe Gewand ſeiner Heiligkeit anziehe? Aber,
ach leyder! die Eitelkeit iſt dem Menſchen ſo ſehr im Kopff, daß ihn
noch immer unterweilen das Zuruckſehen ankommt, indem er meynt,
der Miſt ſeye noch gut zu brauchen. Sollte einer aus dem Schaͤl-
len-Werck ſich groſſe Verdienſte daraus machen, daß er ſich die Ei-
ſen am Hals, Haͤnden und Fuͤſſen willig abnehmen laſſen, welches
ſind die boͤſen Paßionen, damit ihme die fuͤrſtliche Zierden der Tu-
genden Chriſti, und die guldene Ketten Goͤttlicher Gebotten ange-
legt werden.

§. 8. Es iſt zwar freylich eine gemeine Sag unter uns, wir wer-Seelig
werden iſt
eine ſchwe-
re Sach.

den ohne Verdienſt gerecht, und ſeelig aus lauter Gnaden, durch
die Erloͤſung im Blut Chriſti: Allein wie ſchwerlich dieſe Lehr in der
Anfechtung eingehe, und wie viel wunderliche Wege uud Schmel-
tzungen GOtt mit manchem Menſchen muͤſſe vornehmen, daß er ihn
von aller eigener Gerechtigkeit auslaͤre, und bloß auf JEſum ſchau-
en lehre, das wiſſen die, ſo es erfahren; Ungeuͤbte und Unerfahrne
leben ſicher, und meynen, ſie habens ergriffen, weil ſie die Worte
herzuſagen wiſſen: Wir werden ohne Verdienſt gerecht ꝛc. Sie
foͤrchten nicht die heimliche Tuͤcke des alten Adams; Aber wann das
Gewiſſen in der letzten Noth erwachet, dann verzagen ſie elendiglich:
Das thue das/ ſo wirſt du leben, wachet in aller Menſchen Her-
tzen, aber das, glaube an den HErrn JEſum/ wende dich zu mir/
ſo biſt du ſeelig/
das muß in der Schul der Gnaden vom H. Geiſt
gelernet werden, unter mancherley Anfechtungen, Noͤthen und Ban-
gigkeiten, Kaͤmpffen und Gebett, und mag der groͤſſe Doctor hier

wohl
a Luc. XV.
b Joh. XI.
P 3
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[117/0213] einer glaubigen Seele nach JESU. unausſprechliche Seeligkeit? Verdiente der verlohrne Sohn des Vatters koͤſtliche Tractamenten, darum, daß er den Schwein-Trog verlaſſen a? Verdiente Martha die Erweckung ihres Bruders da- mit, daß ſie den Stein abwaͤltzen laſſen b? Meyneſt du dann, du thuſt ein groſſes, und ſeye nicht lauter Gnad, wann du dir das be- nehmen und aus dem Weg raumen laſſeſt, was dich zum hoͤchſten ungluͤckhafftig machet, und die Mittheilung Chriſti aufhaͤlt und hin- dert? Jſts ein groſſes, wann einer Koth und Kiſelſtein aus der Hand wirfft, damit er koſtbare Kleinodien darein empfahen moͤge? Was thut der vortrefflichers, der ſeine Bettler-Lumpen auf den Miſt hinlegt, damit er den Koͤniglichen Purpur der Gerechtigkeit JEſu, und das ſchnee-weiſſe Gewand ſeiner Heiligkeit anziehe? Aber, ach leyder! die Eitelkeit iſt dem Menſchen ſo ſehr im Kopff, daß ihn noch immer unterweilen das Zuruckſehen ankommt, indem er meynt, der Miſt ſeye noch gut zu brauchen. Sollte einer aus dem Schaͤl- len-Werck ſich groſſe Verdienſte daraus machen, daß er ſich die Ei- ſen am Hals, Haͤnden und Fuͤſſen willig abnehmen laſſen, welches ſind die boͤſen Paßionen, damit ihme die fuͤrſtliche Zierden der Tu- genden Chriſti, und die guldene Ketten Goͤttlicher Gebotten ange- legt werden. §. 8. Es iſt zwar freylich eine gemeine Sag unter uns, wir wer- den ohne Verdienſt gerecht, und ſeelig aus lauter Gnaden, durch die Erloͤſung im Blut Chriſti: Allein wie ſchwerlich dieſe Lehr in der Anfechtung eingehe, und wie viel wunderliche Wege uud Schmel- tzungen GOtt mit manchem Menſchen muͤſſe vornehmen, daß er ihn von aller eigener Gerechtigkeit auslaͤre, und bloß auf JEſum ſchau- en lehre, das wiſſen die, ſo es erfahren; Ungeuͤbte und Unerfahrne leben ſicher, und meynen, ſie habens ergriffen, weil ſie die Worte herzuſagen wiſſen: Wir werden ohne Verdienſt gerecht ꝛc. Sie foͤrchten nicht die heimliche Tuͤcke des alten Adams; Aber wann das Gewiſſen in der letzten Noth erwachet, dann verzagen ſie elendiglich: Das thue das/ ſo wirſt du leben, wachet in aller Menſchen Her- tzen, aber das, glaube an den HErrn JEſum/ wende dich zu mir/ ſo biſt du ſeelig/ das muß in der Schul der Gnaden vom H. Geiſt gelernet werden, unter mancherley Anfechtungen, Noͤthen und Ban- gigkeiten, Kaͤmpffen und Gebett, und mag der groͤſſe Doctor hier wohl Seelig werden iſt eine ſchwe- re Sach. a Luc. XV. b Joh. XI. P 3

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/213>, abgerufen am 28.04.2024.